Das neue Erbschaftsteuergesetz
Nach heftigen Diskussionen über die Ausgestaltung der Änderungen des ErbStG hat sich die Koalition endlich auf ein neues ErbStG geeinigt, das ab dem 01.07.2016 gelten soll; die Zustimmung des Bundesrates wird am 08.07.2016 erwartet. Das neue ErbStG führt zu den folgenden Änderungen:
Die wichtigsten inhaltlichen Änderungen gegenüber dem derzeitigen ErbStG
- Unternehmensbewertung: Erfreulicherweise wird für eine realistische Unternehmensbewertung im sog. vereinfachten Ertragswertverfahren zur Bewertung des Unternehmenswerts der nachhaltig erzielbare durchschnittliche Jahresertrag des Unternehmens künftig mit einem niedrigeren Kapitalisierungsfaktor von 10 bis maximal 12,5 multipliziert (derzeit 17,86).
- Verschonungsregelungen bleiben erhalten: Auch in Zukunft bleibt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der Steuerbefreiung in Höhe von 85 % bis 100 %, wenn der Unternehmensnachfolger das Unternehmen fünf bzw. sieben Jahre fortführt und die Arbeitsplätze erhält. Dies gilt uneingeschränkt für mittelständische Unternehmen.
- Verschonungsabschlag für Großunternehmen: Der Verschonungsabschlag (85 % bzw. 100 %) für Betriebsvermögen ab 26 Millionen Euro mindert sich mit zunehmendem Unternehmenswert auf null Euro (um jeweils einen Prozentpunkt für jede 750.000 Euro, die der Unternehmenswert die Freigrenze von 26 Millionen Euro überschreitet). Bei der Regelverschonung wird ab einem Unternehmenswert ab 89,75 Millionen Euro, bei der Optionsverschonung ab einem Wert von 90 Millionen Euro, keine Verschonung mehr gewährt. Damit wird die ursprünglich vorgesehene Mindestverschonung für Großunternehmen aufgegeben.
- Neue Grenzen für die Lohnsummenregelung: Künftig sollen nur noch Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten von der Einhaltung der Lohnsummenregelung ausgenommen sein. Für Unternehmen mit über 5 Mitarbeitern gilt eine gestaffelte Lohnsummenregelung:
Mindestlohnsumme | Mindestlohnsumme | |
Unternehmen mit 5 bis 10 Mitarbeitern | 250 % | 500 % |
Unternehmen mit 11 bis 15 Mitarbeitern | 300 % | 565 % |
Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern | 400 % | 700 % |
- Beibehaltung des altbewährten Verwaltungsvermögenstests und Modifizierung des Verwaltungsvermögens:
Die Länder haben sich insoweit durchgesetzt, als dass der bereits erprobte Verwaltungsvermögenstest zur Abgrenzung von begünstigtem und nicht begünstigtem Betriebsvermögen auch weiterhin gilt. Dennoch wird künftig das Verwaltungsvermögen nicht mehr begünstigt, wobei 10 % des Verwaltungsvermögens wie begünstigtes Vermögen behandelt werden. Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Drittlandsbeteiligungen bei einer Holdinggesellschaft, Altersversorgungsverpflichtungen und verpachtete Grundstücke, die zum Zwecke des Absatzes von eigenen Produkten überlassen werden (z. B. bei Brauereigaststätten und Tankstellen), werden künftig begünstigt. Im Rahmen des Finanzmitteltests werden allerdings Geld und geldwerte Forderungen nur noch zu 15 % (statt 20 %) zum steuerrechtlich begünstigten Vermögen gerechnet. - Verwaltungsvermögensquote über 90 %: Neu ist der Ausschluss der Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen mit einer Verwaltungsvermögensquote von mehr als 90 %. Hierdurch sollen missbräuchliche Steuergestaltungen vermieden werden.
