Schlusspunkt der Care-Energy-Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 3. März 2020 – XIII ZR 6/19)

Ist für den EEG-Umlage erhebenden Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) aufgrund eines Zusammenwirkens mehrerer Unternehmen und einer undurchsichtigen Vertragsgestaltung nicht klar ersichtlich, welches der beteiligten Unternehmen die Verpflichtung zur Belieferung des Letztverbrauchers übernommen hat, so steht dem ÜNB der Umlageanspruch gegen jedes dieser Unternehmen zu.

Die Klägerin, eine der vier deutschen ÜNB, verlangt von den Beklagten die Zahlung der EEG-Umlage. Beide Beklagten waren Teil der Care-Energy-Gruppe, deren Geschäftsmodell die Versorgung mit „Nutzenergie“ vorsah Dazu wurde die mietweise Überlassung der Elektrogeräte der Kunden an die Beklagte vereinbart. Deren Betrieb sollte als Umwandlung von Strom in Nutzenergie der Beklagten zugerechnet werden, sodass an den Endkunden kein Strom, sondern Nutzenergie geliefert werden sollte. Die vertragliche Gestaltung erfolgte mit dem Ziel, das Vorliegen einer Stromlieferung an Letztverbraucher zu vermeiden und die EEG-Umlage nicht entrichten zu müssen.

Die Vorinstanzen (LG Hamburg, 13. November 2015 – 304 O9/15, OLG Hamburg, 5. Juli 2016 – 9 U 158/15) verpflichteten die Beklagte zur Zahlung der EEG-Umlage. Jedoch sei nur diejenige Beklagte zur Zahlung der EEG-Umlage verpflichtet, die als Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) anzusehen ist. Das sei nicht für beide Beklagten gegeben, sondern nur mit dem Vertragspartner der Letztverbraucher. Es könne bei einer Stromlieferung nur ein EVU geben. Schließlich lägen die Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Haftung nicht vor.

Maßgebliche Gründe

Der BGH hat der Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung der EEG-Umlage gegen beide Beklagten als Gesamtschuldnerinnen stattgegeben, denn beide seien als EVUs anzusehen.

Unabhängig von der vertraglichen Deklaration sei keine „Nutzenergie“, sondern elektrischer Strom geschuldet und geliefert worden. Unter einer Stromlieferung sei auch der rein tatsächliche Transport- und Übergabevorgang zu verstehen.

Der Stromliefervertrag sei zwar zur Bestimmung des umlagepflichtigen Lieferverhältnisses grundsätzlich, aber nicht immer allein entscheidend für die Entstehung der EEG-Umlageschuld. Treten mehrere Unternehmen auf Lieferantenseite auf, wie hier die verschiedenen Gesellschaften der Care-Energy-Gruppe als Vertragspartnerin und als tatsächliche Lieferantin des Stroms, müsse die Beurteilung anhand der tatsächlichen und rechtlichen Gesamtumstände erfolgen.

Grundsätzlich sei nur das Unternehmen, das sich vertraglich zur Lieferung des Stroms verpflichtet hat, EVU i. S. v. § 37 Abs. 2 S. 1 EEG 2012. Dafür spräche, dass das EEG 2012 auf dieses vertragliche Verhältnis abzielt. Außerdem sei für den Letztverbraucher in der Regel nur der Vertragspartner erkenntlich und die technischen und tatsächlichen Gegebenheiten blieben im Unklaren.

Eine Ausnahme hiervon sei nur dann anzunehmen, wenn sowohl auf physikalischer als auch vertraglicher Ebene ein unübersichtliches Zusammenwirken mehrere Unternehmen stattfinde und der ÜNB deshalb nicht erkennen könne, wer das liefernde EVU und damit Umlageschuldner sei.

Der ÜNB habe zudem typischerweise keinen Einblick in die Letztverbraucherverträge und könne diesen auch nicht ohne Weiteres beanspruchen. Er dürfe gleichwohl erwarten, dass das vertraglich an den Letztverbraucher liefernde EVU und damit der Schuldner der EEG-Umlage feststeht. Schaffen bei der vertraglichen Belieferung des Letztverbrauchers zusammenwirkende Unternehmen – wie hier die Beklagten der Energy-Care Gruppe – zulasten des ÜNB eine Sach- und Rechtslage, bei der unklar ist, welches Unternehmen als Stromlieferant anzusehen ist, sei dem ÜNB das Recht zuzubilligen, jedes Unternehmen als Stromlieferanten in Anspruch zu nehmen, das an der vertraglichen Ausgestaltung der Belieferung des Letztverbrauchers beteiligt ist.

Bei beiden Beklagten handele es sich um EVU, da beide Gesellschaften an einer undurchsichtigen vertraglichen Ausgestaltung der Stromlieferung des Letztverbrauchers beteiligt sind. Die Voraussetzungen der gesamtschuldnerischen Haftung lägen schließlich hier zudem vor, da beide aus demselben Rechtsgrund für dieselbe Strommenge zur Zahlung der EEG-Umlage verpflichtet seien.

Einordnung und Bewertung

Das Urteil bildet den Schlusspunkt der Care-Energy-Rechtsprechung, die sich um die Frage drehte, wer die EEG-Marktrollen „EVU“ und „Letztverbraucher“ in einem völlig verworrenen Stromvertriebsmodell einnimmt. Wenig überraschend erteilt auch der BGH dem Gebaren der Care-Energy-Gruppe eine Absage.

Der BGH geht jedoch einen Schritt weiter, indem er den Kreis der EVU als EEG-Umlageschuldner in bestimmten Konstellationen erweitert. Denn das Gesetz sieht weder eine Lieferantenmehrheit noch eine gesamtschuldnerische Haftung in Stromlieferketten vor. Der BGH hat daher – hierauf soll an dieser Stelle hingewiesen werden – eine vom gesetzlichen Leitbild abweichende Ausnahme begründet. Diese Wertung erscheint sachgerecht, wenn sich mehrere Unternehmen durch kollusives oder gar betrügerisches Zusammenwirken der gesetzlichen Zahlungspflicht entziehen. Sie sollte jedoch nicht dahingehend ausgedehnt werden, dass dem ÜNB ein beliebiges Wahlrecht eingeräumt wird, womit er sich z. B. an großen Letztverbraucherstandorten den EEG-Umlageschuldner schlicht aussuchen kann.

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