5 Gründe für ein Aufsichtsgremium im Familienunternehmen

Immer mehr Familienunternehmen entscheiden sich, unabhängig von der Rechtsform, für ein professionelles Aufsichtsgremium, also einen Aufsichtsrat, einen Verwaltungsrat, einen Stiftungsrat oder auch einen freiwilligen Beirat. Was für Kapitalgesellschaften wie die AG, die KGaA, für die Variante der Aktiengesellschaft in der europäischen Union, die Societas Europaea (SE), rechtlich verbindlich ist, ist für die GmbH und alle Formen der Personengesellschaften freiwillig. Was sind die Gründe dafür?

Zunehmende Komplexität in der Unternehmensführung

Wir leben in einer Welt, die seit den 90er Jahren – begründet durch das amerikanische Militär – als VUCA-Welt beschrieben wird. VUCA ist ein Akronym für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Wer will bestreiten, dass dies nicht nur für militärische und politische Entscheider, sondern auch für Unternehmenslenker gelten könnte? Manche gehen noch einen Schritt weiter und beschreiben die Welt – auch aus Sicht der Menschen im Unternehmen – mit dem Akronym BANI, was für Brittle, Anxious, Non-Linear und Incomprehensible steht. Alte Muster gelten nicht mehr, werden „brüchig“, erzeugen Ängste, lassen sich nicht mehr linear fortführen und beschreiben eine Welt, die von vielen als „unverstehbar“ bezeichnet wird.

Gerade in solchen Situationen hilft es, einen professionellen Aufsichtsrat zu haben, der mit kühlem Kopf für klare Entscheidungen sorgt. Denn die Erfahrung zeigt: die schlechteste Entscheidung ist oft, gar keine Entscheidung zu treffen.

Zugang zum Kapitalmarkt

Wenn ein Unternehmen einen professionell besetzten Aufsichtsrat hat, wirkt dies mit Sicherheit auf externe Stakeholder professionell und auch beruhigend. Gespräche mit Banken und anderen Kapitalgebern werden leichter und besser. Gerade der fehlende Zugang zum Kapitalmarkt ist bekanntlich einer der größten Wettbewerbsnachteile von Familienunternehmen.

Klassischerweise finanziert sich diese Unternehmensgruppe entweder über Eigenmittel und die Hausbanken. Meist kommen noch Kundenanzahlungen und Lieferantenkredite dazu, dies ist es in der Regel dann auch. Um die vielfältigen Möglichkeiten des Kapitalmarktes mit seinen Finanzierungsvarianten (Genussscheine, Schuldverschreibungen, Mezzanine, Anleihen, Private Equity etc.) zu nutzen, kann ein professioneller Aufsichtsrat nicht nur Know-how einbringen, er kann auch der ausschlaggebende Faktor für eine externe Finanzierungsquelle sein.

Professionelle Kontrolle

Grundsätzlich sieht der Gesetzgeber Kontrollorgane vor, um externen Kapitalgebern die Sicherheit zu geben, dass im Unternehmen alles in Ordnung ist. Natürlich sind auch klanghafte Namen in Aufsichtsgremien keine Garantie für solides Wirtschaften, wie manche Fälle in der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben, aber sie geben doch eine positive Tendenz und Glaubwürdigkeit.

Speziell wird das Thema in Familienunternehmen relevant, die den Übergang von eigentümergeführten zum eigentümergesteuerten Unternehmen vollzogen haben. Ist ein Vertreter der Eigner-Familien an der Spitze, so reduziert sich die Kontrolle in der Praxis – ob richtig oder falsch, sei dahingestellt – auf ein Minimum. In dem Moment aber, in dem an der Spitze ein gemischtes (Eigner und Fremdmanager) oder reines Fremdmanagement steht, ändern sich die Spielregeln. Gerade in dieser Konstellation (Principal-Agent-Konflikt, also die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt) ist ein professionelles Aufsichtsgremium dringend anzuraten.

Der Aufsichtsrat als „Aussichtsrat“

Neben der kontrollierenden Funktion besteht auch die wichtige Funktion des Wegbegleiters, des Sparringspartners, des Mentorings und des Coachings. Während das Management überwiegend im Unternehmen arbeitet, hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit und auch die Verpflichtung, am Unternehmen zu arbeiten. Genau hier liegt der wesentliche Unterschied zwischen den „Executives“ und den „Non-Executives“. Es ist von großer Bedeutung, dass sich beide Seiten über die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben sowie die damit verbundenen Verantwortlichkeiten bewusst bleiben.

Die Zukunft geistig vorwegzunehmen, Trends in ihrer Bedeutung für das Unternehmen zu diskutieren, ja das ganze Geschäftsmodell konstruktiv-kritisch zu hinterfragen: Aufsichtsräte, die diese Aufgabe erfüllen, können für Familienunternehmen von unschätzbarem Wert sein. Sie bringen Erfahrungen aus anderen Branchen mit, haben vielleicht Teile des zukünftigen strategischen Geschäftsmodells bereits erfolgreich realisiert, können mit ihrer Erfahrung Wege abkürzen, Prozesse beschleunigen, Fehler vermeiden.

Wichtig ist nur, dass sie sich bewusst sind, dass die gemachten Erfahrungen in einer anderen Branche, in einem anderen Kontext Gültigkeit hatten. Ein direktes Übertragen auf eine neue Situation führt oft in die Irre.

Begleitung bei Nachfolgeprozessen

Für Familienunternehmen ist ein Prozess oft besonders kritisch und herausfordernd: der Nachfolgeprozess. Die meisten Familienunternehmer träumen davon, ihr Unternehmen unter Erhaltung der größtmöglichen Unabhängigkeit (auch Bankenunabhängigkeit!) sicher in die nächste Generation zu bringen, die dann idealerweise auch noch die Nachfolge als familieninternes Modell realisieren kann.

Der Nachfolgeprozess ist nicht nur für jedes Familienunternehmen kritisch, weil hoch-emotional, er ist auch zum Teil – wenn es hier zu den falschen Entscheidungen kommt – geradezu gefährlich. Wenn Kinder in die Nachfolge „gezwungen“ oder zumindest überredet werden, so kann dies bei Fehlschlägen nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für die Familie und ihre Mitglieder zersetzend wirken.

Gerade hier kann ein sachlicher, professioneller Aufsichtsrat, der oft ein realistischeres Bild von den Beteiligten hat, beruhigend und zielführend wirken.

Fazit

Ein professionell geführtes Kontrollgremium kann für die Zukunftsfähigkeit eines Familienunternehmens von entscheidender Bedeutung sein. Mit einer gesunden Mischung aus Kontrolle, Weitsicht, Mediation und Coaching bietet so ein Gremium die Gewähr, die Interessen der Eigentümer zu wahren und ihr wichtigstes Vermögen zu sichern.

Autor*innen

  • Prof. Dr. Arnold Weissman, Gesellschafter und Beirat der Weissman & Cie.
  • Dr. Viktoria Kickinger, Directors Academy für Familienunternehmen

Quelle

BOARD Magazin 1/2023

 

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