Arbeitsverträge mit Geflüchteten aus der Ukraine

Der Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine am 24.02.2022 führte dazu, dass bisher fast sechs Millionen Menschen gezwungen wurden ihre Heimat zu verlassen, weitere 7,5 Millionen Menschen flüchteten innerhalb der Ukraine.

Mehr als 600.000 dieser Geflüchteten (Stand Ende April 2022) sind bislang in Deutschland angekommen.

In einer bemerkenswerten und bisher ungebrochenen Welle der Solidarität versuchen seither Privatpersonen und Organisationen, diese Menschen mit dem zu versorgen, was sie zurücklassen mussten. Unterkünfte, Lebensmittel und Kleidung stehen an erster Stelle.

Eine berufliche Perspektive ist jedoch ebenso unerlässlich und das Streben nach einer Berufstätigkeit der Geflüchteten nebenbei auch eine große Chance für die Unternehmen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. So ist das Bildungsniveau der Geflüchteten hoch, Umfragen zufolge haben ca. 50 % der geflüchteten Erwerbstätigen einen Hochschulabschluss und viele waren in den medizinischen und technischen Bereichen tätig oder waren Lehrkräfte, Erzieher oder Pflegekräfte.

Bundesarbeitsminister Heil erklärte, dass die Geflüchteten „einen rechtlichen und sofortigen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt“ erhalten. Wie dieser „rechtliche und sofortige Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt“ aussieht, möchten wir nachfolgend darstellen:

1. Geltende Einreisebestimmungen

Die Einreise geflüchteter Personen aus der Ukraine in die EU setzt lediglich das Mitführen eines gültigen biometrischen Reisepasses voraus. Ein Visum ist nicht erforderlich.

Aufgrund der Verordnung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, die am 09.03.2022 in Kraft getreten ist, gilt dies unabhängig von der konkreten Staatsangehörigkeit und damit auch für Drittstaatsangehörige, die vor dem 24.02.2022 in der Ukraine lebten und nun flüchten mussten. Beachtet werden müssen allerdings die jeweils geltenden Ausreisebeschränkungen der Ukraine, die z. B. für ukrainische Männer im wehrpflichtigen Alter bestehen können.

2. Erfordernis eines Aufenthaltstitels/Visums

Aufgrund der UkraineAufenthÜV sind geflüchtete Personen bis zum Ablauf des 23.05.2022 von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Es ist daher eigentlich nicht erforderlich, dass sich eine geflüchtete Person sofort bei den zuständigen Behörden meldet. Wir werden allerdings aufzeigen, dass eine möglichst schnelle Meldung dringend anzuraten ist.

Nach dem 23.05.2022 – oder 90 Tage nach der Einreise – muss sich der Geflüchtete melden. Dies geschieht an sogenannten PIK-Stationen (PIK = Personalisierungsinfrastrukturkomponente) durch die Bundes- oder Länderpolizei, Mitarbeitende des BAMF in den Außenstellen und Ankunftszentren oder Mitarbeitende der Länder in Aufnahmeeinrichtungen, Ausländerbehörden und Ankunftszentren.

Leistungen wie medizinische Hilfe, Geldleistungen oder bestimmte Beratungs- und Betreuungsangebote können jedoch erst nach der Registrierung genutzt werden, schon aus diesem Grund ist eine möglichst zeitnahe Meldung meist schon zwingend erforderlich.

3. Sicherung der Rechtsstellung

Die aus der Ukraine geflüchteten Personen können zwei verschiedene Verfahren durchlaufen, die jeweils im Idealfall mit einer Aufenthaltserlaubnis abgeschlossen werden.

a) Asylverfahren

Dieses Verfahren wird den meisten Lesern bekannt sein – nicht zuletzt aufgrund des Umgangs mit den Flüchtlingen ab dem Jahr 2015, dessen Handhabung bekanntlich nicht als Integrationserfolg in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Das Asylverfahren beginnt mit der Anmeldung des Geflüchteten. Anschließend wird der Asylantrag gestellt, der das Asylverfahren einleitet. Das Verfahren kann mitunter mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Während dieses Verfahrens besteht eine „Aufenthaltsgestattung“ in Deutschland, die in den ersten drei Monaten nicht zur Aufnahme einer Tätigkeit berechtigt. Anschließend gilt die Vorrangprüfung, wonach die Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit von der Erteilung einer gesonderten Arbeitserlaubnis der Ausländerbehörde abhängig ist.

Das Asylverfahren endet – sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind – mit einem positiven Bescheid der Behörde und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Aufenthaltserlaubnis kann mit einer Arbeitserlaubnis verbunden sein – dies ist dann auf der Aufenthaltserlaubnis vermerkt und kann damit überprüft werden.

b) „Vorübergehender Schutz“

Geflüchtete aus der Ukraine – und bisher nur diese Gruppe – müssen nicht zwangsläufig ein Asylverfahren durchlaufen. Sie können in einem verkürzten Verfahren einen „vorübergehenden Schutz“ in Anspruch nehmen.

