Ertragsteuern
Gewerbesteuer: steuerfreie Dividenden bei Organschaften
Im Newsletter 4/2014 hatten wir auf den Seiten 12 und 13 über ein Urteil des FG Münster vom 14.05.2014 (10 K 1007/13 G) berichtet, nach dem ausländische Beteiligungserträge einer inländischen Organgesellschaft gewerbesteuerfrei sind, wenn die Organgesellschaft zu mindestens 15 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist (10 % bei Beteiligung an einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft). Über die gegen dieses Urteil von der Finanzverwaltung eingelegte Revision hat der BFH nicht nur erfreulich schnell entschieden, sondern (noch erfreulicher) sie auch zurückgewiesen und die Rechtsauffassung des FG Münster bestätigt (Urteil vom 17.12.2014 – I R 39/14).
In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte die Organgesellschaft eine Dividende von einer italienischen Tochtergesellschaft erhalten. Die Organgesellschaft darf die Dividende vollständig gewerbesteuerfrei vereinnahmen und muss nicht 5 % der Dividende als nicht abziehbare Betriebsausgabe (§ 8b Abs. 5 KStG) versteuern. Auch der Organträger muss nach der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft nicht 5 % der darin enthaltenen italienischen Dividende als nicht abziehbare Betriebsausgaben versteuern. Damit bleibt die Dividende insgesamt gewerbesteuerfrei.
Der BFH sieht dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis als zwingende Konsequenz aus der vom Gesetzgeber geregelten Bruttomethode für die Ergebniszurechnung bei Organschaften. Für eine andere Besteuerung müsste das Gesetz geändert werden.
Für die Praxis ergibt sich aus diesem Urteil, dass ausländische Beteiligungen in Unternehmensgruppen/Konzernen zumindest bei rein gewerbesteuerlicher Betrachtung nicht von der Konzernobergesellschaft gehalten werden sollten. Denn dort müssten 5 % der Dividende versteuert werden. In der Fachliteratur wird vertreten, dass der gleiche Mechanismus auch für Dividenden inländischer Beteiligungen anzuwenden sei. In allen noch offenen Veranlagungszeiträumen sollte gegen eine Gewerbesteuer auf Dividenden, die eine Organgesellschaft bezogen hat, Einspruch eingelegt werden bzw. ein entsprechender Änderungsantrag gestellt werden. Zu beachten ist dabei, dass die Steuerfreiheit der Dividenden nur bei der Gewerbesteuer und nicht bei der Körperschaftsteuer gilt. Finanzverwaltung und Gesetzgeber haben auf dieses aktuelle Urteil noch nicht reagiert. Es ist aber zu befürchten, dass die Finanzverwaltung den Gesetzgeber veranlassen wird, zukünftig eine Besteuerung der Dividenden zu regeln. Aber noch ist eine Gesetzesänderung nicht in Sicht.
Neuigkeiten zum Rangrücktritt aus steuerlicher und insolvenzrechtlicher Sicht
Der Rangrücktritt ist das in der Praxis wohl am häufigsten eingesetzte Instrument zur Vermeidung einer Insolvenz. BGH und BFH haben hierzu erneut ihre zivil- und steuerrechtlichen Anforderungen präzisiert und ergänzt. Bereits in der Vergangenheit hatte der BFH entschieden, dass bei einem Rangrücktritt die Verbindlichkeit lediglich dann weiter passiviert werden kann, wenn diese nicht nur aus laufenden Gewinnen und einem Liquidationsüberschuss, sondern auch aus sonstigem freien Vermögen bedient werden kann. Dies ist begründet durch die Regelung in § 5 Abs. 2a EStG, wonach Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, wenn künftige Einnahmen anfallen, erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Auch im Urteil vom 15.04.2015 (I R 44/14) hat der BFH dies wieder bestätigt und eine Passivierung abgelehnt. Im Urteilsfall lag ein „spezifizierter“ Rangrücktritt vor, nach dem die Gläubiger die Tilgung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen konnten. Die mögliche Tilgung aus dem künftigen Bilanzgewinn kann nach dem BFH zwar grundsätzlich mit einer aktuellen wirtschaftlichen Belastung der Vermögenslage verbunden sein, wenn die Verpflichtung aus dem sich aufgrund einer Auflösung der Kapitalrücklage ergebenden Bilanzgewinn getilgt wird. Dies war im Entscheidungsfall aufgrund eines Jahresfehlbetrags und hoher Verlustvorträge bei lediglich geringer Kapitalrücklage jedoch nicht der Fall, sodass eine gewinnerhöhende Auflösung der Verbindlichkeit vorzunehmen war. Der BFH hat am 21.07.2015 (I R 25/15) ein weiteres Verfahren – mit erheblicher Kapitalrücklage – angenommen, sodass zur „Tilgung aus einem künftigen Bilanzgewinn“ noch eine Konkretisierung zu erwarten ist.
Zur Vermeidung eines steuerlichen Gewinns aus der Ausbuchung der mit Rangrücktritt versehenen Verbindlichkeit ist gemäß BFH (wie bisher) erforderlich, dass eine Erfüllung nicht nur aus Gewinnen und einem Liquidationsüberschuss, sondern auch aus „sonstigem freien Vermögen“ erfolgt.
Trotz Gewinnerhöhung kann eine Versteuerung bei der Ausbuchung der mit Rangrücktritt versehenen Verbindlichkeit im Falle des unzureichenden Rangrücktritts ggf. vermieden werden. In Abkehr zur früheren Rechtsprechung führt der BFH aus, dass der Gewinn aus dem Wegfall der Verbindlichkeit durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderung zu neutralisieren ist, wenn der Auflösungsgewinn auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht. Anders als bisher sieht der BFH den steuerlichen Einlagebegriff auch durch die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Ausbuchung erfüllt und überträgt damit die Handhabung bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsschein auf den Rangrücktritt.
