Die erweiterte Gewerbeertragskürzung und die Öffnungsklausel zur Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien
Erweiterte Gewerbeertragskürzung & Öffnungsklausel
Im Rahmen des Fondsstandortgesetzes vom 3. Juni 2021 wurden zur Unterstützung der Energie- und Mobilitätswende mit § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b GewStG nun auch Einnahmen aus Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (sog. EEG-Anlagen) und Einnahmen aus dem Betrieb von Ladestationen als kürzungsunschädliche Einnahmen aufgenommen, wenn diese Einnahmen 10 % der Gesamteinnahmen aus der Überlassung von Grundbesitz nicht übersteigen. Der Einordnung der Einnahmen für die sogenannte 10 %-Grenze kommt daher eine wesentliche Bedeutung zu.
Der gleichlautende Ländererlass vom 17. Juni 2022 hat zuletzt in Fragen zum Verständnis der Finanzverwaltung der neuen gesetzlichen Tatbestände Stellung genommen. Die Verzahnung mit energierechtlichen Grundbegriffen ist bereits im Gesetzestext angelegt und setzt sich im Ländererlass weiter fort. Wir greifen in diesem Beitrag die wesentlichen Grundbegriffe aus Gesetz und Ländererlass heraus und ordnen diese für Sie ein. Dies erfolgt anhand von praxistypischen Fallkonstellationen in Immobilienprojekten, wie sie künftig sicherlich vermehrt auftreten werden.
Einnahmen aus dem Betrieb von EEG-Anlagen
Hinsichtlich des Betriebes einer Stromerzeugungsanlage, deren Betrieb kürzungsunschädlich sein kann, verweist das GewStG auf das Erneuerbare-Energien- Gesetz (EEG). Im EEG ist sowohl die Eigenschaft einer Anlage zur Stromerzeugung durch erneuerbare Energien (sog. EEG-Anlage) als auch der Betrieb einer solchen EEG-Anlage legaldefiniert.
Betreiber einer EEG-Anlage gemäß § 3 Nr. 1 EEG ist, wer Strom aus erneuerbaren Energien i. S. d. § 3 Nr. 21 EEG, also Wasserkraft, Windenergie, solarer Strahlungsenergie, Geothermie oder Biomasse, erzeugt.
Wie sich schließlich aus § 3 Nr. 2 EEG ergibt, muss der Betreiber einer EEG-Anlage nicht Eigentümer der Anlage sein. Die EEG-Anlagen können also – wie in der energiewirtschaftlichen Praxis üblich – gepachtet oder geleast sein. Betreiber der EEG-Anlage ist in diesen Fällen, wer die Anlage in wirtschaftlicher Hinsicht betreibt. Damit kommt es dann im Wesentlichen darauf an, wer die wirtschaftlichen Risiken (Investition, Brennstoffbeschaffung, Instandhaltung, Absatzrisiko, Untergangsrisiko) für die Anlage übernimmt. Anders als dies in Vergangenheit der Fall war, dürfen aufgrund der hier skizzierten Neuregelungen die Wohnungs- und Grundstücksunternehmen auch selbst zu Betreibern der Anlagen werden.
Fall 1: Stromlieferung an eigene Mieter
Wird der in der EEG-Anlage erzeugte Strom an eigene Mieter des Wohnungs- und Grundstücksunternehmens geliefert, so fallen die Einnahmen hieraus unter die 10 %-Grenze. Dies gilt auch für Lieferungen an eigene Mieter, wenn sich die Mieteinheiten auf anderen Grundstücken desselben Unternehmens befinden.
Fall 2: Stromlieferung an sonstige Letztverbraucher
Wird der in EEG-Anlagen erzeugte Strom an Letztverbraucher geliefert, die nicht eigene Mieter sind, ist dies schädlich für die erweiterte Kürzung. In diesen Fällen ist die 10 %-Grenze unerheblich.
Hier stellt sich jedoch die Frage, was überhaupt eine Lieferung an Letztverbraucher ist. Nach § 3 Nr. 33 EEG ist Letztverbraucher jede natürliche oder juristische Person, die Strom verbraucht. Gemäß § 3 Nr. 25 EnWG läge hingegen eine Lieferung an Letztverbraucher nur vor, wenn der Strom an natürliche oder juristische Personen verkauft wird. Unabhängig davon, auf welchen energierechtlichen Letztverbraucherbegriff man hier abstellen mag, so ist es jedenfalls schädlich für die erweiterte Kürzung, wenn das Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen den in einer EEG-Anlage erzeugten Strom vor Ort an Dritte, die nicht eigene Mieter sind, vermarktet und diese Dritten den Strom darüber hinaus selbst verbrauchen.