Durch Beschluss der EU vom 04.03.2022 wurde erstmals die „Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen“, die „Massenzustrom-Richtlinie“, aktiviert.

Diese gilt für

  • ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24.02.2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten,
  • Staatenlose und Drittstaatenangehörige, die vor dem 24.02.2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben,
  • Familienangehörige der ersten beiden Personengruppen und
  • Drittstaatenangehörige, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten und nicht sicher oder dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückkehren können,

und gewährleistet diesen Personen einen „vorübergehenden Schutz“ für zunächst ein Jahr. Sofern erforderlich, kann dieser Schutz auf bis zu drei Jahre ausgeweitet werden.

In Deutschland wird die Massenzustrom-Richtlinie durch § 24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) umgesetzt, die den Geflüchteten (auch) einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Gestattung der Erwerbstätigkeit zuspricht.

Wir hatten bereits ausgeführt, dass ein Aufenthaltstitel vor dem 23.05.2022 eigentlich nicht erforderlich ist. Sofern eine Berufstätigkeit gewünscht ist, sollte gleichwohl schnellstmöglich diese Aufenthaltserlaubnis beantragt werden.

Diese Aufenthaltserlaubnis berechtigt per se noch nicht zur Aufnahme einer Tätigkeit, die Arbeitserlaubnis muss nach § 4a AufenthG gesondert erteilt werden. In der „Umsetzung des Durchführungsbeschlusses des Rates zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes“ wurde hierzu mit Datum vom 14.03.2022 jedoch die konkrete Anweisung von dem Bundesministerium des Innern und für Heimat an Länder erteilt, die Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen stets mit dem Vermerk „Erwerbstätigkeit erlaubt“ zu versehen.

Im Regelfall wird daher bereits mit der Aufenthaltserlaubnis auch die Arbeitserlaubnis verbunden sein.

Kann einer geflüchteten Person die Aufenthaltserlaubnis nicht sofort ausgestellt werden, erhält sie eine „Fiktionsbescheinigung“. Diese bestätigt das Vorliegen der Rechte einer Aufenthaltserlaubnis und wird in der Regel auch bereits zur Ausübung einer Tätigkeit berechtigen.

5. Pflichten des Arbeitgebers

Nun musste der interessierte Leser viele Informationen aus sonst unbekannten Rechtsgebieten aufnehmen. Daher möchten wir letztlich die wichtigsten Facts aus der Sicht des Arbeitgebers darstellen:

  • Sofern Sie bereits mit einem/einer konkreten Bewerber/Bewerberin hinsichtlich der Aufnahme einer Tätigkeit in Kontakt stehen, wird die Einreise nach Deutschland in der Regel unproblematisch sein.
  • Vor der Aufnahme einer Tätigkeit kommt § 4a AufenthG zum Tragen, der bestimmt, dass ein Arbeitgeber, der einen Ausländer beschäftigt,
    • prüfen muss, ob eine Arbeitsberechtigung besteht.
    • während der Dauer der Beschäftigung eine Kopie der Dokumente vorhalten muss, aus der sich die Arbeitserlaubnis ergibt.
    • innerhalb von vier Wochen der zuständigen Ausländerbehörde mitteilen muss, wenn die Beschäftigung mit dem Ausländer vorzeitig beendet wird.
  • Die Beschäftigung von Ausländern ohne eine zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigende Aufenthaltserlaubnis ist nicht erlaubt und stellt als illegale Beschäftigung eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 404 Abs. (2) Nr. 3 SGB III dar. Hier kommt eine Bebußung des Arbeitgebers von bis zu 500.000 EUR in Betracht. Darüber hinaus kann dies eine Straftat im Sinne des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarArbG) sein und kann mit einer Geldbuße oder – bei Hinzutreten weiterer Voraussetzungen wie z. B. ungünstiger Arbeitsbedingungen – sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren sanktioniert werden. Im Zweifel kontaktieren Sie bitte die ausstellende Behörde oder holen Sie sich anwaltlichen Rat ein.
  • Sofern Sie mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag schließen, bevor die Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis final geklärt sind, sollte ein dahingehender Vorbehalt aufgenommen werden, dass die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages von der Arbeitserlaubnis abhängig ist. Bei Fragen hierzu stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
  • Wir haben bereits ausgeführt, dass gemäß § 24 Abs. (6) AufenthG mit der Aufenthaltserlaubnis bei geflüchteten Personen aus der Ukraine nicht zwingend auch eine Arbeitserlaubnis erteilt wird – diese muss von der Behörde gesondert nach § 4a AufenthG gewährt werden und sollte es auch. Dennoch ist wichtig und unterliegt der Prüfungspflicht des Arbeitgebers, dass ein solcher Vermerk auch erteilt wird, daher lassen Sie sich bitte immer vor der Aufnahme der Tätigkeit den entsprechenden Aufenthaltstitel von dem Bewerber vorlegen.

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Autorin

Melanie Heidrich
Tel: +49 711 666 31 63

Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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