Nutzungsänderung von Betrieben gewerblicher Art und Auswirkungen auf den Vorsteuerabzugsbetrag
Nutzungsänderung von Betrieben gewerblicher Art
Eine solche Nutzungsänderung wirkt sich grundsätzlich nachteilig auf einen bereits geltend gemachten Vorsteuerabzugsbetrag aus, da regelmäßig mit der nachträglichen Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG bzw. mit einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG zu rechnen ist. Diese Zusatzbelastung wird durch die Verfügung vom 1. Juli 2020 (S 7106-323-St 175, DB S. 1489) des Landesamtes für Steuern in Niedersachsen verhindert. Nach einem Beschluss der obersten Finanzbehörden der Länder wird für Nutzungsänderungen der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Krise gem. § 163 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen befristet bis zum 31. Dezember 2020 von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG und einer Vorsteuerkorrektur nach § 15 a UStG abgesehen, wenn und soweit der Sachverhalt in einer Nutzung zur Bewältigung der Corona-Krise begründet ist.
Zugleich enthält die Verfügung einige Restriktionen, um einer ausufernden Inanspruchnahme der Billigkeitsmaßnahme entgegenzuwirken:
- Voraussetzung für das Absehen von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe bzw. Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG ist, dass die Nutzungsänderung unmittelbar durch die Corona-Pandemie begründet ist. Das Kriterium der „Unmittelbarkeit“ ist bspw. dann erfüllt, wenn eine Mehrzweckhalle vorübergehend zur Unterbringung von Corona-Patienten genutzt wird. Wäre dagegen auch ohne die Corona-Pandemie eine Nutzungsänderung eingetreten, etwa weil die Kommune ohnehin eine nichtunternehmerische Nutzung für denselben Zeitraum plante, greift die Billigkeitsmaßnahme nicht; in diesem Fall kommt es weiterhin zu Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG bzw. Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG.
- Außerdem ist die Billigkeitsmaßnahme nicht auf privatrechtliche Unternehmen anwendbar, die bspw. ein Gebäude vorübergehend (durch Vermietung) oder dauerhaft (durch Veräußerung) zur Bekämpfung der Pandemie an eine Kommune überlassen. In diesen Fällen ist weiterhin regelmäßig mit der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG bzw. mit einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG zulasten privatrechtlicher Unternehmen zu rechnen.
Zu beachten ist, dass keine Nutzungsänderung vorliegt, wenn ein Gebäude aufgrund der Kontaktbeschränkungen oder „ähnlicher durch Corona bedingte Gründe“ nicht vermietet werden kann. Eine derartige Sachverhaltskonstellation hat folglich mangels Nutzungsänderung keinerlei Auswirkungen auf einen bereits geltend gemachten Vorsteuerabzug.
Die Verfügung und der Beschluss der obersten Finanzbehörden der Länder führen zu einer Selbstbindung der Finanzverwaltung, von der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG und einer Vorsteuerkorrektur gem. § 15 a UStG in den o. g. Fällen abzusehen. Aus unserer Sicht ist die Verfügung insoweit sehr zu begrüßen, da sie Erleichterung sowie Klarheit schafft. Andererseits enthält die Verfügung auch einige Unklarheiten, die zum jetzigen Zeitpunkt keiner abschließenden Bewertung zugänglich sind. Einerseits liegt dies an der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (bspw. „ähnlicher durch Corona bedingte Gründe“). Zudem wirft die Auslegung des Kriteriums der „Unmittelbarkeit“ Fragen auf, gerade im Hinblick auf die Relevanz hypothetischer Sachverhaltsverläufe. Vor diesem Hintergrund ist das genaue Vorgehen frühzeitig mit den eigenen Steuerberatern abzustimmen, um nachteilige steuerliche Auswirkungen zu vermeiden.
Autor:
Senel Sokollari
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senel.sokollari@mazars.de