Warum Aufsichtsrät*innen den passenden Ton finden sollten

In einem veränderten medialen Umfeld müssen Aufsichtsrät*innen heutzutage mehr kommunizieren als zu früheren Zeiten. Doch im Aktienrecht sind die Grenzen dafür eng gesteckt. Im kommunikativen Lead ist organisatorisch und inhaltlich der Vorstand. Wir erklären, wie die Unternehmensorgane im Tagesgeschäft und auf der Hauptversammlung die richtige Balance finden.

Die Nachricht sorgte Anfang August dieses Jahres für Bestürzung: Der Finanzchef eines namhaften deutschen Lkw-Herstellers war plötzlich und unerwartet verstorben. Der Top-Manager sei bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen, teilte das Unternehmen einen Tag später mit. Zu den genauen Todesumständen machte der Konzern, wie in solchen Fällen üblich, keine Angaben. Wenige Tage später äußerte sich der Aufsichtsratschef dennoch konkret zu den Ursachen – und Details fanden den Weg in die Presse. Hier stellt sich die Frage, inwieweit Kontrollorgane befugt oder auch verpflichtet sind, zu gewissen Themen Auskunft zu erteilen.

Mit der unmittelbaren Mitteilung über den Todesfall war der Aufsichtsrat seinen gesetzlichen Informationspflichten bereits nachgekommen. Darüber hinaus ist es bei Nachrufen in der Presse oder bei Todesanzeigen längst üblich, zum Schutz der Angehörigen nur allgemein vage Formulierungen zu verwenden und die genauen Umstände nicht ausdrücklich zu thematisieren.

Datenschutz und Privatsphäre achten

Nach Einschätzung von Peter Christian Felst, Partner und Rechtsanwalt bei Forvis Mazars in Deutschland, sind dem Aufsichtsratsvorsitzenden dennoch weder zivilrechtliche noch haftungsrechtliche Verstöße vorzuwerfen. Auch Schadenersatzansprüche aufgrund mangelnder Einhaltung von Sorgfaltspflichten sieht er nicht. „Die Causa ist letztlich nur ethisch fragwürdig. Die Frage ist: Ist es in diesem traurigen Fall richtig, so etwas zu tun?“, ordnet der Jurist den Sachverhalt ein. „Das hätte man anders lösen können. In der heutigen Welt der kompletten Transparenz über Social Media sollten wir Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gerade in Bezug auf schwere Krankheiten und Todesfälle etwas höher halten.“

Dennoch: Soziale Medien und Onlinejournalismus haben das mediale Umfeld in den vergangenen Jahren elementar verändert. Früher war es relevant, dass Vorstände und Aufsichtsrat mit Wirtschafts- und Finanzmedien sprachen. „Heute sind Plattformen wie LinkedIn für Aufsichts- und Beiräte unerlässlich geworden. Sie haben gar keine andere Wahl, wenn sie sich positionieren und differenzieren wollen“, sagt Christoph Moss, Professor für Kommunikation und Marketing an der International School of Management in Dortmund. Ihm zufolge hat die Plattform LinkedIn völlig richtig erkannt, dass Menschen lieber Menschen folgen und nicht Marken. Deshalb bewertet der Algorithmus von LinkedIn persönliche Accounts höher als jene von Unternehmen. „Man möchte einfach Ecken und Kanten sehen, also das, was wirklich hinter dem großen Schreibtisch los ist. Und sie wünschen sich strategische Inhalte, die ihnen langfristige Perspektiven eröffnen. Es wäre also eine schwer vertane Chance, sich dort nicht persönlich zu positionieren“, ist Moss überzeugt.

Auch Aufsichts- und Beirät*innen können ein Unternehmen erlebbar machen

Demzufolge sind gut durchdachte, thematisch auf den Punkt formulierte Beiträge auch von Aufsichts- und Beirät*innen für die Markenbildung eines Unternehmens heute wichtiger als ein neues Logo. Moss verweist in diesem Zusammenhang auf eine Studie der Marketingkommunikationsagentur Havas, die festgestellt hat, dass 75 % der Marken weltweit verschwinden könnten, ohne dass ihre Zielgruppen das nennenswert beschäftigen würde. „Da sollten Aufsichts- und Beiräte ein starkes Gegengewicht bilden, indem sie ihr Unternehmen durch Meinung und Positionen erlebbar machen“, sagt der Kommunikationsexperte.

