Keine Gewerbesteuer auf den Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG
Das Problem
Die Hinzurechnungsbesteuerung knüpft (u. a.) an eine Niedrigbesteuerung i. S. v. § 8 Abs. 3 AStG, d. h. eine Ertragsteuerbelastung von weniger als 25 %. Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung ist eine Belastung des Hinzurechnungsbetrags mit Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sowie ggf. mit Gewerbesteuer. Ausländische Steuern der Zwischengesellschaft werden zwar im Inland angerechnet (§ 12 Abs. 1 KStG), dies gilt jedoch nicht für die Gewerbesteuer. Letztere stellt damit eine Definitivbelastung auf den Hinzurechnungsbetrag dar. Im Ergebnis konnte die Hinzurechnungsbesteuerung damit zu Steuerbelastungen von bis zu 40 % führen. Die Mehrbelastung gegenüber dem bloßen Inlandsfall (ca. 30 % Steuerbelastung) resultierte dabei aus den Anrechnungsüberhängen bei Anrechnung der Körperschaftsteuer bei einer ausländischen Steuerbelastung zwischen 15,01 % und 24,99 %.
Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen und Gesetzgebung
Ausgangspunkt der wiederauflebenden Diskussion war eine Entscheidung des BFH im Jahre 2015 (11.3.2015, I R 10/14). In dieser Entscheidung bejahte der BFH eine gewerbesteuerliche Kürzung des Hinzurechnungsbetrags nach § 9 Nr. 3 GewStG, d. h. als ausländischer Betriebsstättengewinn. Die obersten Finanzbehörden der Länder reagierten auf diese Entscheidung mit einem gleichlautenden Nichtanwendungserlass (14.12.2015, BStBl. I 2015, 1090), in dem sie bekanntgaben, die BFH-Entscheidung nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 hat der Gesetzgeber reagiert: Nach § 7 Satz 7 GewStG sind Hinzurechnungsbeträge i. S. d. § 10 Abs. 1 AStG Einkünfte, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen. Damit hat der Gesetzgeber eine Zuordnung des Hinzurechnungsbetrags zur inländischen Betriebsstätte angeordnet und damit die Möglichkeit einer Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG versperrt. Diese Vorschrift soll rückwirkend angewendet werden (OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinformation Gewerbesteuer 03/2017 v. 26.4.2017).
EuGH-Entscheidung vom 20. September 2018
Mit Urteil vom 20. September 2018 hat der EuGH das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg für Auslandsdividenden für unionsrechtswidrig erklärt. Namentlich verstoße sowohl das zeitliche Erfordernis der Beteiligungsvoraussetzung (Halten der Beteiligung „seit“ Beginn des Erhebungszeitraums anstatt „zu“ Beginn, wie dies nach § 9 Nr. 2a GewStG gefordert wird) als auch die Aktivitätsanforderungen (Gewinne der Tochtergesellschaft müssen aktiv i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG sein) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Als Konsequenz der Entscheidung muss das deutsche Recht angepasst werden. Solange keine gesetzgeberische Angleichung erfolgt ist, bleiben die unionsrechtswidrigen Elemente der Norm unangewendet. Dies bedeutet, für Zwecke der Kürzung von Auslandsdividenden greifen bis zur Änderung der Norm Grundsätze, die denen des § 9 Nr. 2a GewStG entsprechen. Da folglich die Aktivitätserfordernisse in § 9 Nr. 7 GewStG nicht mehr angewendet werden, kommt es nicht nur für Gewinnausschüttungen von Zwischengesellschaften i. S. v. § 7 AStG, sondern auch für Hinzurechnungsbeträge i. S. v. § 10 AStG zu keiner Gewerbesteuerbelastung mehr. Denn der Hinzurechnungsbetrag gehört nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG zu den Bezügen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Als solcher wird der Hinzurechnungsbetrag auch von § 9 Nr. 7 GewStG erfasst (BFH, 21.12.2005, I R 5/05) und – wegen der unionsrechtlich gebotenen Anwendung der Norm – aus dem Gewerbeertrag gekürzt
Praxishinweise
Die deutsche Rechtslage führt unter Berücksichtigung des Unionsrechts zu massiven Erleichterungen in Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung. Da Entscheidungen des EuGH ex tunc – d. h. mit Rückwirkung – gelten, betrifft dies sämtliche offenen Sachverhalte. Auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung seit 2017 ist eine Kürzung möglich. Gesetzgeberische Reaktionen sind allerdings erneut zu erwarten, weshalb von der Schließung etwaiger Lücken mit Wirkung für zukünftige Veranlagungszeiträume auszugehen ist.