„Stets zu unserer Zufriedenheit“ – die Bedeutung der Bewertung im Arbeitszeugnis
Bedeutung der Bewertung im Arbeitszeugnis
Ausgangslage und Einordnung
Zuletzt wurde über einen Zeugnisberechtigungsanspruch jüngst bis in die zweite Instanz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg- Vorpommern gestritten (Urteil vom 2. Juli 2024 – 5 Sa 108/23). Der Kläger war von 2020 bis 2022 als Schulbegleiter/Integrationsassistent bei der Beklagten tätig. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt er ein Arbeitszeugnis mit der Bewertung „stets zu unserer Zufriedenheit“, was er als unterdurchschnittlich empfand. Der Kläger forderte eine Korrektur auf „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“, da die Integration des betreuten Kindes erfolgreich verlaufen sei. Das Arbeitsgericht wies seinen Antrag ab, da die vorhandene Formulierung einer durchschnittlichen Bewertung entspreche und der Kläger keine hinreichenden Tatsachen für eine bessere Beurteilung vorgetragen habe.
Inhalt der Entscheidung
Das LAG führte in seinem Urteil aus, dass eine durchschnittliche Bewertung angesichts der begrenzten Berufserfahrung des Klägers nachvollziehbar sei. Insbesondere setze eine überdurchschnittliche Bewertung häufig eine längere Berufserfahrung voraus, da erst diese regelmäßig zu einer besonders guten oder sehr guten Leistung führe. Der Kläger habe keine Nachweise erbracht, dass seine Leistungen im Vergleich zu anderen Schulbegleitern überdurchschnittlich waren. Zudem sei der Erfolg in der Schulbegleitung nur ein Teilaspekt der Gesamtbewertung. Weitere relevante Gesichtspunkte seien das Verhalten im Arbeitsverhältnis, die Beachtung von Weisungen und die Erfüllung von Nebenpflichten. Auch hier habe der Kläger keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, die eine überdurchschnittliche Beurteilung rechtfertigen würden. Hinsichtlich des Hilfsantrags entschied das LAG, dass sowohl die Formulierung „stets zu unserer Zufriedenheit“ als auch „zu unserer vollen Zufriedenheit“ der Note „befriedigend“ entsprächen. Die Wahl der konkreten Formulierung sei dem Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers überlassen.
Anwendung in der Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass ein*e Arbeitnehmer*in bei der gerichtlichen Geltendmachung eines Zeugnisberichtigungsanspruchs die Darlegungs- und Beweislast trägt, wenn er*sie einen Anspruch auf eine bessere Bewertung geltend macht. Hierfür müssen nicht nur die Erfolge der Arbeit aufgezeigt werden, sondern diese auch im Verhältnis zu den Leistungen vergleichbarer Arbeitnehmer*innen positiv bewertet werden.
Das Urteil hat noch einmal die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestätigt, indem die Formulierungshoheit im Rahmen eines qualifizierten Arbeitszeugnisses grundsätzlich bei dem Arbeitgeber liegt. Dieser darf zwischen mehreren gleichwertigen Formulierungen wählen.
Das qualifizierte Arbeitszeugnis in der Praxis
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist ein essenzielles Dokument, das der*die Arbeitnehmer*in gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO vom Arbeitgeber verlangen kann. Es geht über das einfache Zeugnis hinaus und muss sowohl die Art und Dauer der Beschäftigung als auch eine Bewertung der Leistung und des Verhaltens im Arbeitsverhältnis umfassen. Neben der Aufführung der wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit, Sorgfalt, Einsatzbereitschaft sowie die allgemeine Arbeitseinstellung des*der Arbeitnehmers* Arbeitnehmerin zu bewerten und die Berufserfahrung zu berücksichtigen. Zudem muss die Tätigkeit detailliert und präzise beschrieben werden.
In der Praxis hat sich eine Reihe von standardisierten Formulierungen etabliert, die oft einem bestimmten System folgen, das es den Leser*innen des Zeugnisses ermöglicht, die Qualität der erbrachten Leistungen zu erkennen. Arbeitgeber haben bei der Formulierung einen gewissen Spielraum, jedoch sollte der Inhalt so transparent und eindeutig wie möglich gestaltet sein, um Missverständnisse zu vermeiden. Ein „stets“ kann beispielsweise durch „immer“ oder „durchgehend“ ersetzt werden, sodass die Bewertung denselben Notenwert darstellt.
Folgende Formulierungen haben sich in der Praxis als bewährte Abstufungen herauskristallisiert:
- Sehr gut: Wird zum Ausdruck gebracht, indem die Formulierung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ verwendet wird. Diese Formulierung signalisiert, dass der*die Arbeitnehmer*in konstant herausragende Leistungen erbracht hat.
- Gut: Hier spricht man von „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“. Diese Formulierung steht für eine gute und verlässliche Leistung des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin.
- Befriedigend: Die Formulierungen „zu unserer vollen Zufriedenheit“ oder „stets zu unserer Zufriedenheit“ deuten auf eine durchschnittliche, den Anforderungen entsprechende Leistung hin.
- Ausreichend: Eine Leistung, die gerade noch den Anforderungen genügt, wird mit „zu unserer Zufriedenheit“ bewertet.
- Mangelhaft: Ein „im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ zeigt, dass die Leistungen des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin überwiegend enttäuscht haben.
- Ungenügend: Formulierungen wie „hat sich bemüht, die übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit auszuführen“ oder „führte die Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse durch“ deuten auf gravierende Mängel hin.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Arbeitszeugnis wohlwollend formuliert sein muss, ohne dabei den Anspruch auf eine wahrheitsgemäße Bewertung zu vernachlässigen. Der Arbeitgeber hat zwar die Freiheit, die Formulierungen individuell zu gestalten, sollte jedoch darauf achten, dass das Zeugnis insgesamt für den*die Leser*in nachvollziehbar und verständlich ist. Eine sorgfältige und klare Ausdrucksweise trägt dazu bei, Missverständnisse zu vermeiden und die Transparenz der Leistungsbewertung sicherzustellen.
Sollten Sie unsicher sein, wie Sie Ihre Arbeitszeugnisse am besten und sichersten formulieren, kommen Sie gerne jederzeit auf uns zu. Wir helfen Ihnen im konkreten Fall oder bieten auch spezielle informative Schulungen an, in denen wir die aktuelle Rechtsprechung aufbereiten und praktische Tipps mit auf den Weg geben.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.