Fall 3: Stromlieferungen im Wege der Netzeinspeisung und Direktvermarktung
Keine Lieferung an Letztverbraucher liegt jedenfalls vor, wenn der Strom aus der EEG-Anlage in das vorgelagerte Netz eingespeist und an den Netzbetreiber (ggf. unter Inanspruchnahme der EEG-Förderung) bzw. an einen Direktvermarkter veräußert wird. Denn hier wird der Strom vom Netzbetreiber bzw. vom Direktvermarkter nicht physikalisch verbraucht, sondern vielmehr in einen Bilanzkreis aufgenommen und an andere Stromhändler oder Stromkunden verkauft. Einnahmen aus Stromlieferungen in diesem Sinne dürften gleichwohl unter die 10 %-Grenze fallen.
Fall 4: Stromlieferungen aus Blockheizkraftwerken (BHKW)
Erdgasbefeuerte BHKW, wie sie in der Wohnungswirtschaft in sog. Quartieren häufig errichtet werden, sind nach den oben aufgeführten Definitionen keine EEG-Anlagen. Einnahmen, die mit Strom aus Erdgas-BHKW erzielt werden, fallen somit nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b) GewStG, sondern unter die sonstigen Vertragsbeziehungen mit eigenen Mietern. Hier kann die sogenannte 5 %- Grenze nach § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c) GewStG angewendet werden.
Eine andere Rechtslage ergibt sich jedoch, wenn das BHKW statt mit Erdgas z. B. mit Biogas befeuert wird. Denn ein BHKW kann auch eine EEG-Anlage sein, wenn dieses mit Energie aus Biomasse (u. a. Biogas, Biomethan, Deponiegas und Klärgas) betrieben wird. Strom aus derartigen Anlagen fällt somit unter die 10 %-Grenze, soweit der aus Biomasse erzeugte Strom an eigene Mieter veräußert wird.
Fall 5: Verkauf oder Demontage der Anlagen
Die Einnahmen aus der Veräußerung bzw. Demontage der Anlagen sowie die Aufgabe des entsprechenden (Teil-)Betriebs gelten als letzter Akt der Stromlieferung und sind in die 10 %-Grenze einzubeziehen. Hier kann es erforderlich werden, genau zu bestimmen, welche technischen Einrichtungen zu einer Anlage gehören. Gerade bei BHKW wäre u. U. im Einzelfall abzugrenzen, welche Einrichtungen zur Stromerzeugungsanlage gehören und welche Anlagenteile gegebenenfalls der Anlagenperipherie zugeordnet werden können.
In Contracting-Modellen ist in diesem Zusammenhang auf die Endschaftsklausel zu achten. Hier wird nicht selten der Verbleib der Anlage nach Vertragsende (z. B. der Erwerb der Anlage zum Sachzeitwert) oder auch die Pflicht zum Rückbau der Anlagen geregelt.
Reicht die Stromerzeugung in den EEG-Anlagen nicht aus, um den Strombedarf der eigenen Mieter zu decken, so muss sog. Zusatzstrom zugekauft werden, um diesen an die Mieter z. B. als „Quartierstrom“ im Rahmen einer Vollversorgung zu liefern. Sofern dieser Zusatzstrom im Rahmen eines Mieterstrommodells auf Grundlage eines Mieterstromvertrages im Sinne des § 42a Abs. 2 S. 6 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zur Gewährleistung der umfassenden Versorgung des Mieters geliefert wird, wird der Zusatzstrom den kürzungsunschädlichen Einnahmen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb einer EEG-Anlage erzielt werden, und damit der 10 %-Grenze zugerechnet.
Einnahmen aus sonstigen Stromlieferungen fallen jedoch nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b) GewStG, sondern unter die sonstigen Vertragsbeziehungen mit eigenen Mietern. Hier kann nur die 5 %- Grenze nach § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c) GewStG angewendet werden.
Autor*innen
Anja Spitzenberg
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Tarek Abdelghany
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