Finanzverwaltung folgt Rechtsprechung zur Einschränkung des 90 %-Einstiegstests

Die Finanzverwaltung hat sich mit dem gleichlautenden Ländererlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.06.2024 (Az. S 3812b) der Auffassung des BFH (Urteil vom 13.09.2023, II R 49/21, DStR 2023, 2788) angeschlossen und sorgt im Rahmen der Nachfolgeplanung bei der Übertragung von Betriebsvermögen nun für Rechtssicherheit.

Verfahrensgang

Der sog. 90 %-Einstiegstest war ursprünglich als Vorschrift zur Verhinderung missbräuchlicher Anwendungen von Begünstigungen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer gedacht. Der in § 13b Abs. 2 ErbStG verankerte „Test“ galt als bestanden, wenn das im Betriebsvermögen enthaltene (schädliche) Verwaltungsvermögen nach einer Bruttobetrachtung weniger als 90 % ausmacht. In der Vergangenheit wurden für die Bruttobetrachtung betriebliche Schulden nicht in Abzug gebracht. Es entstand ein verschobener Anwendungsbereich der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungsvorschriften, denn ein hoher Stand an Forderungen konnte trotz ebenso hoher Verbindlichkeiten zum Nichtbestehen des Einstiegstests führen.

Aufbauend auf einer Entscheidung des FG Münster (24. November 2021, 3 K 2174/19) war auch das darauf folgende Revisionsverfahren vor dem BFH im vergangenen Jahr erfolgreich (13. September 2023, II R 49/21). Der Senat kam zu einer einschränkenden Auslegung der Norm und bestätigte, dass bei der Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Handelsunternehmen zur Berechnung der 90 %-Quote die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln abzuziehen sind. Bereits diese Entscheidung sorgte für starke positive Resonanz unter Beratenden und Steuerpflichtigen. Unklar blieb nach dem Urteil, inwieweit diese Einzelfallentscheidung auf andere Sachverhalte anzuwenden ist.

Gleichlautender Ländererlass vom 19. Juni 2024

Nun hat auch die Finanzverwaltung in einem für die Steuerpflichtigen erfreulichen Umfang Stellung zu dem Urteil bezogen und einen gleichlautenden Ländererlass veröffentlicht. Dieser folgt nicht nur der in dem Urteil dargestellten Auffassung des BFH, sondern erweitert den Anwendungsbereich der dort gefundenen Grundsätze deutlich.

Es wird festgestellt, dass die Grundsätze des Urteils nicht nur für Anteile an Kapitalgesellschaften gelten, sondern auch auf alle übrigen Rechtsformen des begünstigungsfähigen Vermögens gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG anwendbar sind. Es sind somit auch Einzelunternehmen, Anteile an Personengesellschaften und inländische Wirtschaftsteile des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens erfasst. Nach dem Wortlaut des Erlasses ist es weiterhin erforderlich, dass das begünstigungsfähige Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit gemäß §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG dient. Diese Grundsätze sind ausdrücklich nicht nur auf „typische Handelsunternehmen“ beschränkt, sondern auch in weiteren Branchen sowohl bei der Erbschaft- als auch bei der Schenkungsteuer anwendbar. Lediglich vermögensverwaltende Unternehmen sind nicht erfasst.

Praxishinweise

Die bestätigende Verwaltungsauffassung ist sehr zu begrüßen und wirkt sich nicht nur auf geplante Nachfolgen, sondern unter Umständen auch auf bereits erfolgte und noch offene Sachverhalte erleichternd aus. Der Erlass ist auch auf diese anwendbar. Laufende Einspruchs- und Klageverfahren sollten, soweit nicht bereits geschehen, um den Hinweis auf den Erlass und die zugrunde liegende Argumentation ergänzt werden.

Gern beraten wir Sie umfassend und individuell im Nachfolgebereich und prüfen im Einzelfall erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigungen.

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