EuGH entscheidet über die deutschen Vorlagen zur umsatzsteuerlichen Organschaft
Vorlagen zur umsatzsteuerlichen Organschaft
Hintergrund
Der XI. Senat des BFH legte dem EuGH den Fall „Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie mbH“ (C-141/20) vor, bei dem der potenzielle Organträger zwar mit 51 % die Anteilsmehrheit an der potenziellen Organgesellschaft hielt, aber nicht über die Mehrheit der Stimmrechte verfügte. Im Fall des V. Senats („Finanzamt T gegen S“, C-269/20) ging es um eine Stiftung als potenzielle Organträgerin, die einen hoheitlichen und einen unternehmerisch tätigen Bereich hatte. Die potenzielle Organgesellschaft erbrachte Reinigungsleistungen sowohl für den hoheitlichen als auch für den unternehmerischen Bereich der Stiftung.
EuGH akzeptiert das deutsche Modell
Der EuGH entschied, es sei mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn nach deutschem Recht nicht eine Mehrwertsteuergruppe, sondern der Organträger Steuerpflichtiger sei – weil der Organträger dieselben Umsätze melde, die auch eine Mehrwertsteuergruppe zu melden hätte, und dies im Endeffekt auf dasselbe hinauslaufe. Diese deutsche Regelung dürfe nur nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen; die Reichweite dieser Einschränkung bleibt unklar.
Nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei allerdings die deutsche Regelung, nach der die finanzielle Eingliederung nicht nur die Beteiligungsmehrheit, sondern auch die Stimmrechtsmehrheit erfordere. Auf der anderen Seite verlangt der EuGH, dass der Organträger seinen Willen bei den Organgesellschaften durchsetzen kann. Wie dies ohne Stimmrechtsmehrheit möglich ist, bleibt offen.
Ob Innenleistungen steuerbar seien, wie es die Generalanwältin postuliert hat, hatte der BFH nicht gefragt. Wohl aus diesem Grund hat sich der EuGH auf die knappe Feststellung beschränkt, die MwStSystRL schließe es aus, „dass Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe (…) innerhalb und außerhalb ihrer Gruppe weiterhin als Steuerpflichtige angesehen werden (…)“. Die These der Generalanwältin beim EuGH dürfte damit vom Tisch sein.
Im Fall „Finanzamt T gegen S“ entschied der EuGH, dass Leistungen vom unternehmerischen in den hoheitlichen Bereich keine unentgeltlichen Wertabgaben auslösen.
Bedeutung für die Praxis
Die schlimmsten Befürchtungen des BFH, wonach Organschaften möglicherweise nach deutschem Recht gar nicht mehr besteuert werden können, haben sich nicht bewahrheitet – ebenso wenig wie die völlige Sinnentleerung der Organschaft durch die Besteuerung von Innenleistungen. Bestehen gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, sollten die Organschaftsvoraussetzungen weiterhin sorgfältig überwacht werden – vor allem Geschäftsführerwechsel und geänderte Leistungsbeziehungen zwischen den Gesellschaften. Organschaften ohne Stimmrechtsmehrheit des Organträgers rücken besonders in den Fokus.
Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?
Autorin
Nadia Schulte
+49 211 83 99 330
Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.