EuGH entscheidet: Immobilien ohne personelle Ausstattung sind keine Betriebsstätten
Immobilien ohne personelle Ausstattung
Sachverhalt: Vermietungsunternehmen ohne Personal vor Ort
Eine auf Jersey ansässige Gesellschaft hatte eine Immobilie in Österreich steuerpflichtig an zwei österreichische Unternehmer vermietet. Die Gesellschaft hielt in Österreich kein eigenes Personal vor, sondern beauftragte ein österreichisches Hausverwaltungsunternehmen mit der Abrechnung der Mieten und Betriebskosten sowie mit weiteren Dienstleistungen. Titanium Ltd behielt die Entscheidungsgewalt über die Begründung und Auflösung von Mietverhältnissen sowie über deren wirtschaftliche und rechtliche Konditionen, über die Durchführung von Investitionen und Reparaturmaßnahmen sowie deren Finanzierung, über die Auswahl von Dritten zur Erbringung anderer Vorleistungen und schließlich über die Auswahl, Beauftragung und Überwachung der Hausverwaltung selbst.
Die Gesellschaft ging davon aus, in Österreich nicht ansässig zu sein, sodass für ihre steuerpflichtigen Vermietungsleistungen das Reverse-Charge-Verfahren greife.
EuGH entscheidet: keine feste Niederlassung ohne personelle Mittel
Auf Vorabentscheidungsersuche des österreichischen Bundesfinanzhofs hin, verwies der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung, nach der eine feste Niederlassung einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand verlange.
Da im vorliegenden Fall die Gesellschaft aus Jersey in Österreich kein eigenes Personal vorhielt, das zum autonomen Handeln befähigt war, und sie sich alle wichtigen Entscheidungen betreffend die Vermietung vorbehalten hatte, habe keine feste Niederlassung vorgelegen.
Bedeutung für die Praxis
Die deutsche Finanzverwaltung behandelt nach Abschn. 13 b.11 Abs. 2 S. 2 UStAE nicht in Deutschland ansässige Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen, für die Frage der Anwendbarkeit des Reverse-Charge-Verfahrens stets als im Inland ansässig. Damit setzt sie sich über das EU-Recht großzügig hinweg.
Die bisherige Handhabung durch die deutsche Finanzverwaltung hat für die betroffenen Unternehmer den Vorteil, dass sie sich in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren lassen und ihre Vorsteuern statt im Vergütungsverfahren im Veranlagungsverfahren geltend machen können. Nach der hier vorgestellten EuGH-Entscheidung dürfte dieses Vorgehen nicht mehr vertretbar sein. Die Finanzverwaltung erörtert dieses Thema derzeit intern. Eine Übergangsregelung ist wahrscheinlich. Ein „vorbeugender“ Vergütungsantrag ist denkbar, um das Verfristen von Vorsteuern zu vermeiden. Dies müsste dem Finanzamt und dem BZSt offengelegt werden.
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