Neue Studie von DCE und Mazars „Reformoptionen für die Wirtschaftsprüfung“
Choice & Quality Framework ebnet den Weg zu mehr Finanzstabilität
- Funktionsfähigkeit des deutschen Wirtschaftsprüfungsmarkts ist eingeschränkt
- CSRD könnte Marktkonzentration weiter verschärfen
- Vier-Augen-Prinzip mit flankierenden Maßnahmen als Grundlage für mehr Wettbewerb und Qualität
Dass der Prüfungsmarkt vor allem im Segment der Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities, PIEs) Reformbedarf hat, wurde spätestens durch den bis heute nachhallenden Bilanzskandal der Wirecard AG offensichtlich und durch die 2022 veröffentlichte Vorgängerstudie „Funktionsdefizite auf dem Wirtschaftsprüfungsmarkt“ belegt. Die Folgestudie untersucht nun verschiedene Prüfungsmodelle daraufhin, inwieweit diese zu mehr Wettbewerb, Anbietervielfalt, Prüfungsqualität und Finanzstabilität beitragen – und zu welchem Preis.
CSRD könnte Marktkonzentration weiter verschärfen
„Das Aufbrechen bestehender Strukturen auf dem Wirtschaftsprüfungsmarkt kann nur mit einem neuen, ganzheitlichen Marktdesign gelingen, das die Dreierkonstellation Unternehmen-Wirtschaftsprüfer-Staat einschließt und um das Vier-Augen-Prinzip herum aufgebaut ist“, sagt DCE-Partner Prof. Dr. Justus Haucap, der die Studie federführend durchgeführt hat. Neben verpflichtenden Gemeinschaftsprüfungen sind die Gestaltung wettbewerbskompatibler Haftungsregeln sowie weitere flankierende Maßnahmen unter Beachtung der Wechselwirkungen mit dem Regelwerk der Nachhaltigkeitsberichterstattung erforderlich, um dem öffentlichen Interesse an Finanzstabilität gerecht zu werden.
Die Studie kommt zu dem Schluss: Die Funktionsfähigkeit des deutschen Wirtschaftsprüfungsmarkts ist eingeschränkt. Viele Maßnahmen des im Mai 2021 vom Bundestag verabschiedeten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG) wie eine strengere Rotationspflicht und die strikte Trennung von Prüfung und Beratung sind zwar sinnvoll, schränken jedoch die Auswahlmöglichkeiten der Unternehmen und damit den Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusätzlich ein. Dies gilt auch für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Prof. Dr. Haucap erläutert: „Zwar erhöht die CSRD die Transparenz und Konsistenz der Nachhaltigkeitsinformationen entlang der finanziellen Wertschöpfungskette, doch hat sie auch unmittelbaren Einfluss auf die Wettbewerbssituation auf dem Wirtschaftsprüfungsmarkt. Denn sollte Deutschland auf die Anwendung der sogenannten Öffnungsklausel verzichten, hätte dies eine weitere Verschärfung der Marktkonzentration zur Folge. So sinnvoll es sein mag, dass der Prüfer der finanziellen auch die nichtfinanzielle Berichterstattung prüft, droht ohne eine vorgelagerte umfassende Reform des Wirtschaftsprüfungsmarkts eine Verdrängung der kleinen und mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.“
Rahmenwerk für mehr Wettbewerb und Qualität
Dr. Christoph Regierer, Sprecher des Management Boards von Mazars in Deutschland, weist auf die Notwendigkeit eines neuen Marktdesigns hin: „Die Politik muss handeln, um der Konzentration auf dem Prüfungsmarkt durch wirkungsvolle Maßnahmen entgegenzuwirken. Dies ist im Interesse von Unternehmen, Anleger*innen und der Öffentlichkeit, die durch Auswirkungen auf die Finanzstabilität direkt betroffen sind. Mit dem Choice & Quality Framework schlagen die Studienautor*innen ein zielführendes Rahmenwerk für mehr Wettbewerbsintensität, Auswahl und Qualität in der Prüfung vor. Kern einer Marktreform muss das Vier-Augen-Prinzip sein.“
Das Choice & Quality Framework umfasst eine doppelte Qualitätsprüfung durch zwei verschiedene Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und wettbewerbskompatible Haftungsregeln. Es wird von weiteren Maßnahmen flankiert, welche die Wechselwirkung mit dem Regelwerk der CSRD, die Anpassung internationaler Prüfungsstandards in Bezug auf Gemeinschaftsprüfungen sowie Regeln für Markttransparenz beachten. Das Rahmenwerk berücksichtigt dabei auf Nachfrageseite die Interessen an Marktvielfalt und Qualität sowie auf Angebotsseite an Planungssicherheit und dem Abbau von Markteintrittsbarrieren. So kann das Choice & Quality Framework die Effizienzvorteile des Prüfungsmarktes heben. Zudem würde es gewährleisten, dass die auf Entscheidungen privatwirtschaftlicher Unternehmen beruhenden Marktergebnisse dem öffentlichen Interesse und der Finanzstabilität entsprechen.
Über die Studie
Die Studie „Reformoptionen für die Wirtschaftsprüfung“ ist am 18. Januar 2024 im Rahmen eines hybriden Live-Events vorgestellt worden. Neben Prof. Dr. Justus Haucap und Dr. Christoph Regierer haben Dr. Annette Messemer (u.a. Société Générale, Vinci), Katharina Beck MdB (Bündnis 90/Die Grünen, Stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag), Sebastian Brehm MdB (CSU, Mitglied des Finanzausschusses im Bundestag) und Jella Benner-Heinacher (u.a. Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Better Finance) an der anschließenden Podiumsdiskussion teilgenommen. Der Studienreport kann hier heruntergeladen werden.
Über Mazars
Mazars ist eine international integrierte Partnerschaft, die auf die Bereiche Wirtschaftsprüfung, Steuern und Recht¹ sowie Accounting, Financial Advisory und Consulting spezialisiert ist. Wir sind in über 100 Ländern und Regionen der Welt tätig und greifen auf die Expertise von mehr als 47.000 Professionals zurück – mehr als 30.000 in der integrierten Partnerschaft von Mazars und mehr als 17.000 über die Mazars North America Alliance –, um Mandant*innen jeder Größe in jeder Phase ihrer Entwicklung zu unterstützen.
In Deutschland ist Mazars mit rund 150 Partner*innen und über 2.000 Mitarbeiter*innen an zwölf Standorten vertreten und gehört mit einem Jahresumsatz von über 233 Millionen Euro zu den führenden multidisziplinär aufgestellten Prüfungs- und Beratungsgesellschaften.
¹ Wenn nach den geltenden Landesgesetzen zulässig.