Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zur Incentivierung von Arbeitnehmer*innen – eine Sondervergütung mit eigenen Regeln

Im Rahmen der Bindung von Arbeitnehmer*innen und Fachkräften spielen Mitarbeiterbeteiligungsprogramme im betrieblichen Alltag eine zunehmend wichtigere Rolle.

Nach wie vor erfreuen sich zwar in Deutschland umfassende Bonus- und Zielvereinbarungen großer Beliebtheit, aber auch die Vereinbarung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen rückt zunehmend weiter in den Fokus deutscher Arbeitgeber.

Insbesondere Start-ups greifen gerne auf Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zurück, nicht zuletzt auch, weil gerade in der Gründungsphase häufig nicht derart viel Kapital verfügbar ist, um Arbeitnehmer*innen mit klassischen Vergütungsbestandteilen wie Boni oder anderen Sondervergütungen an sich zu binden.

Im Vordergrund steht dabei insbesondere, hierdurch eine langfristige Bindung der Arbeitnehmer*innen an das Unternehmen zu erzielen, die Eigenmotivation zu erhöhen, eigenes verantwortungsvolles Denken und Handeln zu fördern und als Arbeitgeber an Attraktivität für potenzielle Bewerber*innen zu gewinnen. Wie auch die derzeitige deutsche Rechtsprechung zeigt, genießen Arbeitgeber bei der Ausgestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen durchaus einen gewissen Gestaltungsspielraum.

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme – was sich dahinter verbirgt und welche Arten man unterscheidet

Nicht zuletzt der Kampf um die besten Talente hat Unternehmen dazu bewogen, sich in puncto Mitarbeiterbindung etwas einfallen zu lassen. Insbesondere in jungen und kleineren Unternehmen hat sich daher ein Trend dahingehend entwickelt, Arbeitnehmer*innen mittels Optionsprogrammen an sich zu binden. Teils niedrigere Gehälter als in größeren Unternehmen sollen dabei durch eine Beteiligung der Arbeitnehmer*innen am Unternehmen ausgeglichen werden. Die Arten der Mitarbeiterbeteiligung sind divers und reichen beispielsweise von der unentgeltlichen oder verbilligten Einräumung von (echten) Geschäftsanteilen über die Begebung von Stock Options bis hin zu rein schuldrechtlich ausgestalteten Optionsprogrammen, bei denen eine Beteiligung der Arbeitnehmer* innen am Eigenkapital des Unternehmens finanziell nachgebildet wird.

In der Praxis werden in der Regel selten echte Geschäftsanteile übertragen. Arbeitnehmer*innen würden hierdurch zu Gesellschafter*innen ihres Arbeitgebers und wären direkt am finanziellen Erfolg beteiligt. Arbeitnehmer*innen stehen neben der Gewinnbeteiligung auch sämtliche sonstigen Mitgliedschaftsrechte wie etwa die Stimm- und Informationsrechte zu. Insbesondere in Arbeitsverhältnissen – auch und gerade im Start-up-Bereich – möchte man allerdings möglichst vermeiden, tatsächlich eine Gesellschafterstellung zu begründen.

Weiter verbreitet hingegen sind daher sogenannte virtuelle Beteiligungsprogramme wie Phantomaktien- Programme (Phantom Stock Programs) oder VSOPs (Virtual Stock Option Plans). Vereinzelt wird auch auf eine Gestaltung mit Optionen auf echte Anteile zurückgegriffen, was aufgrund höherer Komplexität und ohne entscheidende Steuervorteile jedoch weniger beliebt ist. Man spricht hierbei von sogenannten ESOPs (Employee Stock Option Plans).

Arbeitsrechtliche Problemstellung in Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen

Unterschieden wird im Rahmen der Gewährung derartiger Optionen zwischen der Zuteilung, der Ausübbarkeit und dem Verfall der virtuellen Optionen sowie deren Anpassung.

