Governance – wie Wandel gelingt

Transparenz und gute Unternehmensführung werden heute von der Gesellschaft immer stärker eingefordert. Externe Beratungsgremien können Vorstand und Aufsichtsrat helfen, die dafür notwendigen Governance-Strukturen zu entwickeln.

Gesellschaft und Wirtschaft durchlaufen umfassende Transformationen. Vor allem für Unternehmen steht das Thema Nachhaltigkeit im Fokus. Produkte, Produktionsprozesse und Lieferketten sollen nachhaltiger werden. Und Unternehmen sollen – so die Erwartungshaltung von Politik und Gesellschaft – auch soziale Aspekte wie Arbeits- und Gesundheitsschutz, Löhne und Gehälter, soziale Absicherung oder das Verhältnis zur Gesellschaft viel nachhaltiger gestalten als bisher.

Als Klammer dient die Governance: die gute Unternehmensführung. Auch hier gelten Transparenz und Nachhaltigkeit als Maßstäbe. Und wenn die Governance gut entwickelt ist, ergibt sich die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit fast von selbst. Governance soll gesellschaftliche Prozesse und Veränderungen in Werthaltungen und Ethik widerspiegeln. Oft wird deshalb angeregt, das Konzept ESG in GES umzubenennen, weil Unternehmen nur mit einer guten und zeitgemäßen Governance Transformationsprozesse erfolgreich gestalten können.

Das sieht auch Eva Frerich so. Bei Forvis Mazars gestaltet sie digitale Transformationsprozesse. „Für viele Unternehmen oder Unternehmensteile ist Governance noch sehr neu“, sagt die Expertin von Forvis Mazars. „Im Prinzip geht es darum, nachhaltig wirksame Systeme zu bilden, um das, was man erreichen möchte, auch durchzusetzen. Eine stabile Governance mit personenunabhängigen Rahmenbedingungen kann dies leisten und zudem eine öffentlich verwertbare Verlässlichkeit schaffen.“

Während im Umwelt- und Sozialsektor ziemlich genau umschrieben ist, welche Maßnahmen die Nachhaltigkeit unterstützen, ist der Sektor Governance viel weitreichender: „Ob es der Einsatz von Arbeitsmitteln und Anwendungen ist, ob es gesellschaftlicher Wandel ist, ob es Mitbestimmung ist – am Ende ist all das nur durch die Fixierung in einer Governance nachhaltig im Unternehmen zu implementieren“, sagt Eva Frerich.

Zusammenarbeit im Unternehmen ist wichtig, aber auch Expertise von außen. „Vieles hängt davon ab, welcher Detailgrad am Ende in einer Governance definiert wird“, erläutert die Expertin von Forvis Mazars. „Governance ist ein Rahmen, der in einer schnelllebigen und sich verändernden komplexen Welt immer einen gewissen Spielraum für die inhaltliche Ausgestaltung braucht.“

Eine am gesellschaftlichen Wandel orientierte Governance hilft Unternehmen, den eigenen Unternehmenszweck klar zu definieren oder die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um den Unternehmenszweck und das Geschäftsmodell an veränderte gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen anzupassen. „Hergebrachte Unternehmensstrukturen führen häufig dazu, dass persönliche Entscheidungen über ein gesellschaftliches oder unternehmerisches Gesamtbild gestellt werden, wenn in Unternehmen keine Entscheidungsprozesse etabliert sind“, erklärt Eva Frerich. „Governance kann über die Festlegung von Entscheidungsprozessen die Gleichberechtigung in Unternehmen stärken, da auch ,stille Meinungen‘ gezielt eingebunden werden können. Dies fördert die Diversität in der Unternehmensführung und führt meist zu schnelleren und qualitativ besseren Entscheidungen“, so Eva Frerich weiter.

Wesentlich ist, dass Unternehmen eine zeitgemäße Governance entwickeln wollen. Bei Vorstand und Aufsichtsrat muss der Wille vorhanden sein, gesellschaftliche Veränderung im Unternehmen selbst widerzuspiegeln. Die Expertise dazu ist in vielen Unternehmen oft schon vorhanden. Eine offenere Kommunikation mit den Beschäftigten ermöglicht es häufig, wesentliche Veränderungen in Entscheidungsprozessen und Verantwortlichkeiten anzustoßen.

Oftmals hilft es aber auch, Expertise von außen hinzuzuziehen und ins Unternehmen zu holen. Um beispielsweise die Perspektiven jüngerer Menschen stärker in ihre Strukturen einfließen zu lassen, haben einige Unternehmen ein sogenanntes „Horizon Board“ installiert: Ein solches Gremium aus Vertreter*innen gesellschaftlicher Gruppierungen und Strömungen kann Vorstand und Aufsichtsrat bei der Veränderung von Kommunikation und Entscheidungsstrukturen, aber auch von Produktionsprozessen und Lieferketten sowie beim Finden neuer Geschäftsmodelle begleiten und beraten. „Solche Beratungsinstitutionen können Unternehmen in einer auf begrenzte Zeit festgelegten Phase wichtige Impulse für die Implementierung des gesellschaftlichen Wandels geben“, heißt es in einer Kurzstudie der Universität Exeter.

Auch Eva Frerich hält das trotz gewisser Anlaufkosten für eine mittel- und langfristig erfolgreiche Vorgehensweise. „Es ist effizient, solange der richtige Detailgrad angewandt wird. Man hat einmal Aufwand, um gewisse Grundregeln zu erarbeiten und zu etablieren, die dann aber nahezu von selbst laufen können. Das Kostspieligste, was Unternehmen tun können, ist, bestimmte Entscheidungen immer wieder neu oder gar nicht zu treffen.“

Und auch die Außenwirkung von Unternehmen ist nicht ganz unwichtig. „Die heutige Gesellschaft und insbesondere die jüngere Generation fordern inzwischen eine gewisse Art des unternehmerischen Rückgrats. Zurzeit sei dies noch ein Schwerpunkt für PR-Maßnahmen. „Aber es wird sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung immer stärker niederschlagen und auch eingefordert werden.“

Das mittlerweile veränderte nichtfinanzielle Umwelt-Reporting von Unternehmen ist ein gutes Beispiel. Veränderte Strukturen in Unternehmen, die Neuregelung von Verantwortlichkeiten sowie die Maßstäbe, nach denen Unternehmen handeln, sind oft in einer Abstimmung mit Wissenschaftler*innen, Umweltschützer*innen, aber beispielsweise auch Umweltgruppen entstanden. In den Transformationsprozess einer Governance-Entwicklung fließt viel externe Expertise ein. Und auch in der Umsetzungsphase würden sich insbesondere Aufsichtsgremien in Unternehmen durch eine externe Beratung sensibilisieren und begleiten lassen, ohne die vom Gesetz vorgesehenen Aufsichts- und Kontrollpflichten auszulagern.

Der erste Schritt sind also die Einsicht und der Wille zur Transformation. Danach ist ein Blick in das Unternehmensumfeld hilfreich. Oft finden sich geeignete Berater*innen aus dem gesellschaftspolitischen Umfeld. Das können Vertreter*innen aus der Start-up-Szene oder dem Sozialunternehmertum sein, genauso wie Gruppen, die sich für gesellschaftliche Gleichberechtigung oder den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen. Die Ideen und Impulse können vielfältig sein. „Governance ist das Ergebnis vieler Schnittstellen zwischen Unternehmen und Gesellschaft“, sagt Eva Frerich.

 

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