Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung bei coronabedingten Verstößen gegen die Lohnsummenregelung

Bislang konzentrierte sich die Finanzverwaltung auf Erleichterungen im steuerlichen Verfahrensrecht und bei den Ertragsteuern, wenn es darum ging, der Coronapandemie Rechnung zu tragen. Nun hat sie sich auch den erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen, die nach den §§ 13a, 13b ErbStG insbesondere eine Fortführung des Betriebes durch den Erwerber unter Einhaltung einer bestimmten Lohnsumme voraussetzen, gewidmet.

Mit gleichlautendem Ländererlass vom 30. Dezember 2021 (BStBl. I 2022, 156) haben die obersten Finanzbehörden der Länder für Betriebe, die von der Coronapandemie wirtschaftlich betroffen sind, endlich Entlastungsmaßnahmen bei der Lohnsummenprüfung i. S. d. § 13a Abs. 3 ErbStG geregelt. So soll insbesondere von einer Nachversteuerung abgesehen werden, wenn die Mindestlohnsumme im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2022 (im Folgenden auch „Pandemiezeitraum“) unterschritten wird, sofern der Grund hierfür ausschließlich auf die Coronapandemie zurückzuführen ist.

Hintergrund

Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme (= durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor der Übertragung des Betriebes), dann vermindert sich gemäß § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG der nach § 13a Abs. 1 ErbStG zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird, sodass es zur Nachversteuerung kommt.

Angesichts der andauernden Folgen der Coronapandemie erscheint es sachlich unbillig, an dieser Regelung auch für Betriebe festzuhalten, denen eine Einhaltung der Lohnsummenregelung coronabedingt nicht möglich war bzw. sein wird.

Billigkeitsmaßnahmen

Bei coronabedingten Verstößen gegen die Lohnsummenregelung kommt nach dem Erlass der Finanzverwaltung im Einzelfall eine abweichende Festsetzung gemäß § 163 Abs. 1 AO oder ein Erlass nach § 227 AO (im Folgenden auch „Erleichterungen“) zugunsten des Erwerbers aus sachlichen Billigkeitsgründen beim Erwerb von begünstigtem Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG insbesondere in Betracht,

(a)   soweit die tatsächliche Summe der maßgeblichen jährlichen Lohnsummen gemäß § 13a Abs. 3 S. 6 bis 13 ErbStG, in die Lohnsummen aus dem Zeitraum 1. März 2020 bis 30. Juni 2022 einbezogen wurden, die Mindestlohnsumme ausschließlich aufgrund der Coronapandemie unterschreitet

und

(b)   es allein deshalb zu einer Nachversteuerung nach § 13b Abs. 3 S. 5 ErbStG ggf. i. V. m. § 13a Abs. 10 ErbStG (Optionsverschonung) oder § 13c Abs. 2 S. 1 ErbStG (Abschmelzungsregelung) kommt oder kommen würde

oder

(c)   ein Erlass gemäß § 28a Abs. 1 ErbStG (Verschonungsbedarfsprüfung) nach § 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ErbStG rückwirkend wegfällt.

Führt das Unterschreiten der Mindestlohnsumme wegen § 28 Abs. 1 S. 5 und 6 ErbStG darüber hinaus zum vorzeitigen Ende einer Stundung gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 ErbStG, kann auf Antrag eine Weitergewährung der Stundung nach § 222 AO erfolgen.

Voraussetzungen für die Billigkeitsmaßnahmen

Es bedarf der Kausalität zwischen der Coronapandemie und dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme, die in der Regel zu bejahen ist, wenn

  1. im Pandemiezeitraum die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme unterschritten wurde,
  2. für den Pandemiezeitraum Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt wurde und
  3. der Betrieb einer Branche angehörte, die von einer verordneten Schließung wegen der Coronapandemie unmittelbar betroffen war.

Diese drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Ist das nicht der Fall, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob dennoch von der erforderlichen Kausalität ausgegangen werden kann.

Auch mittelbare Auswirkungen einer verordneten Schließung wegen der Coronapandemie können im Einzelfall für die Annahme der erforderlichen Kausalität genügen.

Die Erleichterungen kommen allerdings regelmäßig nicht in Betracht, wenn schon vor der Pandemie die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme nicht erreicht wurde.

Die Erleichterungen gelten für Übertragungen ab dem 1. März 2013, falls die Lohnsummenfrist nach dem 29. Februar 2020 endet, bis kurz vor Beginn des o. g. Pandemiezeitraums. Unklar ist, ob sie auch für Betriebsübertragungen während des Pandemiezeitraums greifen können.

Schließlich werden von den Billigkeitsmaßnahmen auch Konzernstrukturen erfasst. Allerdings fehlen in den Ländererlassen Vorgaben, wie die Prüfung der Voraussetzungen hierbei im Einzelnen zu erfolgen hat.

Fazit

Der gleichlautende Ländererlass vom 30. Dezember 2021 ist eine notwendige Maßnahme, um die pandemiebedingten Verzerrungen der Lohnsummenprüfung durch Billigkeitsmaßnahmen abzumildern. Es ist gut, dass der sachliche Anwendungsbereich recht breit gewählt wurde und die Formulierungen im Erlass im Einzelfall auch die Gewährung von anteiligen Billigkeitsmaßnahmen ermöglichen. Jedoch sind noch klarstellende Hinweise zum zeitlichen Anwendungsbereich und zum Umgang mit Konzernstrukturen wünschenswert.

Autoren

Bernd Schult
+49 30 208 88 1340

Adam Bauschke
+49 30 208 88 1376

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnierenund erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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