Verrechnungssteuer: Entscheid über die «Nutzungsberechtigung» bei Rückforderungen basierend auf einem DBA

Das Bundesgericht hat sich in seinem aktuellen Urteil vom 3. Oktober 2024 mit dem Begriff des «Nutzungsberechtigten» an verrechnungssteuerbelasteten Erträgen auseinandergesetzt und die Nutzungsberechtigung, welche Voraussetzung für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer ist, in diesem Fall bejaht.

Aktueller Entscheid des Bundesgerichts 

Streitgegenstand (BGer Urteil 9C_635/2023) war die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Zinsen aus zwei Schweizer Bundesanleihen an ein dänisches Finanzinstitut. Dieses hatte zu viel Liquidität in USD gehabt und im Rahmen der Investmentstrategie die Anleihen erworben. Zur Bezahlung des Kaufpreises wurde der entsprechende Betrag in USD in CHF umgetauscht, wodurch ein Währungsrisiko in CHF entstanden war. Um dieses Währungsrisiko zu eliminieren wurden «Cross-Currency Rate Swaps» mit Investmentbanken abgeschlossen, wobei die Bedingungen und Laufzeiten der Cross-Currency Rate Swaps und der Anleihen aufeinander abgestimmt waren. Das Finanzinstitut beantragte die Rückerstattung der Verrechnungssteuer und berief sich auf das Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Dänemark (DBA CH-DK), welches eine Besteuerung der Zinsen nur in Dänemark vorsieht. 

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) und das Bundesverwaltungsgericht (BVGer Urteil A-2121/2020) verneinten jedoch den Anspruch auf Rückerstattung. Zwar war das Finanzinstitut in Dänemark ansässig, jedoch wurde es nicht als «Nutzungsberechtigter» der Zinsen aus den Bundesanleihen anerkannt. Durch den Mechanismus der Cross-Currency Rate Swaps verlor das Finanzinstitut aus Sicht der beiden Instanzen die wirtschaftliche Nutzungsberechtigung an den Zinsen, weshalb die DBA-Voraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. 

Das Kriterium der Nutzungsberechtigung ist erfüllt 

Die «effektive Nutzungsberechtigung» an den zugrunde liegenden Zinsen ist Voraussetzung für die Rückforderung der abgezogenen Verrechnungssteuer basierend auf dem DBA CH-DK. Der «effektive Nutzungsberechtigte» ist die Person, die das Recht hat, über diese Zinsen zu verfügen und sie ohne Einschränkungen zu nutzen. Eine vertragliche oder gesetzliche Weiterleitungspflicht der erhaltenen Zinsen an nicht abkommensberechtigte Personen führt dazu, dass der Zinsempfänger keine Nutzungsberechtigung an diesen Einkünften hat. Zahlungspflichten des Empfängers stellen dann eine für die Nutzungsberechtigung schädliche Verpflichtung zur Weiterleitung einer Einkunft dar, wenn die Zahlung oder zumindest die Höhe davon abhängt, dass der Empfänger die Einkunft erzielt. 

Das Bundesgericht ist zum Schluss gekommen, dass das Finanzinstitut vorliegend unter den Cross-Currency Rate Swaps auch dann zur Zahlung an ihre Gegenparteien verpflichtet gewesen wäre, wenn die Eidgenossenschaft ihre Zinspflichten auf den Bundesanleihen nicht oder nicht vollständig erfüllt hätte. Wenn der Empfänger zumindest dieses Ausfallrisiko trägt, lässt die Übertragung des Zinsänderungs-, des Währungsrisikos und anderer Marktrisiken die Zahlungspflicht noch nicht als schädliche Weiterleitungsverpflichtung erscheinen. Dies ist ein zentraler Unterschied zu Total Return Swaps und ähnlichen Geschäften, bei denen der Empfänger bei Ausfall der verrechnungssteuerbelasteten Einkunft jeweils keine Zahlung mehr schuldet.    

Möglicher Abkommensmissbrauch? 

Das Bundesgericht hat weiter ausgeführt, dass die Schweiz völkerrechtlich jedoch nicht absolut verpflichtet ist, die Entlastung von der Verrechnungssteuer automatisch zu gewähren, wenn einem Zinsempfänger die Nutzungsberechtigung nicht abgesprochen werden kann und somit die Voraussetzungen des Zinsartikels im DBA erfüllt sind. Die Entlastung kann bei Vorliegen von Abkommensmissbrauch verweigert werden. Abkommensmissbrauch liegt vor, wenn der Abkommensvorteil einer nicht berechtigten Person zugutekommt und die Schweiz nach Treu und Glauben die Entlastung einer ansässigen Person in einer vergleichbaren Situation auch nicht gewährt hätte. Gemäss Schweizer Steuerrecht wäre dies insbesondere bei Vorliegen einer Steuerumgehung der Fall. Eine Steuerumgehung liegt nach internem Recht vor, wenn: 

  1. eine gewählte Rechtsgestaltung ungewöhnlich, sachwidrig oder absonderlich erscheint, 
  2. anzunehmen ist, dass diese missbräuchlich lediglich zum Zweck der Steuerersparnis getroffen wurde, und 
  3. das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis führen würde. 

Im aktuellen Fall wurde die Frage, ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt, zur weiteren Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. 

Wie ist dieser Entscheid in der Praxis einzuordnen? 

Das Urteil des Bundesgerichts ist zu begrüssen und schafft insbesondere Klarheit, dass ein Dividenden- oder Zinsempfänger bei Vorliegen von Swap-Geschäften nicht automatisch die Nutzungsberechtigung und damit die DBA-Vorteile verliert. Es wird deutlich, dass die Nutzungsberechtigung und die Frage eines möglichen Abkommensmissbrauchs zwei getrennte Sachverhalte sind, die unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Im konkreten Fall bleibt abzuwarten, ob die Rückerstattung tatsächlich gewährt wird, da das Bundesverwaltungsgericht noch prüfen muss, ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt. 

Gestützt auf die Ausführungen des Bundesgerichts sollte die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Schweizer Wertschriften in Zukunft grundsätzlich möglich sein, solange der im DBA Staat ansässige Ertragsempfänger das entsprechende Ausfallrisiko auf den Wertschriften trägt und der Erwerb der Wertschriften nicht aus rein steuerlichen Motiven erfolgt ist. 

Für Investoren in Schweizer Wertschriften empfiehlt es sich weiterhin, mögliche Steuerrisiken vor dem Abschliessen von Swap-Geschäften oder vergleichbaren Transaktionen mit diesen Wertschriften abzuklären. Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts gibt dazu wichtige Anhaltspunkte unter welchen Bedingungen die Abkommensvorteile verweigert werden. 

Beitrag von André Kuhn, Yann Waeber, Dominique Roggo und Grégory Sarbach 

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