BFH: Mitunternehmerschaft und sachliche Gewerbesteuerpflicht auch für nur eine juristische Sekunde möglich
Mitunternehmerschaft und Gewerbesteuerpflicht
Hintergrund
Personengesellschaften unterliegen nicht schon per Rechtsform der Gewerbesteuer. Während Kapitalgesellschaften gem. § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets einen Gewerbebetrieb unterhalten, muss bei Personengesellschaften im Einzelfall geprüft werden, ob sie der sachlichen Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 GewStG unterfallen. Originär gewerblich tätige sowie gewerblich geprägte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG) üben stets einen Gewerbebetrieb aus, der zur sachlichen Gewerbesteuerpflicht führt, wohingegen rein vermögensverwaltende Personengesellschaften nicht gewerbesteuerpflichtig sind.
Dabei beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht nicht bereits mit den vorbereitenden Handlungen für die Errichtung eines Gewerbebetriebs, sondern erst mit der Aufnahme der werbenden Tätigkeit. Dies beurteilt sich sowohl bei originären gewerblich tätigen als auch bei nur gewerblich geprägten Personengesellschaften anhand ihrer jeweils konkret ausgeübten Tätigkeit.
Sachverhalt
Die X-KG (Klägerin) war eine vermögensverwaltende, gewerblich geprägte KG, die von der X-AG (100%ige Kommanditistin) sowie der X-GmbH (0%ige Komplementärin) gegründet wurde. Die X-AG übertrug rückwirkend ihr Portfolio notleidender und zahlungsgestörter Kredite (sog. non performing loans) durch Ausgliederung auf die X-KG.
Die X-AG trat daraufhin die Anteile an der X-KG sowie die Anteile an der X-GmbH an die W-GmbH ab. Der Zeitpunkt der Abtretung war aufschiebend bedingt auf den Stichtag der Ausgliederung der X-KG.
Zum Zeitpunkt der Eintragung der Ausgliederung trat die X-GmbH aus der X-KG aus, sodass die KG vollständig auf die W-GmbH anwuchs. Da die X-KG letztendlich im Zeitpunkt ihrer Eintragung direkt auf die W-GmbH anwuchs, bestand sie lediglich für eine juristische Sekunde.
Das Finanzamt berücksichtigte einen Gewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils im Rahmen des Gewerbeertrags. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, wonach die X-KG im Streitjahr keinen stehenden Gewerbebetrieb unterhalten habe und daher auch nicht gewerbesteuerpflichtig sei.
Entscheidung des BFH
Anders als das FG bejahte der BFH das Bestehen der sachlichen Gewerbesteuerpflicht der X- KG.
Zunächst konkretisiert der BFH die oben dargestellten Aussagen zum Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei originär gewerblich tätigen und gewerblich geprägten Personengesellschaften. Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Dabei kann – als Indiz – auch auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Unternehmensgegenstand zurückgegriffen werden. Letztlich maßgeblich ist jedoch auch bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.
Nach dem Gesellschaftsvertrag war der Unternehmensgegenstand der X-KG der Erwerb des Kreditportfolios und nicht – wie es das FG beurteilt hatte – die Veräußerung der Anteile der X-KG an ihre Gesellschafter. Maßgeblich sei, wann die vermögensverwaltende Tätigkeit begonnen hat. Das Kreditportfolio wurde (wenn auch nur für kurze Zeit) für einen Tag von der KG gehalten. Damit hat die X-KG eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt. Für diesen Zeitraum bestand eine Mitunternehmerschaft und damit auch die sachliche Gewerbesteuerpflicht.
Insoweit stellt der BFH dann klar, dass ein Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 GewStG keine bestimmte (Mindest-)Zeit für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit voraussetzt. Vielmehr kann eine Personengesellschaft sowohl Mitunternehmerschaft sein als auch als gewerblich geprägte Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb unterhalten, wenn sie nur für eine juristische Sekunde Inhaberin von zu verwaltendem Vermögen wird, bevor sie durch Ausscheiden ihres vorletzten Gesellschafters und Anwachsen des Vermögens bei dem verbleibenden Gesellschafter liquidationslos beendet wird.
Im Ergebnis unterlag damit der erzielte Gewinn aus der Veräußerung der KG-Anteile an die W-GmbH der Gewerbesteuer auf der Ebene der X-KG, da durch diese am Tag der Ausgliederung und Anwachsung zumindest für eine juristische Sekunde die sachliche Gewerbesteuerpflicht begründet wurde. Bezüglich der Ermittlung der Höhe des Veräußerungsgewinns verwies der BFH jedoch an das FG zurück, da insoweit bislang keine Feststellungen zur Höhe des Veräußerungsgewinns nach § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG getroffen wurden.
Praxishinweis
Für die Frage, ob die Personengesellschaft einer werbenden Tätigkeit nachgeht und damit eine sachliche Gewerbesteuerpflicht besteht, kommt es auf die tatsächliche Tätigkeit der Personengesellschaft an – nicht entscheidend sind die Absichten der Gesellschafter. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um eine originär gewerblich tätige oder um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft handelt.
Für die Frage, ob jemand Mitunternehmerinitiative ausüben kann und Mitunternehmerrisiko trägt, reicht die abstrakte strukturelle Möglichkeit. Auf die konkrete Möglichkeit, innerhalb der Zeit der Beteiligung als Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft Mitunternehmerrisiko zu tragen und Mitunternehmerinitiative ausüben zu können, kommt es nach dem BFH nicht an. Kann danach der einzelne Gesellschafter auch innerhalb einer juristischen Sekunde Mitunternehmer sein, muss es auch möglich sein, dass eine Mitunternehmerschaft nur für eine solche juristische Sekunde besteht.
Diese Sichtweise ist jedenfalls insoweit nachvollziehbar, als dass es andernfalls in der Praxis für Kapitalgesellschaften leicht möglich wäre, die Gewerbesteuer bei Veräußerungen von Wirtschaftsgütern durch Einschaltung einer für nur eine juristische Sekunde bestehenden gewerblich geprägten Personengesellschaft zu vermeiden.
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Autor
Bernd Keller
Tel.: +49 221 28 20 2453
Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.