Alles auf Anfang bei den Tankkarten: BMF vom 21. Januar 2025

Das „Vega International“-Urteil des EuGH aus dem Jahr 2019 hatte die Tankkartenbranche alarmiert, denn der EuGH entschied, bei Tankkartenumsätzen liege kein Kraftstoffreihengeschäft vor. In der Fachwelt ging man einhellig davon aus, dass das BMF seine Regelung von 2004 würde überarbeiten müssen. Fünf Jahre später geschieht nun: nichts.

Hintergrund

Wenn ein Unternehmen eine große Fahrzeugflotte unterhält, sind die Verbuchung und der Vorsteuerabzug aus den unzähligen Tankrechnungen mühsam. Vielen sind daher die Dienste von Tankkartenemittenten hochwillkommen: Man bekommt in der Regel monatlich nur eine einzige Rechnung über den getankten Kraftstoff der gesamten Flotte. Damit dies funktioniert, muss umsatzsteuerlich von einem Reihenliefergeschäft ausgegangen werden, bei dem die Tankstelle/das Mineralölunternehmen den Kraftstoff zunächst an den Kartenemittenten liefert und dieser dann wiederum eine Lieferung an den Kunden ausführt.

Bereits im Jahr im Jahr 2003 wurde diese Handhabung durch die Vorabentscheidung des EuGH in der Rechtssache „Auto Lease Holland“ (C-185/01, 6. Februar 2003) und die Nachfolgeentscheidung des BFH (V R 26/00, 10. April 2003) gestört. In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Leasinggesellschaft an den Leasingnehmer eine Tankkarte ausgegeben, die dem Leasingnehmer die Möglichkeit gab, im Namen und für Rechnung des Leasinggebers zu tanken. Der EuGH und ihm folgend der BFH gingen hier davon aus, dass die Tankstelle/das Mineralölunternehmen den Kraftstoff direkt an den Leasingnehmer liefere. Der Leasinggeber führe an den Leasingnehmer keine Kraftstofflieferung, sondern eine Finanzierungsdienstleistung aus. Grund war, dass der Kartenemittent keine Verfügungsmacht an dem Kraftstoff bekam.

Das BMF konnte diese Rechtsprechung zwar nicht ignorieren, schränkte den Anwendungsbereich aber mit Schreiben vom 15. Juni 2004 ein. Demnach blieb das Reihenliefergeschäft die Regel. Eine Finanzierungsleistung des Kartenemittenten sollte nur im Ausnahmefall vorliegen, dessen vom BMF definierte Bedingungen die Branche sodann sorgfältig vermied.

Am 15. Mai 2019 erging das EuGH-Urteil „Vega International“ zu einem Tankkartenfall (C-235/18), nach dem ebenfalls die Direktlieferung von Kraftstoff vom Mineralölunternehmen an den Tankkunden die Regel sein soll.

Ab November 2021 kursierte als Reaktion darauf der Entwurf eines BMF-Schreibens, wonach die Direktlieferung des Kraftstoffes vom Mineralölunternehmen an die Tankkunden die Regel und Ausnahmen nur bei Einhaltung sehr schwierig umzusetzender Kriterien möglich sein sollten. Noch im Laufe des Novembers zog das BMF den Entwurf zurück – man wollte lieber erst das Ergebnis der entsprechenden Beratung im Mehrwertsteuerausschuss der EU-Kommission abwarten. Dieser hat am 6. September 2023 Leitlinien veröffentlicht, die eine Behandlung als Reihengeschäft unter Rückgriff auf ein Kommissionsmodell erlaubten. Dabei kauft/verkauft der Kartenemittent den Kraftstoff im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung. Das Kommissionsmodell war eine kreative, aber durchaus logische Lösung für das Problem, denn auch im Falle der Kommission bekommt der Kommissionär keine Verfügungsmacht, aber die Kommissionsregel überwindet diesen Mangel.

Inzwischen ist ein weiteres EuGH-Urteil ergangen, das das Kommissionsmodell auch auf den Bereich der E-Mobilität überträgt (EuGH-Urteil C-60/23 vom 17. Oktober 2024).

Reaktion des BMF (Schreiben vom 21. Januar 2025) und praktische Bedeutung

Die Erwartung war, dass das BMF sein Schreiben zum Thema Tankkarten nun auf das Kommissionsmodell zuschneiden würde. Tatsächlich hält das Ministerium aber einfach an dem 20 Jahre alten Schreiben von 2004 fest und fügt kurz und knapp einen entsprechenden Hinweis in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass ein, dass die Aussagen des Schreibens nicht nur in Leasingfällen (wie bei Auto Lease Holland), sondern auch im Tankkartengeschäft Anwendung finden sollen. Dies ist eine absolute Überraschung.

