Keine Lohnsteuerpflicht bei Nachentrichtung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge

Sind infolge einer Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Beiträge zur Gesamtsozialversicherung aufgrund eines Summenbescheids durch den Arbeitgeber nachzuentrichten, führt das nicht erneut zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (BFH, Urteil vom 15. Juni 2023 – VI R 27/20).

Sachverhalt

Im Zusammenhang mit Betriebsveranstaltungen kam es zu steuerpflichtigen Zuwendungen an eigene Beschäftigte, die der zuwendende Arbeitgeber zwar der Pauschalsteuer nach § 37b EStG unterwarf, für die er jedoch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführte. Dies wurde durch eine spätere Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung festgestellt. Im Anschluss daran erging ein sogenannter Summenbescheid zur Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen gegen den Arbeitgeber, da er keine Aufzeichnungen über die auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Aufwendungen erstellt hatte. Dies wiederum veranlasste das Finanzamt, auf die nachentrichteten Arbeitnehmersozialversicherungsanteile Lohnsteuer zu erheben. Dagegen klagte der Arbeitgeber erfolgreich.

Begründung

Die Zahlungen des Arbeitgebers aufgrund der Summenbescheide stellen keinen Arbeitslohn dar, denn es handelt sich insoweit nicht um „fremdnützige“ Leistungen zugunsten der eigenen Beschäftigten, sondern um „systemnützige“ Zahlungen zum Vorteil der Sozialkassen. Dem einzelnen Beschäftigten kann kein konkreter Anteil an der Summe zugeordnet werden, sodass er später auch keine höheren Sozialversicherungsleistungen erhalten wird. Die Beschäftigten erlangen also keine Vorteile.

Hintergrund

Der Gesetzgeber hat § 37b EStG zum Zwecke der Vereinfachung eingeführt. Die Norm ermöglicht es dem Arbeitgeber, u. a. Sachzuwendungen an seine Beschäftigten bis zu einer Höhe von insgesamt 10.000 € brutto jährlich pro Empfänger mit 30 % pauschal zu versteuern. Dabei gelten auch erleichterte (steuerliche) Aufzeichnungspflichten. Aus den Aufzeichnungen muss sich lediglich ablesen lassen, dass alle Zuwendungen erfasst und die Höchstbeträge nicht überschritten wurden.

Problematisch ist allerdings, dass die Pauschalbesteuerung – entgegen dem grundsätzlich angestrebten Gleichlauf von Sozialversicherungspflicht und Lohnsteuer – nicht auf die Sozialversicherung durchschlägt und auch dort zu einer Befreiung oder Vereinfachung führt (§ 1 Abs.1 S. 1 Nr. 14 SV-Entgelt VO). Das heißt, der Arbeitgeber muss auf die pauschal besteuerten Sachbezüge reguläre Sozialversicherungsbeiträge abführen. Dafür muss er auch nachvollziehbar aufzeichnen, für welche Beschäftigten sozialversicherungspflichtige Aufwendungen angefallen sind. Das konterkariert die steuerliche Vereinfachung. Dennoch ist es trotz mehrfacher Anläufe nicht gelungen, insoweit eine Angleichung zu erreichen.

In der Praxis besteht die Gefahr, dass der Arbeitgeber im Zuge der Pauschalversteuerung und in dem Bedürfnis nach Vereinfachung nur unzureichende Aufzeichnungen tätigt, um für den einzelnen Beschäftigten ordnungsgemäß Beiträge abzuführen. In solchen Fällen kann der Versicherungsträger die Beiträge nur mittels Summenbeitragsbescheid gegen den Arbeitgeber festsetzen (§ 28f Abs. 2 SGB IV). Der Beitrag ermittelt sich dabei aus der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte. Ein Einbehalt von Arbeitnehmeranteilen findet nicht statt, sodass die Beschäftigten dadurch vermeintlich bessergestellt werden.

Bei der Beitragszahlung aufgrund eines Summenbeitragsbescheides gleicht der Arbeitgeber die ausgebliebenen Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) aus. Zwar führen die Zahlungen beim Versicherungsträger zu Einnahmen, der einzelne Beschäftigte erhält hierfür aber keine Gegenleistung z. B. in Form der Erhöhung seiner Rentenpunkte. Der Beschäftigte wird also nicht wirtschaftlich bereichert. Aufgrund der im Zuge der Pauschalisierung nicht vorgenommenen Aufzeichnungspflicht lässt sich das beitragspflichtige Arbeitsentgelt einzelnen Beschäftigten nämlich nicht mehr zuordnen. Die Zahlungen des Arbeitgebers aufgrund eines Summenbeitragsbescheids sind rein „systemnützige“ Leistungen in Form von Sonderabgaben, um Einnahmeverluste der Sozialkassen infolge der Aufzeichnungspflichtverletzung und Wettbewerbsvorteile des säumigen Arbeitgebers zu vermeiden. Damit stellen diese Zahlungen keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Anders ist die Rechtslage, wenn konkret für einen Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet werden. Durch die individuelle Nachentrichtung erhält der Beschäftigte den gleichen Sozialversicherungsschutz, den er bei rechtzeitigem Einbehalt des hälftigen Gesamtsozialversicherungsbeitrags von dem ihm zustehenden Bruttoentgelt und bei rechtzeitiger Abführung erlangt hätte. In solchen Fällen führt die Übernahme von Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber zu einem lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil.

Bedeutung für die Praxis

Die Pauschalversteuerung führt bei Sachzuwendungen an eigene Beschäftigte im Ergebnis nicht zu der beabsichtigten Erleichterung beim Arbeitgeber, denn wegen der fortbestehenden individuellen Sozialversicherungspflicht ist der Arbeitgeber gezwungen und verpflichtet, dennoch detaillierte Aufzeichnungen vorzunehmen. Ein Summenbeitragsbescheid gestattet keine pauschale Verbeitragung, sondern stellt lediglich ein Auffangvehikel dar, um Einnahmeverluste der Sozialversicherungsträger und Wettbewerbsvorteile von Arbeitgebern auszugleichen. Arbeitgebern kann nicht geraten werden, sich über den „Umweg“ Summenbescheid im Gesetz nicht angelegte Erleichterungen verschaffen zu wollen, selbst wenn sich dies in der Vergangenheit teilweise so etabliert hatte.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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