Kein Verlass auf Konzernrückhalt: BFH verschärft Anforderungen bei der grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung

12.2019 | Christian Birkholz, Bettina Grothe, Andreas Lichel, Tobias Hagemann
Mit zwei Urteilen vom 27. Februar 2019 zur Anwendung von § 1 AStG auf grenzüberschreitende Konzernfinanzierungen sorgt der Bundesfinanzhof (BFH) für weitere Verschärfungen.

Die Urteile bauen auf einem Urteil des BFH vom gleichen Tage in der Rechtssache I R 73/16 auf. International tätige Unternehmensgruppen sind angehalten, die Fremdüblichkeit grenzüberschreitender Finanzierungstransaktionen zu überprüfen und zu dokumentieren. Trotz des Konzernrückhalts ist eine Besicherung nach Ansicht des BFH notwendig.

Sachverhalt

In den beiden Verfahren (I R 81/17 und I R 51/17) wurde die außerbilanzielle Korrektur von Wertminderungen aus Darlehensforderungen, Forderungen aus Lieferbeziehungen sowie eines Regressanspruchs aus der Inanspruchnahme einer Bürgschaft gemäß § 1 AStG verhandelt. Kläger waren in beiden Verfahren deutsche Steuerpflichtige i. S. v. § 1 Abs. 1 AStG, die entsprechende Geschäftsbeziehungen zu Tochtergesellschaften im Ausland (Österreich bzw. China) unterhielten.

Entscheidung des I. Senats

Die nahezu wort- und inhaltsgleichen Entscheidungen basieren weitgehend auf den Erwägungen, die der BFH bereits der Grundlagenentscheidung in der Rechtssache I R 73/16 zugrunde legte. Der I. Senat erkannte in sämtlichen Geschäftsbeziehungen, die dem Rechtsstreit zugrunde liegen, solche i. S. v. § 1 Abs. 4 AStG. Demnach zählen auch die Besicherung der Darlehensforderung, der Bürgen-Regressforderung sowie der Forderung aus Lieferungen zu den „Bedingungen“, die im Rahmen einer Fremdvergleichsprüfung evaluiert werden müssen. Im Einklang mit der jüngst vom BFH eingeschlagenen Rechtsprechungslinie können dieser Anwendung des § 1 AStG weder der Konzernrückhalt noch die Tatbestandsmäßigkeit der Norm oder das Unionsrecht entgegengehalten werden. In der Sache konnte der BFH indes noch nicht entscheiden, sondern verwies an die Vorinstanzen zur Durchführung der Fremdvergleichsprüfung zurück.

Bedeutung

Hintergrund des Rechtsproblems ist die mit den Urteilen vom 27. Februar 2019 aufgegebene Sperrwirkung, die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA für entsprechende Abkommensnormen nach früherer Rechtsprechung des I. Senats gegenüber § 1 AStG entfaltete. Diese Sperrwirkung wurde mit den beiden jüngst veröffentlichten Entscheidungen auch für das DBA-Österreich bzw. das DBA-China aufgegeben. Nichts anderes ist für andere Doppelbesteuerungsabkommen zu erwarten.

Erhebliche Bedeutung dürften die Entscheidungen für solche Geschäftsbeziehungen haben, wie sie den beiden Verfahren zugrunde lagen. Die Korrektur von Wertminderungen ist nunmehr auch für Forderungen aus Lieferbeziehungen und für Bürgen-Regressforderungen eröffnet. Der potenzielle Anwendungsbereich des § 1 AStG wurde damit massiv ausgeweitet.

Das ist im Hinblick auf Lieferantenforderungen deshalb von entscheidender Bedeutung, weil diese nicht ohne Weiteres im Sinne von § 8b Abs. 3 Satz 7 KStG „einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar sind“. Bei solchen Forderungen sollte daher sichergestellt werden, dass marktübliche Sicherheiten vereinbart werden (z. B. Eigentumsvorbehalt) oder die Marktüblichkeit (nicht die Konzernüblichkeit!) ausbleibender Besicherung hinreichend dokumentiert ist.

Zur gebotenen Besicherung einer Bürgen-Regressforderung stellt sich die Frage, wie eine Forderung, die dem Bürgen aus seiner Inanspruchnahme entsteht, fremdüblich besichert werden könnte. Denn die Bürgschaft selbst stellt die Besicherung der Markttransaktion dar.

Die Bedeutung des sogenannten Konzernrückhalts hat der BFH in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung eingeschränkt. Nach früherer Rechtsprechung konnte aufgrund eines Konzernrückhalts mitunter von einer Fremdüblichkeit – trotz fehlender Besicherung – ausgegangen werden. Dies soll nach jüngster Rechtsprechung des BFH nun nicht mehr möglich sein. Vielmehr muss auch bei bestehendem Konzernrückhalt eine Wertminderung als Voraussetzung für eine Teilwertabschreibung vorliegen und eine Besicherung als Fremdvergleichsmerkmal erfolgen.

Keine Aussage trifft der BFH zur Frage, ob die fehlende Besicherung durch Anpassung des Zinssatzes der Höhe nach „geheilt“ werden kann oder muss. In Betriebsprüfungen ist zu beobachten, dass auf Grundlage der jüngsten Entscheidungen Zinshöhen angepasst werden. Hierzu enthalten die Entscheidungen jedoch keine Aussage. Im Gegenteil unterscheidet der BFH zwischen verschiedenen „Teilaspekten“ der Fremdvergleichsprüfung. Es bleibt abzuwarten, ob eine fehlende ausdrückliche Besicherung innerhalb einer Unternehmensgruppe dazu führt, dass ein Zinssatz bestimmt werden kann oder muss, der dem für unbesicherte Darlehen entspricht. Der Konzernrückhalt kann zwar im Hinblick auf die Korrektur einer Teilwertabschreibung dem Grunde nach eine fehlende Besicherung nicht ersetzen. Dennoch bleibt zu hoffen, dass der Rückhalt im Konzern jedenfalls beim Fremdvergleich der Höhe nach (d. h. bei der Bestimmung des Zinssatzes) berücksichtigt werden kann.

Während der BFH in dem Verfahren zum DBA-Österreich weitgehend seine Ausführungen in der Rechtssache I R 73/16 wiederholte, finden sich in dem das DBA-China betreffenden Verfahren interessante Ausführungen zum Unionsrecht. Im Verhältnis zu Drittstaaten kann lediglich die Kapitalverkehrsfreiheit Schutz entfalten. Einer Anwendung dieser Grundfreiheit steht nach Ansicht des BFH jedoch die Stillhalteklausel (Art. 64 AEUV) entgegen, weil die Vorschrift in § 1 AStG seit dem 31. Dezember 1993 „in ihrem Kern unverändert geblieben“ sei. Diese Aussage mag für die Grundregel in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG zutreffen, nicht jedoch für viele andere in § 1 AStG enthaltene Regelungen.

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