BFH zum Gestaltungsmissbrauch bei Verschmelzung einer Gewinngesellschaft mit einer Verlustgesellschaft
BFH zum Gestaltungsmissbrauch
Sachverhalt
Klägerin war eine inländische AG („A-AG“), die sich in erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten befand und über steuerliche Verlustvorträge verfügte.
Mit Vertrag vom 23.02.2009 erwarb die A-AG von der C-GmbH alle Anteile an der D-GmbH, die in 2008 und 2009 positive Einkünfte erzielt hatte. Die D-GmbH hatte zuvor Mitte Februar 2009 Gewinne im Rahmen einer Vorabausschüttung an ihre Gesellschafterin, die C-GmbH, ausgekehrt.
Mit Vertrag vom 24.02.2009 wurde die D-GmbH upstream steuerlich rückwirkend (und zwar zu Buchwerten) zum 30.06.2008 mit der Klägerin verschmolzen und hierbei wurde eine Schlussbilanz zugrunde gelegt. Die Verschmelzung führte dazu, dass der Klägerin das Einkommen der D-GmbH zum steuerlichen Übertragungsstichtag zugerechnet wurde. Das auf den Rückwirkungszeitraum entfallende Einkommen der D-GmbH wurde mit den Verlustvorträgen der Klägerin verrechnet.
Das Finanzamt vertrat nach Außenprüfung die Auffassung, das von der D-GmbH im Rückwirkungszeitraum erzielte positive Einkommen sei von dieser selbst zu versteuern, weil der Vorgang gemäß § 42 AO steuerlich nicht zu berücksichtigen sei.
Die Klage der A-AG vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO
Nach Auffassung des BFH lag kein Gestaltungsmissbrauch vor. Der Abzug der „echten“ betriebswirtschaftlichen Verluste der A-AG von positiven Einkünften sei steuerlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, sondern entspreche den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips. Das Zusammenführen der Verlustvorträge einer Verlustgesellschaft mit den Gewinnen einer Gewinngesellschaft im Wege der rückwirkenden Verschmelzung sei keine steuerlich unangemessene Gestaltung, da die hierdurch ermöglichte Verlustverrechnung mit den steuergesetzlichen Zielen, die der Gesetzgeber mit dem Verlustabzug verbinde, übereinstimme.
Bedeutung für die Praxis
Nach § 42 AO kann das Steuergesetz nicht durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten umgangen werden. Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn beachtliche außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden.
Ist der Tatbestand einer Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift, § 42 Abs. 1 AO.
Der BFH hat klargestellt, dass die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsregelung in § 42 AO in der ab 2008 geltenden Fassung durch spezialgesetzliche Missbrauchsvorschriften nur ausgeschlossen wird, wenn diese tatbestandlich einschlägig sind. Andernfalls wird § 42 AO nicht verdrängt. Allerdings müssten bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften zugrunde liegen, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden. Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt hat der Gesetzgeber in 2013 mit § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG eine spezielle Regelung für die Verrechnung positiver Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers geschaffen.
Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?
Autor*innen
Stephan Franzen
+49 221 28 20 2456
Dr. Kristina Frankus
+49 221 28 20 2503
Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.