Fragestellungen, die sich hierbei aus arbeitsrechtlicher Sicht ergeben, kreisen häufig um die mit den Arbeitnehmer*innen vereinbarten Verfallklauseln und deren Wirksamkeit. Der Verfall solcher Aktienoptionen kann dem im deutschen Arbeitsrecht und auch in anderen Rechtsordnungen in gleichem Maße geltenden Grundsatz entgegenstehen, wonach bereits verdienter Lohn für erbrachte Arbeitsleistung nicht mehr entzogen werden darf.

Der Verfall von Aktienoptionen – weniger eine Gegenleistung als vielmehr eine bloße Gewinnchance

Unter anderem das Landesarbeitsgericht München (LAG München, Urt. v. 7. Februar 2024 – 5 Sa 98/23) war mit der Frage befasst, ob Aktienoptionen einen echten Gegenwert für erbrachte Arbeitsleistung darstellen und im Falle des Ausscheidens des Arbeitnehmers nicht mehr einseitig entzogen werden können.

Dem lag der Sachverhalt zugrunde, wonach ein Arbeitnehmer ein Zuteilungsschreiben seines Arbeitgebers über 23 virtuelle Optionsrechte erhielt. Darin war festgehalten, dass der Arbeitnehmer für diese virtuellen Optionen keinerlei Gegenleistung erbringen müsse und dass sie als Anreiz für die Zukunft und nicht für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen gewährt werden. Dies kam auch dadurch zum Ausdruck, dass die Optionen nicht sofort ausübbar waren, sondern dies erst nach und nach in der Zukunft werden sollten.

Eine Reglung in dem mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Mitarbeiterbeteiligungsprogramm sah vor, dass zugeteilte virtuelle Optionen, soweit diese ausübbar geworden sind, innerhalb von zwei Jahren nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers verfallen.

Es kam, wie es kommen musste: Der Arbeitnehmer machte mehr als zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber seine Ansprüche auf die virtuellen Optionen geltend.

Zulässigkeit des Verfalls bereits ausübbarer Aktienoptionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das Landesarbeitsgericht München befand, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen virtuelle Optionen, soweit diese ausübbar geworden sind, im Rahmen von zwei Jahren nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers verfallen, wirksam sind und nicht gegen §§ 305 ff. BGB verstoßen.

Die Richter des Landesarbeitsgerichts sahen in den vom Arbeitgeber gewählten Regelungen zur Zuteilung, der Ausübbarkeit sowie dem Verfall weder eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch ein Abweichen von wesentlichen Rechtsgrundsätzen noch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot. Es sei für den Arbeitnehmer eindeutig verständlich gewesen, dass die virtuellen Optionen verfallen, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine von seiner Seite ausgesprochene Kündigung endet. Die Verfallsregelungen waren klar und nachvollziehbar getroffen. Aus einer tabellarischen Übersicht, die dem Arbeitnehmer gegenüber bekannt gemacht wurde, war zu entnehmen, dass länger als 24 Monate nach dem Ende der Anstellung bzw. einer organschaftlichen Anstellung 100 Prozent der virtuellen Optionen verfallen und somit null Prozent ausübbare virtuelle Optionen verbleiben, die der Arbeitnehmer ausüben kann. Kurz gesagt: Sämtliche ausübbare virtuelle Optionen sind verfallen.

Spekulativer Charakter virtueller Optionen – Bestätigung des Vergütungscharakters

In der Entscheidung wird noch einmal betont, dass auch insbesondere virtuelle Optionen Entgeltcharakter haben, auch wenn sie – anders als beispielsweise andere Sondervergütungen wie Weihnachtsgeld oder eine jährliche Sonderzahlung – grundsätzlich spekulativer Natur sind.

