„Wie gewonnen, so zerronnen“ – zum rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung bei einer nachvertraglichen Konkurrenztätigkeit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 24. April 2024 (Az. II ZR 99/22) entschieden, dass ein mit einem GmbHGeschäftsführer vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das den rückwirkenden Wegfall einer Karenzentschädigung nebst Rückzahlungsverpflichtung bereits geleisteter Beiträge bei einem Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot vorsieht, wirksam ist, und räumt damit Arbeitgebern weitere Gestaltungsfreiheit bei der Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ein.

Sachverhalt

Der Beklagte war Geschäftsführer der Klägerin, die im Bereich des Betriebs von Kur- und Rehabilitationskliniken, Seniorenwohn- und Pflegeheimen sowie betreutem Wohnen tätig war.

Sein Anstellungsvertrag sah ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor sowie eine Karenzentschädigung, die sich auf 50 Prozent der zuletzt bezogenen Monatsbezüge belaufen sollte. Diese Karenzentschädigung sollte ex tunc („von Anfang an“) dann wegfallen, wenn ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorliegt. Bereits gezahlte Beträge der Karenzentschädigung sollten der Gesellschaft zurückgezahlt werden.

Es kam, wie es kommen musste: Der Beklagte wurde im Mai 2012 von seinem Amt als Geschäftsführer abberufen und der Anstellungsvertrag wurde beendet. Gut ein Jahr später nahm der Beklagte eine Tätigkeit als Geschäftsführer bei einer Unternehmensberatungsgesellschaft auf, zu deren Kunden u. a. Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sowie Altenhilfe, Altenpflege und Seniorenwirtschaft gehörten, und erfüllte damit den Tatbestand der Verbotsklausel.

Da die Klägerin von Beginn an keine Karenzentschädigung zahlte, erhob der Beklagte im Laufe des Verfahrens Widerklage u. a. auf Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 92.004 € nebst Zinsen. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht der Widerklage (Kammergericht) in Höhe von 47.918,75 € nebst Zinsen statt. Mit ihrer vom Senat insoweit zugelassenen Revision erstrebte die Klägerin erfolgreich die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Die Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Ein Anspruch der Beklagten auf Karenzentschädigung bestand nach Ansicht des BGH nicht, da dieser gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hatte und das im Anstellungsvertrag vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot wirksam war.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit sie notwendig sind, um den Vertragspartner vor illoyaler Verwertung der Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen zu schützen, die der andere Vertragspartner als Organmitglied während seiner Tätigkeit erlangt hat. Sie sind nur wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten. Ob ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot diesen Anforderungen entspricht, ist aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere des mit dem Wettbewerbsverbot verfolgten Zwecks, zu beurteilen.

Der im Anstellungsvertrag geregelte rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung stelle keine unbillige Belastung des Beklagten dar. Dem Geschäftsführer einer GmbH müsse im Rahmen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen werden. Werde dennoch eine Entschädigung vereinbart, können die Vertragspartner ihre Höhe frei regeln. Folglich könne auch der rückwirkende Wegfall einer Karenzentschädigung für den Fall eines Wettbewerbsverstoßes wirksam vereinbart werden.

Dem Argument des Beklagten, bei der Karenzentschädigung handele es sich um eine „Einkommensersatzleistung“, weshalb ein rückwirkender Wegfall der Karenzentschädigung unwirksam sei, folgte der BGH nicht, da die Parteien bereits vereinbart hatten, dass die GmbH auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auch hätten verzichten und damit einseitig beenden können.

Auch die Nichtleistung der monatlich fälligen Beträge der Karenzentschädigung durch die Klägerin führe nicht dazu, dass sich die Klägerin nicht nach Treu und Glauben auf den rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung berufen könne. Erst bei einer ernsthaften und endgültigen Zahlungsverweigerung könne davon gesprochen werden, dass die Klägerin den Beklagten zur Aufnahme der Konkurrenztätigkeit „herausgefordert“ habe.

Praxishinweise

Der BGH bekräftigt zunächst einmal mehr seine bisherige Rechtsprechung einer fehlenden Verpflichtung von Arbeitgebern, mit GmbH-Geschäftsführer* innen eine Karenzentschädigung zu vereinbaren. Darüber hinaus weitete er seine Rechtsprechung nun dahingehend aus, dass der Wegfall einer vereinbarten Karenzentschädigung ex tunc vereinbart werden darf, wenn gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen wird. Er räumt damit den Gesellschaftern bei der Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote von Geschäftsführern weitgehende Gestaltungsfreiheit ein.

Die in der Praxis weitverbreitete Übung, Geschäftsführer* innen Karenzentschädigungen in ähnlicher Ausgestaltung wie Arbeitnehmer*innen zu gewähren, erweist sich mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH als häufig unnötige finanzielle Verpflichtung. Durch die sorgfältige Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote von Geschäftsführer*innen lassen sich derartige vermeintliche Verpflichtungen umgehen. Sollte ein entschädigungsloses nachvertragliches Wettbewerbsverbot von einem*einer Geschäftsführer*in nicht akzeptiert werden, könnte die Vereinbarung eines rückwirkenden Wegfalls einer Entschädigung bei einem Wettbewerbsverstoß – je nach Verhandlungsverlauf – eine geeignete Kompromisslösung darstellen.

Eine Unsicherheit bleibt jedoch, denn der BGH hat das Verfahren nicht im Lichte des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beurteilt, weil das Kammergericht als Vorinstanz nicht festgestellt hatte, dass es sich bei den Regelungen zum Wettbewerbsverbot um allgemeine Geschäftsbedingungen handelte. Dabei unterliegen nachvertragliche Wettbewerbsverbote einer Inhaltskontrolle, sofern sie – wie regelmäßig in der Praxis – von der Gesellschaft formularmäßig gestellt werden.

Die hier aufgeführten Maßstäbe dürften im Übrigen nicht auf Arbeitnehmer*innen übertragbar sein, da nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmer* innen wirksam sind, wenn eine Karenzentschädigung vereinbart wird. Eine Karenzentschädigung ist in diesem Verhältnis nicht frei verhandelbar.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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