Netzengpass: Entschädigung von Betreibern von EEG-Anlagen

Es ist immer noch in einzelnen Fällen streitig, wann Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EEG-Anlagen) einen Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn die Anlage seitens des Netzbetreibers abgeschaltet wird.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 11. Februar 2020 (Az.: XIII ZR 27/19) über eine weitere Fallkonstellation entschieden. Im vorliegenden Fall ging es um einen Anlagenbetreiber aus Brandenburg, dessen sechs Windenergieanlagen zwischen 2014 und 2016 mehrfach vom Netz (durch den Netzbetreiber) getrennt wurden. Der Netzbetreiber hatte die Trennung veranlasst, weil durch Reparatur-, Instandhaltungs- und Ausbaumaßnahmen am Netz nur eine verringerte Aufnahmekapazität des Netzes gegeben war. Um die Stabilität des Netzes nicht zu gefährden und selbiges nicht zu überlasten, mussten in der Folge die angeschlossenen Anlagen gedrosselt werden. Durch diese Maßnahmen sind dem Anlagenbetreiber Einnahmen entgangen, für die dieser eine Entschädigung erhalten wollte.

Streitig war, ob § 15 EEG nur dann zur Anwendung kommt, wenn das Netz aufgrund einer zu hohen Einspeisung überlastet ist. Das OLG Naumburg als Vorinstanz sah allein in der produktionsseitigen Überlastung das Vorliegen eines zu entschädigenden Netzengpasses. Hingegen hatte man eine Entschädigungspflicht gemäß EEG ausdrücklich verneint, soweit die Unterbrechung der Stromeinspeisung aufgrund von Reparatur-, Wartungs-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen erfolgt war.

Der BGH hat dieser Sichtweise eine klare Absage erteilt. Grundsätzlich gilt:

  • Ein Netzengpass liegt vor, wenn ein Netzbereich überlastet ist oder die Überlastung eines Netzbereichs droht und das Stromnetz daher nicht mehr sicher betrieben werden kann.
  • Wird die Einspeisung aus einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wegen eines Netzengpasses reduziert oder unterbrochen, steht dem Betreiber auch dann ein Entschädigungsanspruch zu, wenn der Netzengpass nicht durch eine zu hohe Einspeiseleistung, sondern dadurch verursacht worden ist, dass die Kapazität des betroffenen Netzbereichs vorübergehend eingeschränkt ist, weil ein zugehöriges Betriebsmittel infolge einer Störung oder der Durchführung von Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen nicht zur Verfügung steht (Fortführung von BGH, Urteil vom 11. Mai 2016 – VIII ZR 123/15, ZNER 2016, 232 ff.).

Dies bedeutet jedoch auch nach den Ausführungen des BGH nicht, dass in jedem Fall der Trennung einer Anlage vom Stromnetz und einer damit verbundenen (vollständigen) Einspeiseunterbrechung für diese Anlage eine durch einen Netzengpass bedingte Reduzierung der Stromeinspeisung im Sinne der §§ 11, 12 EEG 2012 und §§ 14, 15 EEG 2014 zu bejahen wäre. Beruht die Anlagentrennung auf dem Umstand, dass gerade das Betriebsmittel, über welches die Stromeinspeisung der betreffenden Anlage erfolgt – beispielsweise die Zuleitung von der Anlage zum Netz –, aufgrund der Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen außer Funktion gesetzt ist, kann eine Stromeinspeisung von der betreffenden Anlage unabhängig von den aktuellen Netzkapazitäten nicht erfolgen. Sobald eine Stromeinspeisung nämlich gänzlich unterbleibt, ist ein Netzbetrieb in dem betroffenen Netzbereich physikalisch nicht mehr möglich und kann dementsprechend an dieser Stelle kein Netzengpass vorliegen. Ein solcher kann mithin auch nicht ursächlich für die unterbleibende Stromeinspeisung sein.

Eine zur Entschädigung nach § 12 EEG 2012 oder § 15 EEG 2014 verpflichtende Einspeisereduzierung ist jedoch dann gegeben, wenn in den betroffenen Bereich des Netzes weiterhin von anderen Stromerzeugungsanlagen Strom eingespeist wird und die geregelte Anlage gerade zu dem Zweck vom Netz getrennt wird, eine Verringerung der insgesamt einzuspeisenden Strommenge herbeizuführen. Ist dies der Fall, stellt die Trennung vom Netz für die betroffenen Anlagen zugleich eine Maßnahme des Einspeisemanagements dar. Voraussetzung für die Entstehung des Entschädigungsanspruchs ist mithin, dass die jeweilige Reparaturmaßnahme einen (drohenden) Netzengpass verursacht und die Regelungsmaßnahme des Netzbetreibers eine Reaktion auf diesen Umstand ist, also der Entlastung des andernfalls überlasteten Netzes dient.

Dass die unter das Erneuerbare-Energien-Gesetz fallenden Anlagenbetreiber auf diese Weise gegenüber den Betreibern konventioneller Stromerzeugungsanlagen privilegiert werden, ist in den §§ 11, 12 EEG 2012 und §§ 14, 15 EEG 2014 angelegt. Nicht nur können die Betreiber konventioneller Kraftwerke im Falle einer Einspeisereduzierung oder -unterbrechung vom Netzbetreiber gerade keine Entschädigung verlangen. Die nur für die Erneuerbare-Energien-Anlagen angeordnete Entschädigungspflicht soll für den Netzbetreiber sogar einen zusätzlichen Anreiz setzen, bei Netzengpässen wenn möglich primär die Zufuhr von Strom aus konventionellen Kraftwerken zu drosseln. Denn jeder Netzengpass, auch der auf reparaturbedingten Kapazitätsminderungen beruhende, setzt ein relatives, auf die konkret vorhandene Netzkapazität bezogenes Einspeise-Überangebot voraus und hat zur Folge, dass der Netzbetreiber entscheiden muss, welchen Anlagenbetreibern er mögliche Einspeisungen verwehrt.

Daher hat der BGH die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Es ist nunmehr u. a. zu prüfen, ob die zur Einspeisung in das Netz erforderliche Netzkomponente vorübergehend für keinen Einspeiser zur Verfügung stand.

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