BFH-Urteil zur Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist für den Erlass eines Grunderwerbsteuerbescheids
BFH-Urteil zur Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist
Im nachfolgenden Beitrag geht es darum, welche Anforderungen eine grunderwerbsteuerliche Erwerbsanzeige zu erfüllen hat, damit die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO) in Gang gesetzt werden kann, sodass Steuerpflichtige nach deren Ablauf nicht mehr damit rechnen müssen, dass das Finanzamt noch einen Grunderwerbsteuerbescheid erlassen darf. Zu beachten ist aber auch, dass die Vollständigkeit der Erwerbsanzeige teilweise auch für die Möglichkeit einer steuerneutralen Rückabwicklung von Erwerbsvorgängen relevant ist.
Hintergrund
In der Regel beträgt die Frist, um eine Steuer festzusetzen, aufzuheben oder zu ändern nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon regelt
§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO für Fälle, in denen eine Steuererklärung, eine Steueranmeldung oder eine Erwerbsanzeige einzureichen ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Erwerbsanzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO später beginnt.
Entscheidung des BFH
Im vom BFH entschiedenen Fall hatte eine unvollständige grunderwerbsteuerliche Anzeige über eine Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vom 13. März 2013, an der mehrere Grundstücke in verschiedenen Finanzamtsbezirken betroffen waren, zur Folge, dass die Festsetzungsfrist nicht bereits am 1. Januar 2014 begann und mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endete, sondern dass die Anlaufhemmung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2016 endete, sodass die Festsetzungsfrist erst am 1. Januar 2017 begann und für den Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids erst mit Ablauf des 31. Dezember 2020 Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.
Notwendiger Inhalt einer grunderwerbsteuerlichen Anzeige
Grunderwerbsteuerliche Vorgänge müssen innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Erwerbsvorgang angezeigt werden. Die Anzeigen sind an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt oder in den Fällen, in denen ein Erwerbsvorgang Grundstücke oder Grundstücksteile im Bereich verschiedener Finanzämter betrifft, oder in Fällen von Umwandlungen und Anteilsübertragungen an das für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt zu richten. In dem mehrstufigen Verfahren der Festsetzung der Grunderwerbsteuer haben die Anzeigen in Bezug auf die Beendigung der Anlaufhemmung sowohl für die Feststellungsfrist als auch für die Festsetzungsfrist Bedeutung. Eine vollständige und rechtzeitige Erwerbsanzeige ist aber gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG teilweise auch Voraussetzung für die Möglichkeit einer Rückabwicklung des Erwerbs mit Wegfall der Grunderwerbsteuer.
Der notwendige Inhalt der Anzeige ergibt sich aus § 20 GrEStG. Unter anderem verlangen
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG die Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer sowie die Größe des Grundstücks und bei bebauten Grundstücken die Art der Bebauung. Betrifft ein Erwerbsvorgang mehrere Grundstücke, gelten diese Anforderungen für jedes einzelne Grundstück.
Nach dem BFH-Urteil führt schon das Fehlen der nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erforderlichen Angaben für ein Grundstück dazu, dass die Erwerbsanzeige für keines der Grundstücke den Fristbeginn auslöst. Dieser Effekt, dass die Erwerbsanzeige keine Fristfolgen auslöst, erstreckt sich also auf alle von dem Erwerbsvorgang umfassten Grundstücke und nicht nur auf die nicht angegebenen Grundstücke. Wenn ein Grundstück in der Erwerbsanzeige gar nicht aufgelistet wird, können die Finanzbehörden das Besteuerungsverfahren per se nicht abschließen, da sie nicht alle von dem Erwerbsvorgang betroffenen Grundstücke kennen. Daher soll die Frist für kein Grundstück beginnen.
Allerdings steht eine unvollständige Anzeige nicht per se einem Fristbeginn entgegen. Im Einzelfall hemmt eine unvollständige oder unrichtige Anzeige den Beginn der Festsetzungsfrist nicht, wenn wenigstens alle von dem Erwerbsvorgang betroffenen Grundstücke in der Anzeige so aufgelistet wurden, dass sie identifizierbar sind, aber beispielsweise einzelne Pflichtangaben nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG wie die Katasterbezeichnung oder die Angabe von Straße und Hausnummer des aufgelisteten Grundstücks unvollständig oder unrichtig sind. Denn in solchen Fällen ist es für das Finanzamt möglich, das Grundstück zu identifizieren und mit dem Feststellungs- sowie Festsetzungsverfahren zu beginnen und fehlende Angaben nachzufordern.
Fazit
Der Erwerbsanzeige für Grunderwerbsteuerfälle wird häufig als unliebsamer Arbeit wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Wie der BFH-Fall zeigt, kann sich das später rächen und teuer werden, wenn eine verjährt geglaubte Steuer doch noch festgesetzt wird und gezahlt werden muss. Da die rechtzeitige und vollständige Erwerbsanzeige teilweise auch Voraussetzung dafür ist, dass man einen Erwerbsfall ohne Steuerauswirkungen durch Rückabwicklung wieder aus der Welt schaffen kann, empfiehlt es sich, die unliebsame Pflicht nicht nur schnell, sondern auch mit der nötigen Sorgfalt vorzunehmen. Gemacht werden muss es sowieso und dann wäre es doch gut, wenn man dabei auch die Folgen und Voraussetzungen auslöst, von denen man später vielleicht noch profitieren kann.
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Thuy Linh Nguyen
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