Damit bleibt das Reihenliefergeschäft die Regel und die Finanzierungsleistung die Ausnahme. Dies widerspricht der Rechtsprechung des EuGH, der von einem umgekehrten Regel-Ausnahme-Verhältnis ausgeht. Für die Tankkartenbranche und für alle Unternehmen, die Tankkarten einsetzen, ist dies ein günstiges Ergebnis, weil die Voraussetzungen für ein Reihenliefergeschäft nach dem BMF-Schreiben von 2004 leichter einzuhalten sind:

  • Der Leasinggeber und der Leasingnehmer (bei Übertragung auf das Trankkartengeschäft: der Kartenemittent und der Kartenkunde) treffen keine gesonderte Vereinbarung über die Verwaltung von Kraftstoff oder regeln nicht sonstige vertragliche Beziehungen über eine Kreditgewährung beim Bezug von Mineralölprodukten.
  • Der Leasingnehmer (im Tankkartengeschäft der Kartenkunde) betankt das Fahrzeug für den beteiligten Tankstellenbetreiber erkennbar im Namen und für Rechnung des Leasinggebers (des Kartenemittenten). Diese Voraussetzung kann durch den Einsatz einer entsprechend bedruckten Tankkreditkarte erfüllt werden.
  • Der Leasinggeber (der Kartenemittent) hat von seiner Berechtigung, die Betankung in seinem Namen und für seine Rechnung – z. B. durch Sperrung der Tankkreditkarte – zu untersagen, keinen Gebrauch gemacht.
  • Das Entgelt für den Kraftstoff wird auf jeder Lieferstufe zwischen den beteiligten Parteien gesondert vereinbart. Jeder Lieferer trägt auf seiner Lieferstufe das Risiko des Zahlungsausfalls.
  • Bei Leistungsstörungen (z. B. in Gestalt einer Motorschädigung durch den getankten Kraftstoff) sind eventuelle Schadensersatzansprüche des Leasingnehmers (Tankkunde) gegenüber dem Leasinggeber (Kartenemittent) und Ansprüche des Leasinggebers gegenüber der Mineralölgesellschaft geltend zu machen.

Demgegenüber enthalten die Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses einige weitere Voraussetzungen:

  • Das Mineralölunternehmen überträgt das zivilrechtliche Eigentum am Kraftstoff auf den Kartenemittenten.
  • Die Leistung des Mineralölunternehmens an den Kartenemittenten und die Leistung des Kartenemittenten an den Kartenkunden müssen identisch sein.
  • Der Schadensersatzanspruch des Tankkunden gegen den Kartenemittenten muss vertraglicher Natur sein.
  • Der Kartenemittent entscheidet über die Bedingungen jedes Kaufs, einschließlich Qualität, Menge, Ort und Zeit der Lieferung, und dass der Tankkunde unmittelbar Zugriff bekommen darf, indem er jede individuelle Lieferung bestätigt.
  • Der Preis muss auf allen Ebenen des Reihengeschäfts individuell festgelegt werden.
  • Der Kartenemittent erhält für seine Dienstleistung als Kommissionär vom Tankkunden (bzw. je nach Ausgestaltung des Kommissionsgeschäfts vom Mineralölunternehmen) ein Entgelt.
  • Der Vertrag zwischen Kommittent und Kommissionär muss der wirtschaftlichen Realität entsprechen.

Möglicherweise können manche dieser Voraussetzungen auch in die Voraussetzungen des BMF-Schreibens von 2004 hineingelesen werden, andere hingegen eher nicht. Das BMF fand wohl, dass die Voraussetzungen der EuGH-Rechtsprechung und der Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses den Voraussetzungen des Ministeriums hinreichend ähneln, sodass eine konkrete Einbeziehung des Kommissionsmodells entbehrlich ist. In der Literatur wurde in Bezug auf die EuGH-Urteile Auto Lease Holland und Vega International teilweise auch vertreten, sie seien nicht verallgemeinerungsfähig. In jedem Fall gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Das heißt, selbst wenn die Finanzämter in ihren Anforderungen an ein Reihenliefergeschäft hinter denen von EuGH und Mehrwertsteuerausschuss zurückbleiben, wird wahrscheinlich kein Steuerpflichtiger dagegen klagen.

Die Tankkartenbranche kann momentan davon ausgehen, dass ein Modell, das bislang nicht beanstandet wurde, auch in Zukunft nicht beanstandet wird. Wer in grenzüberschreitende Tankkartengeschäfte involviert ist, muss jedoch die Rechtsauffassung der anderen betroffenen Länder berücksichtigen. Das BMF-Schreiben behandelt außerdem nicht den Bereich der E-Mobilität. Hier dürften dann die etwas strengeren Anforderungen des Kommissionsmodells zu beachten sein, da der EuGH dies in seinem Urteil C-60/23 vom 17. Oktober 2024 ausdrücklich für anwendbar erklärt hat.

Want to know more?