Insolvenzrechtlich ist seit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) eine Vereinfachung dergestalt eingetreten, dass lediglich der Rücktritt im Rang nach den in § 39 Abs. 1 Nr. 1–5 InsO geregelten Forderungen verlangt wird (obiter dictum des BGH im Urteil vom 05.03.2015 – IX ZR 133/14). Die Regelung der Gleichstellung mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter ist nach MoMiG nicht (mehr) erforderlich. Im Übrigen hat der BGH die schon bisher als allgemein für wirksam erachtete Zulässigkeit einer Rangrücktrittserklärung auch durch Nichtgesellschafter ausdrücklich bestätigt. In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass eine erst auf den Zeitpunkt der Insolvenz wirkende Rangrücktrittsvereinbarung nach BGH nicht ausreicht, die Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz unberücksichtigt zu lassen. Der Regelungsbereich der Vereinbarung hat sich vielmehr auf den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung zu beziehen, solange und soweit Insolvenzreife besteht oder ohne den Rangrücktritt eintreten würde.
Ferner hat der BGH betont, dass es sich beim Rangrücktritt um einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten der anderen Gläubiger, handelt. Solange und soweit Insolvenzreife besteht oder ohne den Rangrücktritt eintreten würde, kann der Rangrücktritt daher nur mit Zustimmung der anderen Gläubiger beendet werden.
Diese Anforderungen sollten Geschäftsführer/Vorstände zur Vermeidung von Haftungsansprüchen und Gläubiger zur Vermeidung von Rückzahlungsansprüchen stets gewissenhaft beachten und für die Anpassung von Rangrücktritten an die Änderungen Sorge tragen.
BFH: keine Gewerbesteuer auf Hinzurechnungsbeträge nach dem AStG
Ausländische Aktivitäten einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland unterliegen im Normalfall nicht der deutschen Besteuerung, auch wenn die Gesellschafter in Deutschland steueransässig sind. Die getrennte Betrachtung einer Kapitalgesellschaft einerseits und ihrer Gesellschafter andererseits haben Steuerpflichtige in der Vergangenheit oft für Gestaltungen zur Vermeidung der deutschen Besteuerung genutzt. Denn es ist bei bestimmten „passiven“ Einkunftsarten wie etwa Zinsen oder Lizenzgebühren für einen inländischen Steuerpflichtigen leicht, die Einkünfte auf eine niedrig besteuerte ausländische Gesellschaft zu verlagern und somit der deutschen Besteuerung zu entziehen.
Um eine solche Verlagerung von Einkünften zu verhindern, hat der deutsche Gesetzgeber die Hinzurechnungsbesteuerung eingeführt (§§ 7 ff. des Außensteuergesetzes – AStG). Als Grundsatz der Hinzurechnungsbesteuerung gilt: Passive Einkünfte, die durch eine von Inländern beherrschte Kapitalgesellschaft in einem Niedrigsteuerland erzielt werden, können den deutschen Gesellschaftern direkt zugerechnet werden. Als Folge müssen diese Einkünfte dann in Deutschland versteuert werden, obwohl sie von einer im Ausland ansässigen Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit erzielt werden. Was „passive“ Einkünfte sind, legt das Außensteuergesetz in einem Katalog genau fest. Als Niedrigsteuerland gilt ein Land mit einem Steuersatz von weniger als 25 %.
Bislang ist die Finanzverwaltung immer davon ausgegangen, dass die hinzugerechneten Einkünfte auch gewerbesteuerpflichtig sind. Dieser Auffassung ist der I. Senat des BFH mit einem neuen Urteil vom 11.03.2015 (I R 10/14) entgegengetreten: Die Einkünfte fallen nach dem Urteil des BFH zwar grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Gewerbesteuer. Sie seien aber durch § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG wieder von der Besteuerung ausgenommen. Nach dieser Vorschrift wird der Gewerbeertrag gekürzt um den Teil des Gewerbeertrags eines inländische Unternehmens, der auf eine ausländische Betriebsstätte entfällt.
Der BFH sah – anders als die Vorinstanz – die Voraussetzungen dieser Gewerbesteuerbefreiung als gegeben an. Dass die hinzugerechneten Einkünfte nicht in der eigenen Betriebsstätte des inländischen Steuerpflichtigen, sondern in der Betriebsstätte der ausländischen Tochtergesellschaft entstanden sind, war nach der Auffassung des BFH nicht entscheidend. Nach dem Wortlaut reiche es aus, wenn die Einkünfte aus „einer“ ausländischen Betriebsstätte stammen. Auch in der Gesetzessystematik sah der BFH keinen Grund, von diesem Ergebnis abzurücken.
Für Steuerpflichtige, bei denen die Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung kommt, ist das BFH-Urteil eine gute Nachricht. Die negativen Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung haben sich durch dieses Urteil erheblich verringert. Bei Kapitalgesellschaften macht die Gewerbesteuer inzwischen – je nach lokalem Hebesatz – ca. die Hälfte der gesamten Ertragsteuerbelastung aus.
Noch offene Steuerbescheide, in denen der Hinzurechnungsbetrag – wie in der Vergangenheit üblich – der Gewerbesteuer unterworfen wurde, sollten mit Hinweis auf dieses Urteil angefochten werden. Es ist allerdings möglich, dass der Gesetzgeber schon sehr bald durch ein „Nichtanwendungsgesetz“ den Zustand vor der BFHEntscheidung wiederherstellt. Bis zu einer Gesetzesänderung eröffnet das BFHUrteil Möglichkeiten zur Vermeidung von Gewerbesteuer bei passiven Einkünften.