Die Europäische Union steigt in das Rennen um die Standardisierung der nichtfinanziellen Berichterstattung ein

Anfang 2020 kündigte die Europäische Kommission ihre Absicht an, eine erneuerte nachhaltige Finanzstrategie vorzulegen, die darauf abzielt, die Bestrebungen zur Erfüllung der europäischen Klimaverpflichtungen zu verstärken, die Europa bis 2050 zum ersten kohlenstoffneutralen Kontinent machen sollen.

Die Überarbeitung der Richtlinie über die Nichtfinanzberichterstattung (Non-Financial Reporting Directive, NFRD) nimmt in dieser nachhaltigen Finanzstrategie 2.0 einen besonderen Stellenwert ein. Verabschiedet im Jahr 2014, änderte die NFRD die Bilanzierungsrichtlinie von 2013 (zu Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen). Seit 20181 verpflichtet sie bestimmte große Unternehmen und Konzerne, einen jährlichen Bericht über die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu veröffentlichen.

Gestiegenes Bewusstsein für die Bedeutung der nichtfinanziellen Berichterstattung – aber eine Praxis, die noch verbesserungswürdig ist

Die Bedeutung nichtfinanzieller Informationen, die in ihrer Qualität mit finanziellen Informationen vergleichbar sind, wird inzwischen von allen Wirtschafts- und Finanzakteuren, von Behörden wie auch innerhalb der Zivilgesellschaft, weitgehend akzeptiert.

Es gibt jedoch noch viele Bereiche, in denen die derzeitige Praxis der nichtfinanziellen Berichterstattung verbessert werden kann. Insbesondere sind die dargestellten nichtfinanziellen Informationen oftmals nicht ausreichend zuverlässig oder vergleichbar, und es werden nicht immer alle relevanten Informationen offengelegt. Außerdem sind die Kosten für die Erstellung dieser nichtfinanziellen Informationen für die Unternehmen zu hoch.

Die Europäische Union macht sich an die Arbeit …

Auf dieser Grundlage hat die Kommission auch ihre Absicht angekündigt, die Schaffung eines europäischen Standardsetzers für nichtfinanzielle Informationen in Betracht zu ziehen. Zu diesem Zweck hat sie im Juli 2020 die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) gebeten, vorbereitende Arbeiten für die Verabschiedung europäischer Standards zu übernehmen, um die Kommission bei der Einführung eines stabilen Standardsetzungsverfahrens fachlich zu beraten. Zur Durchführung dieser Arbeit wurde eine Task Force eingerichtet.

… aber es wurden auch andere Initiativen gestartet

Die Initiative der Europäischen Union scheint einen Wettlauf um die Standardsetzung für die nichtfinanzielle Berichterstattung unter den internationalen Akteuren angestoßen zu haben. Seit der Gründung der europäischen Task Force wurden viele ähnliche Initiativen angekündigt:

  • Am 11. September 2020 haben das Carbon Disclosure Project (CDP), das Climate Disclosure Standards Board (CDSB), die Global Reporting Initiative (GRI), der International Integrated Reporting Council (IIRC) und das Sustainability Accounting Standards Board (SASB) eine gemeinsame Vision dessen veröffentlicht, was für den Fortschritt hin zu einer umfassenden Unternehmensberichterstattung (Integration von finanzieller und nichtfinanzieller Berichterstattung) notwendig ist – und die Absicht, gemeinsam daran zu arbeiten.
  • Am 23. September 2020 veröffentlichte das Weltwirtschaftsforum zusammen mit einigen großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eine Reihe von nichtfinanziellen Indikatoren (ESG-Kennzahlen).
  • Am 23. September 2020 kündigte die IFRS Foundation den Start einer Konsultation an, um das Ausmaß des Bedarfs und der Nachfrage nach internationalen Standards im Bereich der nichtfinanziellen Berichterstattung sowie den Umfang, in dem die IFRS Foundation zur Entwicklung solcher Standards beitragen könnte, zu ermitteln.

Während wir das wachsende Bewusstsein für die Notwendigkeit, allen Stakeholdern Instrumente für ein effektives und transparentes Management nachhaltiger Strategien zur Verfügung zu stellen, begrüßen, können wir nicht umhin, die Ironie dieser Situation zu bemerken. Schließlich rührt ein großer Teil der aktuellen Schwierigkeiten in der Umsetzung genau aus der unkoordinierten Ausbreitung und Fragmentierung diverser Initiativen mit vielfältigen und potenziell konkurrierenden Zielen.

Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass die formale Entscheidung zur Schaffung eines europäischen Standardsetzers zwar noch von der Kommission getroffen werden muss, dies aber nur noch eine Formsache ist. Die eigentliche Frage scheint nun zu sein, wie man schnell und effektiv voranschreitet und die wertvollen Aspekte dieser internationalen Initiativen integriert, ohne sich in politischen Spielchen zu verlieren. Eine Antwort wird für Anfang 2021 erwartet. Die EFRAG-Task-Force, die ihre Arbeit am 11. September 2020 aufgenommen hat, wird der Europäischen Kommission Anfang 2021 ihre Schlussfolgerungen vorlegen.

  

1Erstmalige Anwendung auf die zum 1. Januar 2017 laufenden Berichtsperioden, sodass die ersten Berichte im Jahr 2018 veröffentlicht wurden.

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