Oberste Finanzbehörden – Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vom 10. Mai 2022
Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a & 2b GrEStG
Generell orientiert sich der Erlass zu § 1 Abs. 2b GrEStG – soweit möglich – an dem neu gefassten Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG.
Wesentliche Inhalte sind im Einzelnen:
- Altgesellschaftereigenschaft bei § 1 Abs. 2b GrEStG: Auch mittelbar an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft mit Ablauf des 30. Juni 2021 Beteiligte sind für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG „Altgesellschafter“.
- Abschaffung der sog. „Ewigkeitsklausel“: Die sog. „Ewigkeitsklausel“ im Hinblick auf die Änderung des Gesellschafterbestands von unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften wurde nicht in die Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG übernommen und konsequenterweise auch in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG gestrichen. Demnach gilt nach der Finanzverwaltung auch für mittelbare Gesellschafterwechsel einheitlich die Frist von zehn Jahren i. S. d. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG bzw. § 1 Abs. 2b S. 1 GrEStG.
- Auseinanderfallen von Signing und Closing: Im Hinblick auf das Verhältnis von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (Steuerbarkeit mit Closing) zu den nachrangigen § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (Verwirklichung ggfs. bereits mit Signing) geht die Finanzverwaltung von zwei grunderwerbsteuerlichen Vorgängen aus. Die im Zeitpunkt des Signing erfolgende Festsetzung nach § 1 Abs.3 GrEStG soll bei einer im Zeitpunkt des Closing nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG erfolgenden Festsetzung (bei Grundstücksidentität) aufgehoben oder geändert werden. Eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist dabei grds. nur in den Fällen geboten, in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht zu erwarten ist. Beide Vorgänge sind beim zuständigen Finanzamt fristund formgemäß anzuzeigen.
- Formwechsel: Umfassend geändert wurden die Regelungen zum Formwechsel. Künftig sollen Gesellschafterwechsel an der formwechselnden Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Formwechsel weiterhin Berücksichtigung als Zählerwerbe finden. Vor dem Hintergrund der sehr fiskalisch motivierten Auslegungen sind Rechtsstreitigkeiten vorprogrammiert.
- Unschädliche Beteiligungskettenverkürzung: Auch bei § 1 Abs. 2b GrEStG erkennt die Finanzverwaltung eine unschädliche Beteiligungskettenverkürzungen nur bei mittelbarer Verkürzung von Beteiligungsketten mit jeweils mindestens 90 % Beteiligungsquote an, sofern die unmittelbar an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligte Gesellschafterebene unberührt bleibt.
In den Erlassen nicht ausdrücklich behandelt wird das aktuell bei der Übertragung von Beteiligungsketten diskutierte Risiko der Mehrfachbesteuerung auf verschiedenen Beteiligungsebenen durch mehrfache Zurechnung von Grundbesitz. Es bleibt zunächst abzuwarten, ob sich diesbezüglich Erkenntnisse aus den derzeit beim BFH unter Az. II R 44/18 und II R 33/20 anhängigen Verfahren ergeben werden.
Autor:
Stephan Franzen
Tel: +49 221 28 20 2456
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