„Nachhaltigkeit wird zu einem unverzichtbaren Teil der Unternehmensstrategie“
Herr Killius, warum hat die EU die Taxonomie ins Leben gerufen?
Die Taxonomie ist Teil des Green Deals, mit dem die Europäische Union den Umbau der EU-Mitgliedsländer in Richtung Nachhaltigkeit forcieren will. Damit soll Sorge getragen werden, dass der Klimaschutz oberste Priorität bekommt. Schließlich will die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein und bis 2030 mindestens 55 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 einsparen. Die Taxonomie ist dabei ein wichtiger Baustein: Sie soll aufzeigen, welcher Teil der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens nachhaltig ist – und welcher nicht. Damit wird für mehr Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit gesorgt und Investoren Orientierung gegeben.
Welche Unternehmen müssen Informationen nach der EU-Taxonomie offenlegen?
Das ist bislang noch ein relativ kleiner Teil. Die Taxonomie-Verordnung gilt für alle Portfoliomanager, Banken, Versicherungsgesellschaften und Nichtfinanzunternehmen des öffentlichen Interesses mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird der Kreis deutlich erweitert. Sie trifft auch große Unternehmen unabhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung, die zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 250 Beschäftigte, 20 Millionen Euro Bilanzsumme oder 40 Millionen Euro Umsatz. Es trifft also auch viele Mittelständler. Diese müssen die Vorgaben für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2025 beginnen, umsetzen.
Was soll die EU-Taxonomie leisten?
Sie wird aufzeigen, ob eine unternehmerische Aktivität als nachhaltig einzustufen ist und sie einen Beitrag zu den sechs Umweltzielen der Taxonomie leistet: Klimaschutz, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Anpassung an den Klimawandel, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasserressourcen sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Dabei durchlaufen Unternehmen einen dreistufigen Prozess. Zunächst geht es im ersten Schritt grundsätzlich um die Taxonomie-Fähigkeit der wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens.
Was ist der zweite Schritt?
Hier geht es um die Taxonomie-Konformität der Aktivitäten. Diese gilt es im Detail zu analysieren und zu prüfen. Die Taxonomie legt dabei strenge Kriterien zugrunde: Eine taxonomiekonforme Aktivität muss einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele der Taxonomie leisten. Zugleich darf sie keinem der sechs Umweltziele einen erheblichen Schaden zufügen. Außerdem muss sie die Mindestanforderungen für die Einhaltung der Menschenrechte erfüllen.
Und was ist der dritte Schritt und die Gesamtaussage der Taxonomie?
Unternehmen müssen den Anteil der taxonomiefähigen Aktivitäten für das gesamte Unternehmen aufzeigen. Und zwar getrennt für Umsatz, Investitionen und Betriebsausgaben. Damit soll deutlich werden, wie ein Unternehmen in Bezug zur Taxonomie und den Nachhaltigkeitszielen steht.
Sie begleiten und beraten Unternehmen, die die Taxonomie anwenden müssen. Wie sind bislang Ihre Erfahrungen?
Wir gehen gemeinsam mit Unternehmen sehr in die Tiefe, um die Anforderungen der Taxonomie zu erfüllen. Es gibt wenig Standardisierung und keine allgemeingültigen Lösungen. Für jedes Unternehmen gilt es, einen individuellen Weg zu finden.
Das bedeutet also einen immensen Aufwand?
Ja, das ist in der Tat so. Es gibt auch keine allgemeingültige Mustervorlage, die sich bei jedem Unternehmen anwenden ließe. Es erfordert sehr viel Arbeit und bindet Kapazitäten in verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens. Es bedeutet in der Praxis auch viel Handarbeit, um die Informationen und Daten zu erheben. Große kapitalmarktorientierte Unternehmen tun sich in der Regel leichter. Sie nutzen spezielle Software und können damit den manuellen Aufwand reduzieren. Die meisten mittelständischen Unternehmen können den Aufwand ohne externe Begleitung meist nicht erfüllen.
Wie bewerten Sie grundsätzlich die Taxonomie und auch die Reporting-Richtlinie CSRD?
Wir als Forvis Mazars begrüßen die erweiterten Berichterstattungspflichten der Unternehmen. Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein „Nice-to-have“, sondern wird zu einem unverzichtbaren Teil der Unternehmensstrategie. Vorstände und Aufsichtsräte gehen das in vielen Fällen bereits mit Überzeugung an und dabei beobachten wir auch einen Wandel in der Mentalität. Die nachfolgende Generation bei mittelständischen und familiengeführten Unternehmen ist oft mit Nachhaltigkeit bestens vertraut. Und das ist hilfreich, denn Unternehmen brauchen heute ein Geschäftsmodell, das auf Nachhaltigkeit basiert, um in Zukunft überleben zu können.