Kapitalertragsteuer – Handlungsbedarf für einen Gewinn-BgA zum 31. August 2024
1. Ausschüttungsfiktion gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG gehören zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünften eines Betriebs gewerblicher Art (BgA)
- der nicht den Rücklagen (des BgA) zugeführte Gewinn,
- verdeckte Gewinnausschüttungen und
- die Auflösung von Rücklagen für Zwecke außerhalb des BgA (z. B. im hoheitlichen Bereich).
Weitere Voraussetzungen sind, dass der BgA
- nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist und
- seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt hat
oder
- Umsätze in Höhe von mehr als 350.000 € im Kalenderjahr oder einen Gewinn von mehr als 30.000 € im Wirtschaftsjahr erzielt.
Diese Regelung beinhaltet eine Ausschüttungsfiktion (fiktive Ausschüttung des BgA an die Trägerkörperschaft).
Hinweis:
Soweit für diese fiktiven Ausschüttungen Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten und diese Verwendung nach § 27 Abs. 3 KStG bescheinigt wird, liegen keine kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünfte vor.
2. Maßgeblicher Gewinn nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG
Maßgeblicher Gewinn nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EstG ist der Gewinn des BgA, den die juristische Person des öffentlichen Rechts für Zwecke außerhalb des BgA verwenden kann (verwendungsfähiger bzw. rücklagenfähiger Gewinn). Nach Auffassung des BMF entspricht dieser Gewinn dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss gemäß § 275 HGB. Daraus folgt, dass der so ermittelte Gewinn weder um steuerlich nicht abziehbare Aufwendungen (z. B. Körperschaft- und Gewerbesteuer) noch um die bei der steuerlichen Einkommensermittlung außer Ansatz bleibenden Beträge (z. B. § 8b KStG) zu korrigieren ist.
Besonderheiten im Rahmen der Gewinnermittlung durchEinnahmenüberschussrechnung (EÜR)
In diesen Fällen ist nach Auffassung des BMF der Gewinn auf der Grundlage des Betriebsvermögensvergleichs zu schätzen. In der Praxis wird es nach unseren Erfahrungen von der Finanzverwaltung bisher in der Regel nicht beanstandet, wenn der Gewinn im Rahmen der EÜR ermittelt und um die Ertragsteuerbelastung des betreffenden Jahres gemindert wird.
Der maßgebliche Gewinn nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ist um Verlustvorträge (Ausgleich von Fehlbeträgen aus früheren Jahren) zu kürzen.
3. Entstehung der Kapitalertragsteuer
Die Kapitalertragsteuer entsteht nach § 44 Abs. 6 Satz 2 EStG im Zeitpunkt der Bilanzerstellung, aber spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres. Sie beträgt 15 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag. Es handelt sich dabei um eine definitive steuerliche Belastung.
4. Anforderungen an die Rücklagenbildung
In der Vergangenheit hat die Finanzverwaltung die Zuführung der Gewinne in die Rücklage nur anerkannt, soweit die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung (Stehenlassen der Gewinne) nicht erfüllt werden konnten. Mit Schreiben vom 28. Januar 2019 hat die Finanzverwaltung (IV C 2 – S 2706-a/15/10001) aufgrund der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 30. Januar 2018, VIII R 42/15; VIII R 15/16) ihre bisherige Rechtsauffassung geändert und erkennt die Einstellung der Gewinne in die Rücklagen bei einem BgA an, soweit anhand objektiver Umstände nachvollzogen und geprüft werden kann, dass der handelsrechtliche Gewinn durch „Stehenlassen“ von Gewinnen als Eigenkapital dem Regiebetrieb zur Verfügung steht.
Den BgA wird mithin die Möglichkeit eingeräumt, ihre (handelsrechtlichen) Gewinne erst dann der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen, wenn diese nicht mehr für Zwecke des BgA genutzt, sondern z. B. auf die Ebene der Trägerkörperschaft überführt werden.
Als objektiver Umstand wird von der Finanzverwaltung insbesondere ein förmlicher Beschluss der zuständigen Gremien der Trägerkörperschaft anerkannt, der spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres des BgA (also für das Kalenderjahr 2023 bis spätestens zum 31. August 2024) gefasst sein muss.
Der Beschluss der Einstellung des Gewinns für das Jahr 2023 in die Rücklage muss bis zum 31. August 2024 gefasst werden. Dies gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch für den Fall, dass der Gewinn des BgA im Wege der EÜR ermittelt wird. Diese Frist gilt unabhängig davon, ob bis zum 31. August 2024 die Gewinnermittlung für den körperschaftsteuerpflichtigen BgA für das Jahr 2023 erstellt ist.
5. Ergänzende Hinweise zu verdeckten Gewinnausschüttungen
Verdeckte Gewinnausschüttungen des BgA an die Trägerkörperschaft lösen bei körperschaftsteuerpflichtigen BgA Kapitalertragsteuer aus.
Hier kann der Entstehung der Kapitalertragsteuer nicht durch Rücklagenbildung vorgebeugt werden.
Soweit für die verdeckten Gewinnausschüttungen Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten und diese Verwendung nach § 27 Abs. 3 KStG bescheinigt wird, liegen keine kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünfte vor.