Problematisch ist, dass – wie auch bei arbeitsvertraglichen Regelungen zur Rückzahlung von Weihnachtsgeld bzw. einer jährlichen Sonderzahlung bei unterjährigem Ausscheiden des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin – derartige Sonderzahlungen und auch die virtuellen Optionen arbeitsvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in vereinbart worden sind und daher neben dem Festgehalt einen Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vergütung darstellen. Derartige beidseitig arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütungsbestandteile können vom Arbeitgeber nicht ohne Weiteres einseitig wieder entzogen werden. An Rückzahlungsklauseln beispielsweise werden daher sehr strenge Maßstäbe angelegt, um eine unangemessene Benachteiligung des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin in Hinblick auf dessen*deren Vergütung zu verhindern.

Virtuelle Optionen sind prinzipiell als Arbeitsentgelt zu qualifizieren. Die Rechtsprechung betont allerdings immer wieder, dass sie im Vergleich zu anderen Sondervergütungen wie den oben benannten einen „ungleich höheren spekulativen Charakter“ haben. Aufgrund dieses besonderen, spekulativen Charakters stellen sie daher weniger eine Gegenleistung für bereits erbrachte Leistungen des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin als vielmehr eine Gewinnchance und einen Anreiz für zukünftigen Einsatz dar. Verfallen virtuelle Optionen nun und können von dem*der Arbeitnehmer*in nicht mehr ausgeübt werden, so wird nur eine Verdienstchance entzogen.

Arbeitnehmer*innen können bei virtuellen Optionen nicht zuverlässig mit der Werthaltigkeit der Bezugsrechte rechnen. Hierfür spricht beispielsweise auch, dass Arbeitgeber sich im Zusammenhang mit virtuellen Optionen häufig das Recht einräumen, die Optionen einseitig anzupassen. Auch dieses Vorgehen ist bei beidseitigen Verträgen wie dem Arbeitsvertrag nicht unproblematisch.

Sinn und Zweck von Optionen rechtfertigen es jedoch, für Arbeitgeber positive Verfalls- und Bindungsklauseln einzusetzen. Der Grundsatz, dass bereits erdienter Lohn nicht mehr entzogen werden darf, und dieser Grundsatz wird immer wieder relevant, wenn es beispielsweise um die Rückzahlung von Sondervergütungen durch Arbeitnehmer*innen bei deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geht, wird also nicht dadurch durchbrochen, dass virtuelle Optionen innerhalb von einem bestimmten Zeitraum – hier: zwei Jahre – nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen. Es wird nämlich kein bereits erdienter Lohn entzogen, sondern allein eine Verdienstchance. Eine solche arbeitsvertragliche Regelung des Verfalls ist auch unabhängig von dem jeweiligen Beendigungsgrund des Arbeitsverhältnisses möglich.

Virtuelle Optionen – zum Teil in der rechtswissenschaftlichen Literatur auch als „Entgelt zweiter Klasse“ betitelt – bieten lediglich die Zuteilung einer befristeten Gewinnchance. Zum Teil wird daher auch der Vergleich angestellt, wonach virtuelle Optionen wie ein Los sind, das auch nur für einen befristeten Zeitraum an der Ziehung teilnimmt.

Zudem muss sich der*die Arbeitnehmer*in von Anfang an darauf einstellen, nicht genau zu wissen, ob und wann er*sie überhaupt einmal ein Los ziehen und das Recht auf die virtuellen Aktienoptionen ausüben wird. In dem arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in besteht daher von vornherein allein eine befristete Chance, die der Arbeitgeber als freiwillige Leistung gewährt hat und für die der*die Arbeitnehmer*in zudem keinerlei Gegenleistung erbringen muss.

