Hintergrund
Zur Stärkung des EU-Binnenmarktes ist es unerlässlich, wirtschaftliche wie auch steuerliche Vereinheitlichungen vorzunehmen und ein möglichst transparentes System zu etablieren, damit alle Mitgliedstaaten gemeinsam partizipieren können. Dies ist notwendig, um u. a. mit den wachsenden Märkten aufstrebender Volkswirtschaften auch in Zukunft mithalten zu können. Zielführend ist es daher, Rechtssicherheit für in der EU tätige multinationale Unternehmen zu gewährleisten, Verwaltungsaufwand zu minimieren, Doppelbesteuerungen zu vermeiden und auch mögliche Steuervermeidungsstrategien einiger Unternehmen wirksam zu verhindern. Dazu soll die EU-Verrechnungspreisrichtlinie beitragen.
Entwurf der EU-Verrechnungspreisrichtlinie 2023
Der 50 Seiten umfassende Entwurf der EU-Verrechnungspreisrichtlinie beginnt mit einer einleitenden Umschreibung der Ausgangslage und der Bedeutung von Verrechnungspreisen sowie der Begründung, weshalb die Kommission sich entschieden hat, den Entwurf der EU-Verrechnungspreisrichtlinie vorzulegen. Es folgen insgesamt vier Kapitel, die den Kern des Entwurfs der Richtlinie bilden, die ab 1. Januar 2026 umgesetzt sein und Anwendung finden soll (Artikel 20).
Im ersten Kapitel („General Provisions“) werden Sinn und Zweck einer vereinheitlichten Richtlinie, der Anwendungsbereich der Richtlinie festgelegt sowie Definitionen vorgenommen, die für alle Anwender verbindlich sein sollen. Das zweite Kapitel („Transfer Pricing Rules“) beschreibt die an die OECD-Guidelines angelehnten Verrechnungspreisvorschriften, Kapitel III („Organisation“) enthält weitere Regelungsfelder und Kapitel IV („Final Provisions“) umfasst Schlussbestimmungen. Insgesamt erstreckt sich die EU-Verrechnungspreisrichtlinie im Entwurf auf 22 Artikel.
General Provisions
- Die EU-Verrechnungspreisrichtlinie soll der Harmonisierung der in den Mitgliedstaaten geltenden Verrechnungspreisregeln und der einheitlichen Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes dienen.
- Sie betrifft verbundene Unternehmen, die in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten tätig sind oder dort zumindest eine Betriebsstätte haben.
- Einleitend werden diverse Fachtermini einheitlich definiert und Bezug auf die OECD-Verrechnung- spreisrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung genommen, die mit der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht rechtsverbindlich in den EU-Mitgliedstaaten verankert sind.
Transfer Pricing Rules
In Kapitel II werden in enger Anlehnung an die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien die Eckpunkte praxisgerechter Verrechnungspreisvorschriften gesetzt:
- Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes für eine einheitlich Anwendung innerhalb des EU-Binnenmarktes (Art. 4)
- Definition verbundener Unternehmen bei 25 % Beteiligung etc. (Art. 5)
- Identifizierung wirtschaftlicher und finanzieller Beziehungen (Art. 8)
- Auflistung der Verrechnungspreismethoden (Art. 9)
- Methodenwahl (Art. 10)
- Transfer-Pricing-Dokumentation (Art. 13)
Weiterhin werden Anleitungen zur einheitlichen Durchführung des Fremdvergleichs (Comparability Analysis, Art. 11) und zur Bestimmung von (interquartilen) Bandbreiten (Art. 12) gegeben.
Besonders hervorzuheben sind die Regelungen zu Gegenberichtigungen (Art. 6) und Jahresendanpassungen (Art. 7):
- Falls eine Finanzverwaltung eine unstreitige Verrechnungspreisanpassung durchführt, soll innerhalb von 180 Tagen eine korrespondierende Anpassung im jeweils anderen Staat erfolgen. Dies soll außerhalb eines formellen Verständigungsverfahrens nach DBA, EU-Schiedskonvention oder einem Verfahren gemäß der EU-Streitbeilegungsrichtlinie geschehen, quasi als „fast-track“ Verständigungsverfahren.
- Jahresendanpassungen sollen – unter Einhaltung einiger Regeln – ebenfalls anerkannt werden.
Organisation
Artikel 14 enthält eine Ermächtigung für die Europäische Kommission, gemeinsame und verbindliche Regelungen zu weiteren Themen festzulegen. Dies umfasst den IP-Transfer, die Dienstleistungserbringung, Umlageverträge, Restrukturierungen, Finanztransaktionen und die Betriebsstättenabgrenzung.
Final Provisions
Die übrigen Artikel 15 bis 21 betreffen die Umsetzung und Evaluierung der Richtlinie.
Bewertung
Der Entwurf einer EU-Verrechnungspreisrichtlinie ist ein guter Schritt in Richtung Vereinheitlichung und höherer Rechtssicherheit in Verrechnungspreisfragen innerhalb der EU. Besonders erfreulich sind die Möglichkeit einer schnellen Gegenberichtigung und die Verankerung von Jahresendanpassungen. Wenn die schnelle Gegenberichtigung im Einzelfall nicht funktioniert, bleibt immer noch das konventionelle Verständigungsverfahren. Beim Antrag auf schnelle Gegenberichtigung sollte man das Verständigungsverfahren aber hilfsweise direkt mit beantragen. Die Voraussetzungen, die an eine Jahresendanpassung gestellt werden, erscheinen wenig praxisgerecht. Wenn der Verrechnungspreis am Ende fremdüblich ist, obwohl eine oder mehrere der im Richtlinienentwurf aufgestellten Anforderungen nicht erfüllt sind, dürfte trotzdem kein Raum für eine Anpassung bleiben, da der Verrechnungspreis eben fremdüblich ist. Hier wäre weniger mehr. Die Klarstellungen und einheitlichen Definitionen sind hilfreich, um Dispute zu vermeiden. Aus deutscher Sicht dürften sich diesbezüglich wenig Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage und Verwaltungspraxis ergeben.
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