Immobilienrecht: Gemeinden könnte bald auch ein Vorkaufsrecht bei „Share Deals“ zustehen
Ausgangslage
Den Gemeinden bzw. Bezirken steht nach §§ 24 ff. Baugesetzbuch in bestimmten Fällen ein Vorkaufsrecht bei Immobilientransaktionen zu. Das betrifft insbesondere Grundstücke in sog. „Milieuschutzgebieten“. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts rückt die Gemeinde an die Stelle des Erwerbers, der leer ausgeht. Hierdurch soll eine den städtebaulichen Zielen entsprechende Nutzung der Grundstücke gewährleistet werden. Nach der derzeitigen Regelung greift das Vorkaufsrecht im Grundsatz allerdings nur, wenn das Grundstück – nebst aufstehendem Gebäude – selbst verkauft wird („Asset Deal“). In der Praxis wird dagegen aus grunderwerbssteuerlichen Gründen ein nicht unerheblicher Teil aller Grundstückstransaktionen dergestalt vollzogen, dass die Gesellschaftsanteile an der das Grundstück haltenden Gesellschaft veräußert werden („Share Deal“) – und damit gerade kein gemeindliches Vorkaufsrecht entsteht.
Der Gesetzentwurf
Der Berliner Bausenator Sebastian Scheel (Die Linke) hat nunmehr einen Gesetzentwurf (BR-Drucks. 124/21) mit folgenden Eckpunkten über den Berliner Senat in den Bundesrat eingebracht, wonach den Gemeinden künftig auch im Falle eines Share Deals ein Vorkaufsrecht zustehen soll:
- Das Vorkaufsrecht soll sich fortan auf Vertragsgestaltungen erstrecken, die bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Verkauf eines Grundstücks gleichstehen. Es wird bewusst eine objektive Sicht angesetzt und das für die Behörde schwer zu beurteilende subjektive Merkmal eines „Umgehungsgeschäfts“ (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27.01.2012, Az. V ZR 272/10) vermieden.
- Um der Gemeinde Kenntnis von derartigen Rechtsvorgängen zu verschaffen, soll nunmehr auch öffentlichen Stellen wie Notaren, Gerichten und Behörden eine Anzeigepflicht auferlegt und die bereits bestehende Anzeigepflicht für Veräußerer und Erwerber künftig bußgeldbewährt werden.
- Auch bei anderen als klassischen Grundstücksverkäufen soll künftig eine Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst nach Erteilung des sog. „Negativattests“ über das Nichtbestehen bzw. die Nichtausübung seitens der Behörde erfolgen.
- Bei Share Deals tritt die Gemeinde nicht 1:1 in den Vertrag ein. Das heißt, es sollen nicht die Gesellschaftsanteile, sondern das Grundstückseigentum auf die Gemeinde übertragen werden.
- Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts soll von zwei auf vier Monate verlängert werden.
Ausblick
Die Gesetzesinitiative reiht sich nahtlos in die zunehmende Tendenz zur Regulierung des Wohnungsmarktes und der Immobilienbranche insgesamt ein (aktuell vor allem das sog. „Baulandsmobilisierungsgesetz“). Mit Beschluss vom 13.12.2019 (Az. 19 L 566.19) hatte das Verwaltungsgericht Berlin zudem bereits vor einem Jahr entschieden, dass der Bezirk die Vorlage von Kaufunterlagen zur Prüfung eines etwaigen gemeindlichen Vorkaufsrechts auch bei einem Share Deal anfordern kann. Durch das Inkrafttreten des Gesetzes würde der praktische Anwendungsbereich des gemeindlichen Vorkaufsrechts stark ausgeweitet. Gerade professionelle Immobilientransaktionen werden regelmäßig als Share Deal ausgestaltet. Allerdings sind der Ausübung durch den Haushalt Grenzen gesetzt. So machten die Berliner Bezirke etwa im Jahr 2019 nur in ca. 20 % der ernsthaft geprüften Fälle von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form der Gesetzesentwurf den Bundesrat passiert.