Neue Regelungen des AEAO zu Betriebsstätten aus dem Homeoffice
Ein wesentlicher Punkt des AEAO zu § 12 AO besagt, dass Tätigkeiten aus dem Homeoffice in der Regel mangels einer „ausreichenden Verfügungsmacht“ des Arbeitgebers keine Betriebsstätte begründen (Tz. 4 und 5). Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die Ausübung von Leitungsfunktionen aus dem Homeoffice, da diese annahmegemäß „eine Verfügungsmacht des Unternehmens vermitteln“ (Tz. 4, zweiter Absatz, Satz 2.) [1]. Das soll auch gelten, bei:
- Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber.
- Vermietung der Räumlichkeiten des*der Arbeitnehmers*in an den Arbeitgeber.
- Fällen, in denen dem*der Arbeitnehmer*in kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.
Verschärfungen ergaben sich bei der Annahme einer Betriebsstätte in den Räumlichkeiten Dritter – hier muss sich die Nutzungsbefugnis künftig nicht auf einen bestimmten Raum oder eine bestimmte Fläche beziehen. Ausreichend ist die ständige Nutzungsmöglichkeit eines geeigneten Raums oder einer wechselnden Teilfläche eines Grundstücks.[2]
Bedeutung für die Praxis
Die Regelungen des AEAO zu Betriebsstätten haben für Inbound-Fälle eine weit höhere Relevanz als für Outbound-Fälle. Für Outbound-Fälle sollen regelmäßig das lokale Recht des Staats der potenziellen Betriebsstätte und das relevante Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) herangezogen werden.
Bei den Ausführungen des AEAO handelt es sich mehr um Klarstellungen als um Neuregelungen, gerade weil sich der AEAO stark an bestehenden BFH-Urteilen orientiert. Aus Sicht der Verrechnungspreispraxis ist diese Klarstellung daher zu begrüßen, da sie der gängigen Interpretation folgt. Gerade durch die erhöhte Loslösung von festen Arbeitsplätzen in den Jahren seit der Covid-19-Pandemie ist diese Präzisierung geradezu überfällig.
Praxishinweis: Die Klarstellung vermeidet die Begründung von Betriebsstätten ausländischer Unternehmen in Deutschland, bei denen Mitarbeiter*innen aus dem Homeoffice tätig werden, ohne dass oftmals in Deutschland überhaupt ein Büro besteht. In der Praxis war diese Konstellation bisher oft mit der Frage verbunden, ob die Tätigkeiten aus dem Homeoffice sogenannte „Tätigkeiten vorbereitender Art“ oder „Hilfstätigkeiten“ im Sinne des Art. 5 Abs. 4 des OECD-Musterabkommens 2017 darstellen und über diese Qualifikation das Entstehen einer Betriebsstätte vermieden werden können. Diese Fallerörterung erübrigt sich somit.
Die Ausnahmeregelung für das Ausüben von Leitungsfunktionen aus dem Homeoffice ist etwas überraschend, unter anderem weil nicht geklärt ist, wieso gerade das Leitungsfunktions-Kriterium für die Beurteilung der Rechtsposition des Arbeitgebers ausschlaggebend sein soll.
Auch die tatsächliche Ausübung der Verfügungsmacht, z. B. mittels eines Schlüssels für Räumlichkeiten des*der Arbeitnehmers*in, ist in der Regel weder bei Arbeitnehmer*innen mit noch bei Arbeitnehmer*innen ohne Leitungsfunktion gegeben. Die Weiterentwicklung der BFH-Rechtsprechung zum Thema „Verfügungsmacht“ bleibt abzuwarten.
Wir merken an, dass wenn ein*e Mitarbeiter*in das Unternehmen betreffende Verträge unterzeichnet (und gegebenenfalls verhandelt), eine Vertreterbetriebsstätte auf Grundlage des § 13 AO (und des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA) begründet werden kann.
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[1] Referenzierte Urteile zu Betriebsstätten aus dem Homeoffice: BFH-Urteile vom 26.7.2017, III R 4/16; vom 23.3.2022, III R 35/20, BStBl. II S. 844, vom 4.6.2008, I R 30/07, BStBl. II S. 922, und BFH-Beschluss vom 18.2.2021, III R 8/19, BStBl. II S. 627; sowie BFH/NV 2018 S. 233
[2] BFH-Urteil vom 3.2.1993, I R 80-81/91, BStBl. II S. 462