- Investitionsklausel im Erbfall: Mittel aus einem Erbe sind als erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen anzusetzen, sofern der Erblasser bestimmt, dass diese Mittel innerhalb von 2 Jahren nach seinem Erbfall in das Unternehmen investiert werden. Unklar ist derzeit noch, wie die Investitionsklausel im Rahmen der erbschaftsteuerlichen Begünstigungsprüfung behandelt wird.
- Neues Stundungsmodell im Erbfall: Neu ist die Einführung einer an keine besonderen Voraussetzungen anknüpfenden und zinsfreien Stundungsregelung für einen Zeitraum von 10 Jahren, die für alle Arten von begünstigtem Betriebsvermögen Geltung finden und insbesondere unabhängig davon gewährt werden soll, ob bereits andere Begünstigungsvoraussetzungen vorliegen und zum Tragen kommen. Unabhängig von der Größe des Betriebes und dessen Mitarbeiterzahl wird die Stundungsmöglichkeit aber an die Bedingung der Unternehmensfortführung mit Mindestlohnsumme geknüpft.
- Konsolidierung des Vermögens: Zur Vermeidung von Gestaltungen, die die Finanzverwaltung als missbräuchlich einstuft (Cash-GmbH, Kaskadeneffekt) soll künftig zum einen das Nettovermögen für die Besteuerung maßgeblich sein, indem die Schulden quotal dem Begünstigten und dem nicht begünstigten Vermögen zugeordnet werden. Zum anderen wird das Nettovermögen bei mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen konsolidiert ermittelt (Konzernbetrachtung).
- Verschonungsbedarfsprüfung: Die Gewährung der Steuerbegünstigungen bei größeren Unternehmen werden an eine Prüfung der Bedürftigkeit für die Steuerverschonung gekoppelt. Beim Erwerb von begünstigtem Vermögen mit einem Wert von mehr als 26 Millionen Euro (Freigrenze) wird die Erbschaftsteuer mit einer nur noch geminderten Begünstigung erhoben. Nur wenn der Erwerber nachweist, dass er die Erbschaftsteuer nicht aus 50 % seines miterworbenen oder bereits vorhandenen Privatvermögens leisten kann, kann er auf Antrag anstelle der geminderten Begünstigung einen Erlass unter der Bedingung der Unternehmensfortführung mit Mindestlohnsumme erhalten. Der Unternehmensnachfolger muss dem Finanzamt im Rahmen der Bedürfnisprüfung also künftig seine persönlichen Vermögensverhältnisse vollständig offenlegen.
- Steuerabschlag für streng vinkulierte Gesellschaftsanteile: Gänzlich neu ist ein besonderer Steuerabschlag auf den Unternehmenswert, wenn 2 Jahre vor der Übertragung und 20 Jahre nach der Übertragung enge Bindungen im Gesellschaftsvertrag für die übertragenen Gesellschaftsanteile kumulativ gelten (Beschränkungen für Entnahme/Gewinnausschüttung, Verfügungsmöglichkeiten nur für Angehörige, Abfindung deutlich unter Wert bei Ausscheiden). Der Steuerabschlag ist auf die prozentuale Minderung der in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag vereinbarten Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und auf maximal 30 % begrenzt.
- Grundsätzlich keine Rückwirkung: Alle früheren Erwerbe in den letzten 10 Jahren von derselben Person haben insoweit Auswirkungen, als dass sie steuerlich zu einem Gesamterwerb zusammengezogen werden. Auch Erwerbsvorgänge, die vor Inkrafttreten des neuen ErbStG verwirklicht wurden, werden für die Ermittlung der Freigrenze mit eingerechnet. Steuerbefreiungen, die aufgrund des noch geltenden ErbStG für frühere Erwerbe gewährt wurden, fallen nicht nach Inkrafttreten des neuen ErbStG weg. Die Besteuerung von Übertragungen vor Inkrafttreten der Neuregelung wird also nicht geändert.