Künstliche Intelligenz – Anwendungsfelder im Accounting und Controlling
KI bezieht sich auf die Fähigkeit von technischen Systemen, menschenähnliche Intelligenz und Problemlösungskompetenz zu imitieren. Anders als der Mensch kann KI große Mengen an Daten in kurzer Zeit verarbeiten, in diesen Muster erkennen und basierend darauf Entscheidungen treffen oder Aufgaben ausführen. Insbesondere repetitive, zeitaufwendige Aufgaben können so dem Menschen durch Automatisierung abgenommen werden. Hierdurch können die Finanzprozesse effizienter abgewickelt werden und auch der Grad an Genauigkeit kann weiter gesteigert werden. Im Folgenden werden prozessorientiert einzelne Use Cases für die Anwendung von künstlicher Intelligenz betrachtet.
Anwendungsfälle im Purchase-to-Pay-Prozess
Der Purchase-to-Pay-Prozess umfasst im Wesentlichen die Prozessschritte von der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen bis zur Bezahlung des Lieferanten. Anwendungsfälle für KI finden sich hier insbesondere bei der Bestellabwicklung, dem Rechnungseingang, der Rechnungsprüfung und der Zahlung.
Im Rahmen der Bestellabwicklung kann KI zunächst bei der Suche nach geeigneten Lieferanten unterstützen. Durch die Fähigkeit, große Datenmengen in kurzer Zeit zu analysieren, kann KI im Internet sprachunabhängig und global nach geeigneten Lieferanten suchen. Dabei können die Lieferanten nach verschiedenen Metriken bewertet werden. Auch hier können öffentlich zugängliche oder zusätzliche Informationen genutzt werden, um die Bewertung durch die künstliche Intelligenz durchzuführen. Beispielweise können Nachhaltigkeitsaspekte, historische Leistungen, die Einhaltung branchenspezifischer Regularien und Nachrichten in die Bewertung einfließen. Im Vergleich zum klassischen Lieferanten-Scoring können hier elementare Aufgaben, die in der Vergangenheit nur mit hohem manuellem Aufwand möglich waren, automatisiert und hocheffizient durchgeführt werden. Das trägt vor allem auch zur Aktualität der Scorings bei.
Die vom Lieferanten vorgelegten Vertragsdokumente können mithilfe von KI auf die Einhaltung von Unternehmensrichtlinien überprüft werden, Vertragsbedingungen können analysiert werden, um kritische Informationen und potenzielle Risiken zu identifizieren und die rechtliche Würdigung zu unterstützen. Damit lässt sich die Vertragsprüfung beschleunigen und die Genehmigungszeit für Bestellungen verkürzen.
Bei der Rechnungseingangsverarbeitung können durch KI-gestützte Texterkennung relevante Daten aus Rechnungen extrahiert und Anomalien identifiziert werden. Im Vergleich zum klassischen Optical Character Recognition (OCR) kann eine KI-gestützte OCR eine Vielzahl von Rechnungsformaten korrekt und genau erfassen, ohne dass das System stetig manuell weiter trainiert werden muss. KI kann auch bei der richtigen Kontierung von Rechnungen unterstützen. Hierfür können wiederum Unternehmensrichtlinien, wie zum Beispiel Kontierungshandbücher, herangezogen und durch die KI interpretiert werden oder aber auch Muster in historischen Daten erkannt und auf neue Geschäftsvorfälle angewendet werden. Die Nutzung der neuen Technologien unterstützt die vollständige Automatisierung des Kreditorenprozesses.
Anwendungsfälle im Order-to-Cash-Prozess
Der Order-to-Cash-Prozess umfasst im Wesentlichen die Prozessschritte von der Bestellung des Kunden bis zum Zahlungseingang und dessen Verarbeitung. Hier kann KI regelmäßig bei der Bonitätsprüfung, der Rechnungsstellung und dem Zahlungseingang unterstützen.
Im Rahmen der Bonitätsprüfung kann KI bei der Abschätzung von finanziellen Kundenrisiken eingesetzt werden. Durch die Fähigkeit, große Datenmengen in schneller Zeit zu verarbeiten, kann eine breitere Palette an Daten analysiert werden, wie zum Beispiel das historische Zahlungsverhalten des Kunden, sein Online-Shopping-Verhalten, die Daten von Bonitätsauskunftsdiensten und zusätzlich beispielsweise auch Aktivitäten des Kunden in sozialen Medien. Dadurch kann eine ganzheitliche und Ad-hoc-Bewertung über die Kreditvergabe erfolgen.
Abweichungen vom historischen Zahlungsverhalten können auch zur Optimierung des Forderungsmanagements genutzt werden, um Kundenmitteilungen und Mahnungen kundenindividuell zu versenden. Die Informationen über das Zahlungsverhalten können die Vorhersagen über künftige Cashflows unterstützen. Schließlich kann durch natürliche Sprachverarbeitung die Rechnungsstellung automatisiert werden. Als eine Form der KI befasst sich natürliche Sprachverarbeitung damit, menschliche Sprache zu verstehen und auf sie zu reagieren. Mithilfe dieser Technologien können weitere Quellen – zusätzlich zu den Bestellungen und der direkten Leistungserfassung – wie Verträge, E-Mails, Protokolle oder Ähnliches herangezogen werden, um die Rechnungsdetails/-positionen vorzuschlagen und zu erfassen und so die Vollständigkeit der Rechnungen sicherzustellen. Ebenso lässt sich mit KI die Zahlungseingangsverarbeitung sowie die Offene-Posten-Bearbeitung durch das Erkennen von Mustern und damit der Möglichkeit zur Erhöhung der automatisierten Zuordnungsquote weiter optimieren.
Die Anwendungsfälle für den Einsatz von künstlicher Intelligenz werden mit der Weiterentwicklung der Technologien weiter zunehmen. Transaktionale und repetitive Tätigkeiten werden zukünftig vollständig automatisiert werden. Die frei werdenden Kapazitäten können für höherwertige Arbeiten eingesetzt werden und werden das Rollenbild für Buchhalter*innen und Controller*innen massiv in Richtung der inhaltlichen Unterstützung der operativen Bereiche wandeln.
Die Anwendung von künstlicher Intelligenz im Rechnungswesen wird den Weg zu einem „autonomen Accounting“ mit großen Schritten vorantreiben – mindestens Teilbereiche in transaktionalen Prozessen lassen sich durch die Anwendung und Kombination der verfügbaren Technologien zeitnah weitestgehend automatisieren. Menschliche Eingriffe werden nur bei Anomalien, die nicht durch die künstliche Intelligenz selbst bearbeitet werden können, erforderlich sein.