Da es sich also um eine bloße vom Arbeitgeber gewährte freiwillige Chance handelt, ist es ihm auch gestattet, diese zu definieren und zu beschränken. Der Maßstab, der in dieser Hinsicht an andere vom Arbeitgeber gewährte Sondervergütungen angelegt wird, ist ein deutlich strengerer. Die Tatsche, dass die Chance der Ausübbarkeit der virtuellen Optionen pro Quartal nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder um 12,5 Prozent verfällt, stellt keine unangemessene Benachteiligung des*der Arbeitnehmers* Arbeitnehmerin dar. Dies wird auch mit dem Argument begründet, dass die Chancen einer Gewinnbeteiligung abnehmen sollen, je länger das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Dies ist verbunden mit dem Gedanken, dass der*die Arbeitnehmer* in aufgrund seines*ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis selbst auch keinen Beitrag mehr zum Erfolg und Wert des Unternehmens beitragen konnte. Ohnehin haben Arbeitnehmer* innen mit ihrer Arbeitsleistung – anders als bei leistungsbasierten Sondervergütungen – wenig mittelbaren Einfluss auf die Entwicklung des Optionswertes, sondern dieser hängt vielmehr auch von diversen äußeren Faktoren ab.

Maßstäbe für den späteren Wegfall von Vergütungsbestandteilen bei virtuellen Optionen

Die ansonsten für Vergütungsbestandteile geltenden Maßstäbe können nicht ohne Weiteres auf virtuelle Optionen übertragen werden. Anders als bei weiteren Formen der Sondervergütung wird durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die damit einhergehende Verkürzung der Dauer der eingeräumten Gewinnchance keine unzulässige Bindung des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin an sein*ihr Arbeitsverhältnis erzeugt, die auch geeignet sein kann, seine*ihre Berufsfreiheit in unzulässiger Weise zu beschränken.

Praxistipp

Virtuelle Optionen sind für Arbeitgeber, bei denen der Einsatz solcher Vergütungsbestandteile grundsätzlich in Betracht kommt, ein gutes Mittel, um Arbeitnehmer*innen an das Unternehmen zu binden, und bieten – auch aufgrund ihrer derzeitigen Beliebtheit – die Möglichkeit, Entgeltbestandteile an die Arbeitnehmer*innen auszuzahlen, die zumindest nach aktuellem Stand der Rechtsprechung nicht den strengen Maßstäben unterliegen, die für andere Formen der Sondervergütung in Hinblick auf einen späteren Wegfall gelten. Ein schutzwürdiges Vertrauen des*der Arbeitnehmers* Arbeitnehmerin auf den Fortbestand der virtuellen Optionen als Vergütungsbestandteile kann daher nur sehr eingeschränkt entstehen.

Gegen diese Ansicht gibt es allerdings auch Kritik. Nach dieser sorge das Bundesarbeitsgericht und mit seiner Entscheidung auch das Landesarbeitsgericht München dafür, dass die Bedeutung beidseitig bindender Vereinbarungen im Arbeitsverhältnis geschwächt werden. Virtuelle Optionen sollten daher nicht wie „Entgelt zweiter Klasse“ behandelt, sondern wie andere erfolgs- und leistungsabhängige Vergütungen den gleichen Maßstäben unterworfen werden.

Derzeit befindet sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München beim Bundesarbeitsgericht zur Revision. Es ist daher keinesfalls ausgeschlossen, dass die Richter*innen des Bundesarbeitsgerichts zu dem Schluss kommen, dass virtuellen Optionen künftig kein „Entgelt zweiter Klasse“ mehr sein sollen und sie demselben strengen Prüfungsmaßstab, wie er für andere Formen der Sondervergütung gilt, unterworfen sein sollen.

Gesagt werden muss aber auch, dass – anders als in anderen Ländern, in denen Mitarbeiterbeteiligungsprogramme bereits seit Längerem existieren – steuerliche Begünstigungen für virtuelle Optionen in Deutschland bislang sehr begrenzt sind. Auch hier bleibt die künftige Entwicklung zu beobachten.

Nichtsdestotrotz stellen auch weiterhin andere Formen der Sondervergütung wie Bonus- und Zielvereinbarungen etc. eine wichtige Stellschraube im Rahmen der Mitarbeiterbindung dar und tragen ebenfalls dazu bei, Arbeitnehmer*innen zu incentivieren.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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