Für Forvis Mazars Partner Felst geben jedoch das Aktien- beziehungsweise das GmbH-Gesetz in dieser Hinsicht klare Grenzen und Spielregeln vor. „Grundsätzlich ist für die Kommunikation eines Unternehmens, wenn es als Aktiengesellschaft konstituiert ist, zuerst der Vorstand zuständig – und dann tritt, wenn überhaupt, der Aufsichtsrat in Erscheinung“, so Felst. „Aufgrund seiner Treuepflichten ist das Organ eher zur Zurückhaltung verpflichtet als zu einer überbordenden, möglichst transparenten Kommunikation.“ Er verweist darauf, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft nur in bestimmten Sondersituationen in der Öffentlichkeit vertritt – zum Beispiel bei einem außergewöhnlichen Merger oder wenn Vorstandsmitglieder außerplanmäßig abberufen werden. „Aber auch da sollte es immer eine enge Abstimmung mit dem Vorstand geben, weil er als geschäftsführendes Organ hauptsächlich für die Kommunikation zuständig ist und Entscheidungen am Markt verkaufen muss“, betont Felst.

Doch es gibt Ausnahmefälle – zum Beispiel, wenn es um persönliche Rechtsgeschäfte einzelner Vorstandsmitglieder mit der Gesellschaft geht. Dann ist Befangenheit der Beteiligten im Spiel. Oder aber es steht der Verdacht im Raum, der Vorstand habe sich bestechen lassen, Aufträge manipuliert oder Geschäftszahlen gefälscht. „In diesen Situationen muss der Aufsichtsrat selbst das kommunikative Ruder in die Hand nehmen“, erläutert Felst. „Allein schon, um nach außen zu demonstrieren, dass er seinen Aufsichtspflichten ausreichend nachkommt.“

Anders hingegen die Rollenverteilung bei der GmbH: Hier ist die Geschäftsführung eng an die Weisungen der Gesellschafter*innen beziehungsweise der Gesellschafter-Versammlung gebunden, wird also kommunikativ gegebenenfalls kürzer an der Leine gehalten als der Vorstand einer AG.

Apropos Versammlung: Die Leitung der jährlichen Hauptversammlung ist Kernaufgabe insbesondere der*des Aufsichtsratsvorsitzenden. Doch auch hier gilt in Sachen Kommunikation: Pflicht geht vor Kür. „Priorität hat, die Veranstaltung rechtssicher durchzuführen, um damit Haftungsrisiken zu vermeiden und möglichen Schaden von der Gesellschaft abzuwenden“, erklärt Felst. Anfechtungsklagen infolge von gravierenden Formfehlern können sonst unter Umständen sogar eine Wiederholung der Veranstaltung erforderlich machen.

Kommunikationsexpert*innen bereichern viele Aufsichtsräte

„Gleichwohl muss auch der Aufsichtsrat in der Lage sein, zum Beispiel eine Nachhaltigkeitsstrategie Aktionär*innen zumindest in groben Zügen schlüssig zu präsentieren und auf wesentliche Fragen präzise zu antworten, um endlose Diskussionen zu vermeiden“, bekräftigt der Experte von Forvis Mazars. „Aufgrund seiner Treuepflicht sollte er sich aber vorher beim Vorstand informieren, um keine Widersprüche zu kommunizieren.“ All diese Szenarien lassen sich jedoch im Vorfeld abstimmen und trainieren. Gerade für Mittelständler ist es unter diesem Gesichtspunkt keine schlechte Strategie, neben Topleuten aus dem Bereich Steuerberatung und Recht auch eine*n Expert*in für Kommunikation in den Aufsichtsrat oder Beirat zu holen.

Die Maxime muss Felst zufolge jedoch bleiben: Der Aufsichtsrat hat zwar eine Verpflichtung zu kommunizieren, aber im Verhältnis zum Vorstand eine sehr eingeschränkte und immer nur abgestimmte Verpflichtung – es sei denn, es geht um den Vorstand selbst und die Überwachungspflicht durch den Aufsichtsrat. Es bleibt somit auch im Bereich der Kommunikation bei der schönen juristischen Weisheit: Es kommt darauf an.

 

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