Anschaffungsnahe Herstellungskosten

Entscheidungen zu Herstellungskosten vor Anschaffung, bei mehreren Einheiten in einem Gebäude und bei Mieterabfindungen

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen.

Der Bundesfinanzhof und zwei Finanzgerichte haben in jüngerer Vergangenheit Entscheidungen zu einzelnen Sachverhalten im Zusammenhang mit dieser gesetzlichen Regelung getroffen.

Aufwendungen des Steuerpflichtigen vor Anschaffung

Mit Beschluss vom 28. April 2020 (IX B 121/19) bestätigt der Bundesfinanzhof ausdrücklich die Auffassung des erstinstanzlichen Finanzgerichts, dass diese Regelung wörtlich zu nehmen ist und nur für Aufwendungen nach der Anschaffung gilt.
Hierdurch ergeben sich interessante Gestaltungsmöglichkeiten, weil vor der Anschaffung des Gebäudes vorgenommene Instandhaltungsmaßnahmen sofort als (vorweggenommene) Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können. Dies gilt nicht, wenn die Aufwendungen nach den allgemeinen Grundsätzen als Herstellungskosten zu behandeln sind.

Mehrere Einheiten in einem Gebäude

In einem rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 15. Juli 2020 (3 K 1215/19) wurde entschieden, dass bei mehreren Einheiten in einem Gebäude immer die Einheiten zusammen betrachtet werden, die gleich genutzt werden. Hierbei ist die tatsächliche Nutzung innerhalb des Dreijahreszeitraums nach der Anschaffung maßgeblich.
Bei einer anstehenden Nutzungsänderung innerhalb des Zeitraums ist darauf zu achten, ob sich durch die dann getrennte oder gemeinsame Betrachtung Vor- oder Nachteile für die Prüfung der 15%-Grenze gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ergeben.

Mieterabfindungen

Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 12. November 2021 (4 K 1941/20) entschieden, dass nach dem Erwerb eines Gebäudes an die Mieter für einen vorzeitigen Auszug geleistete Abfindungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu behandeln sind.
Das Gericht ist der Auffassung, dass nicht nur bauliche Maßnahmen im engeren Sinne, sondern parallel zum allgemeinen Herstellungskostenbegriff der §§ 255 Abs. 2 HGB und 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch mit den Maßnahmen in engem wirtschaftlichem Zusammenhang stehende sonstige Aufwendungen in Betracht kommen.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Das Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen IX R 29/21 anhängig.

Bedeutung für die Praxis

Die vorstehenden Urteile zeigen, dass im Zusammenhang mit anschaffungsnahen Herstellungskosten eine genaue Planung der zeitlichen Abfolge von Maßnahmen vor und nach der Anschaffung des Gebäudes dazu führen kann, dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht über die Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt werden müssen, sondern sofort abgezogen werden dürfen.

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Autor

Steffen Rapp
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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