Mehrwertsteuerausschuss veröffentlicht Leitlinien zu Tankkarten
Mehrwertsteuerausschuss - Leitlinien zu Tankkarten
Inhalt der Leitlinien
Im typischen Buy/Sell-Geschäft überträgt das Mineralölunternehmen die Verfügungsmacht am Kraftstoff nicht auf den Kartenemittenten, sondern auf den Tankkunden. Der Kartenemittent erbringt an den Tankkunden keine Kraftstofflieferung, sondern eine Finanzierungsleistung. Die Behandlung als Lieferung von Kraftstoff vom Mineralölunternehmen an den Kartenemittenten und vom Kartenemittenten an den Tankkunden ist aber möglich, wenn die Verträge so gestaltet sind, dass der Kartenemittent als Kommissionär angesehen werden kann, der den Kraftstoff im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung kauft/verkauft. Das Ergebnis ist das gewünschte Kraftstoff-Reihengeschäft. Die Voraussetzungen:
- Das Mineralölunternehmen muss dem Kartenemittenten das zivilrechtliche Eigentum übertragen. Dazu ist es erforderlich, dass das Mineralölunternehmen das Risiko des Zahlungsausfalls des Kartenemittenten trägt und der Kartenemittent das des Tankkunden. Wenn dem Tankkunden durch den Kraftstoff ein Schaden entsteht, muss ihm ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen den Kartenemittenten zustehen. Außerdem muss der Preis auf beiden Ebenen des Reihengeschäfts unabhängig festgelegt werden. Indem er jede individuelle Lieferung bestätigt, soll der Kartenemittent über die Bedingungen jedes Kaufs entscheiden, einschließlich Qualität, Menge, Ort und Zeit der Lieferung, und er bestätigt damit auch, dass der Tankkunde unmittelbaren Zugriff auf den Kraftstoff bekommen darf.
- Die Lieferung des Mineralölunternehmens an den Kartenemittenten und die des Kartenemittenten an den Tankkunden müssen identisch sein. Damit ist gemeint, dass der Kraftstoff nicht verändert wird.
- Es muss eine Vereinbarung bestehen, aus der sich ergibt, dass der Kartenemittent für Rechnung des Tankkunden kauft bzw. für Rechnung des Mineralölunternehmens verkauft, und dass Gegenstand des Vertrags mit dem Tankkunden die Lieferung von Kraftstoff ist, nicht jedoch die Gewährung eines Kredits oder die Verwaltung von Kraftstofflieferungen. Der Kartenemittent muss für seine Dienstleistung als Kommissionär ein Entgelt erhalten. Der Vertrag muss der wirtschaftlichen Realität entsprechen, und der Tankkunde muss die Existenz dieses Vertrags an der Tankstelle nachweisen (z. B. mit der Tankkarte).
Nach fast einstimmiger Auffassung des Mehrwertsteuerausschusses sollen anderweitige mitgliedstaatliche Regelungen, nach denen Reihen-Kraftstofflieferungen angenommen werden dürfen, für die Vergangenheit unberührt bleiben.
Einordnung
Das Konzept des Kommissionsgeschäfts mutet auf den ersten Blick etwas fremd an, ist aber ein eleganter Kunstgriff, um zu einem Kraftstoff-Reihengeschäft zu gelangen, obwohl der Kartenemittent keine Verfügungsmacht am Kraftstoff erhält. Wer die umsatzsteuerlichen Vorteile einer Kraftstofflieferung gegenüber einem Finanzierungsgeschäft genießen will, muss sich allerdings ohne Wenn und Aber dazu bekennen – die Haftung für Schäden des Tankkunden ist hier sicherlich eine bittere Pille, und auch die bislang übliche Werbung mit der Kreditfunktion der Tankkarte passt nicht in das neue Konzept.
Jedenfalls nach deutschem Verständnis von § 3 Abs. 3 UStG liegt bei einem Kommissionsgeschäft keine eigenständige Vermittlungsleistung vor. Das Entgelt für die Dienstleistung des Kartenemittenten, das nach den Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses eine Voraussetzung für die Behandlung als Kommissionsgeschäft ist, darf demnach umsatzsteuerlich nicht als solches behandelt werden. Vielmehr erhöht es die Bemessungsgrundlage für die (fingierte) Kraftstofflieferung an den Tankkunden. Dies kann auch Einfluss auf den Leistungsort haben.
Der Entwurf des BMF sah vor, dass der Tankkartenemittent über Qualität, Menge, Ort und Zeitpunkt der Lieferung frei entscheiden können muss und dass es dafür nicht ausreicht, wenn eine etwaige Autorisierung durch den Tankkartenemittenten automatisiert nur auf die Einhaltung bestehender Rahmenbedingungen/Restriktionen beschränkt ist (z. B. Prüfung des Verfügungslimits der jeweiligen Karte). Dies wäre in der Praxis nicht umsetzbar gewesen. Auch die Leitlinien fordern eine individuelle Bestätigung innerhalb der vertraglichen Vereinbarung, sind aber weicher formuliert, sodass hier praxistaugliche Lösungen eher möglich erscheinen.
Der Mehrwertsteuerausschuss ist nach Art. 398 MwStSystRL ein rein beratendes Gremium, dessen Leitlinien nicht rechtsverbindlich sind. Da das BMF das Schreiben zum Thema Tankkarten explizit mit der Begründung zurückgehalten hat, die Entscheidung des Mehrwertsteuerausschusses abzuwarten, ist aber damit zu rechnen, dass es nun ein BMF-Schreiben entsprechend den Grundsätzen der Leitlinien erstellen wird. Bei manchen Punkten ist noch nicht ganz absehbar, wie das BMF sie umsetzen wird, z. B. in Bezug auf die Bestätigung jeder individuellen Lieferung oder die Festlegung des Preises auf jeder Ebene.
Aus den Leitlinien geht hervor, dass sich fast alle Beteiligten einig waren. Voraussichtlich werden sich daher die meisten Mitgliedstaaten diesem Konzept anschließen.
Tankkartenemittenten, die ihre Umsätze auch in Zukunft als Kraftstoff-Reihengeschäfte behandeln wollen, sollten sich so schnell wie möglich mit der Anpassung ihrer Verträge befassen und ihre Werbung überdenken.
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Autorin
Nadia Schulte
Tel.: +49 211 83 99 330
Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.