Landgericht München I: Mieter dürfen Fachunternehmen zur Anbringung einer Ladestadion für E-Autos frei wählen
Landgericht München I: Ladestadion für E-Autos
Sachverhalt
Der Kläger ist Mieter einer Wohnung nebst Tiefgaragenstellplatz. Er begehrt vom Vermieter die Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation für das Laden seines E-Autos durch ein frei gewähltes Fachunternehmen. Das Vorhaben ist technisch ohne Weiteres umsetzbar und fügt sich derzeit in das bestehende Hausnetz ein, da die Zahl der höchstmöglichen E-Stellplätze noch nicht erreicht ist. Die technische Einrichtung für mehr als zehn Ladestationen pro Hausanschluss ist dagegen nur durch die Stadtwerke München möglich, wobei dann auch ein Nutzungsentgelt für die nutzenden Mieter anfiele. Der Vermieter verweigert die Zustimmung, da er möglichst alle Mieter gleich behandeln und nicht einzelne privilegieren will. Eine Vielzahl weiterer Mieter hätte bereits ein entsprechendes Interesse an der Errichtung einer Ladestation angemeldet. Das Amtsgericht München wies die Klage ab.
WEG-Reform und Hintergrund der Entscheidung
Grundsätzlich sind Mieter – jenseits von vertraglichen Absprachen – ohne Zustimmung des Vermieters zu baulichen Eingriffen nicht berechtigt und eine nachträgliche Erweiterung des ursprünglich eingeräumten Gebrauchsrechts ist nicht vorgesehen. Im Zuge der am 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen WEG-Reform wurden im Wohnungseigentumsrecht bzw. im Mietrecht bestimmte Rechte von Wohnungseigentümern bzw. von Mietern zur Durchführung bestimmter baulicher Veränderung geregelt. Unter anderem hat der Mieter gemäß § 554 Abs. 1 BGB auf eigene Kosten einen Anspruch auf bauliche Veränderungen, die dem „Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge“ dienen. Die Regelung gilt auch zugunsten von Gewerbemietern. Anspruchsgrenze ist die Unzumutbarkeit für den Vermieter. Wer für die Ausführung der Maßnahmen das Unternehmen auswählen darf, regelt § 554 Abs. 1 BGB nicht. Rechtsprechung gab es zu dieser Frage bislang nicht.
Inhalt der Entscheidung
Das Landgericht München I hat am 23. Juni 2022 (Az. 31 S 12015/21) entschieden, dass Mieter Fachunternehmen zur Anbringung einer Ladestation für E-Autos frei wählen dürfen.
Da die Regelung des § 554 Abs. 1 BGB vorwiegend dem Interesse des Mieters diene, so das Landgericht, sei der Mieter berechtigt, die Errichtung der Ladestation selbst bzw. durch ein geeignetes Fachunternehmen durchzuführen, dieses auszuwählen und die konkrete Art des Anschlusses zu bestimmen. Die Einrichtung dieser Ladestation sei für den Vermieter auch nicht unzumutbar. Weder gebe es im Mietrecht einen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch sei es als willkürlich anzusehen, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgehe und später nachfolgenden Mietern ein Elektroanschluss möglicherweise nur gewährt werden könne, wenn dieser durch die Stadtwerke München – gegen Entgelt – eingerichtet werde.
Fazit und Ausblick
Die Entscheidung zur Förderung der Elektromobilität ist generell zu begrüßen und stärkt die Mieterrechte. Jenseits von atypischen Konstellationen oder einer Unmöglichkeit steht zu erwarten, dass Vermieter die Erlaubnis zur Errichtung einer Ladestation nebst der Verlegung von Stromleitungen regelmäßig erteilen müssen. Dies entspricht dem gesetzgeberischen Willen, den Belangen des Klimaschutzes und der Verringerung von Schadstoffemissionen ausreichend Rechnung zu tragen (BT-Drs. 19/18791, Seite 89).
Die Entscheidung enthält dennoch Schwächen und Wertungswidersprüche. Dies betrifft einerseits Fragen der Zumutbarkeit, die im Urteil nicht ausreichend thematisiert werden. Unter den Gesichtspunkten der Verkehrssicherungspflicht, der Brandgefahr, Versicherungsfragen sowie der Überwachung und Vermeidung einer möglichen Baurechtswidrigkeit hat der Vermieter ein gesteigertes Interesse, dass bauliche Veränderungen durch dieselbe Fachfirma ausgeführt werden und er folglich über das Wie entscheiden darf. Widersprüchlich ist zudem der Vergleich mit § 20 Abs. 2 S. 2 WEG, wonach Wohnungseigentümer die Errichtung einer E-Ladestation verlangen können (das Ob). Das Wie der Umsetzung ist aber unzweifelhaft der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorbehalten. Die Entscheidung des Landgerichts konsequent zu Ende gedacht könnte also der Mieter dem vermietenden Wohnungseigentümer das Wie der Umsetzung vorgeben, obwohl dieser selbst auf die Entscheidung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angewiesen ist und ihm die Anspruchserfüllung möglicherweise – trotz Beschreiten des Rechtswegs – unmöglich bleibt. In den kommenden Jahren wird die (obergerichtliche) Rechtsprechung die Auslegung von § 554 BGB daher weiter präzisieren müssen, um eine rechtssichere und stringente Anwendung in der Praxis zu gewährleisten.
Vermietern, die die Errichtung von Ladesäulen durch verschiedene Unternehmer in Bestandsmietverträgen verhindern wollen, können dem Erlaubnisverlangen des Mieters dadurch die Grundlage entziehen, dass sie modernisierend selbst die benötigte Ladeinfrastruktur schaffen und – jedenfalls im Wohnraummietrecht – die Kosten im Rahmen einer Modernisierungsmieterhöhung auf die Mieter umlegen.
Autor
Christoph von Loeper
Tel: +49 30 208 88 1422
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.