Sind interne, privatrechtliche Untersuchungen nur ein Schatten der Justiz oder ein essenzielles Werkzeug für Unternehmen?

Das Bundesgericht stellt klar, dass strafprozessuale Garantien nicht auf interne Untersuchungen anwendbar sind.

Stellen Sie sich vor: In Ihrem Unternehmen gibt es einen Verdacht auf wirtschaftskriminelles Verhalten eines Mitarbeitenden. 

Die Atmosphäre ist angespannt, die Geschäftsleitung setzt alle Hebel in Bewegung, um Klarheit zu schaffen. Statt ein Strafverfahren einzuleiten, entscheidet sich die Geschäftsleitung jedoch für eine interne Untersuchung. Es folgt ein Balanceakt zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und rechtlichen Vorgaben. Ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (4A_368/2023) sorgt für Klarheit, wann interne Untersuchungen den Rahmen des Erlaubten verlassen – und welche Rechte Betroffene in diesem Prozess tatsächlich haben.

Unterschiede in Natur und Zweck

Obwohl interne Untersuchungen und Strafprozesse auf den ersten Blick beide auf die Aufklärung von Fehlverhalten abzielen, unterscheiden sie sich fundamental in ihrer Natur und ihrem Zweck. Strafprozesse verfolgen einen strengen Verfahrensablauf und sind darauf ausgerichtet, Straftaten zu ahnden und Rechtssicherheit herzustellen. Im Gegensatz dazu dienen interne Untersuchungen dem Schutz der Interessen des Unternehmens, sei es zur Klärung eines Verdachts, zur Schadensbegrenzung oder zur Erhaltung des guten Rufs. Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 19. Januar 2024 (4A_368/2023) betont die Eigenverantwortung der Unternehmen, warnt jedoch vor rechtlichen Grauzonen bei fehlender Expertise. Dies gilt insbesondere bei grenzüberschreitenden internen Untersuchungen.

Unterschiede beim rechtlichen Rahmen

Der rechtliche Rahmen ist der wohl markanteste Unterschied zwischen internen Untersuchungen und Strafprozessen. Während Strafprozesse der Strafprozessordnung unterliegen und umfassende Verfahrensrechte garantieren, finden interne Untersuchungen im Rahmen des Privatrechts statt. Hier sind vor allem das Obligationenrecht und interne Unternehmensrichtlinien massgebend. Das Bundesgericht stellte im Urteil klar, dass strafprozessuale Garantien – etwa das Recht auf einen Anwalt oder die Unschuldsvermutung – bei internen Untersuchungen keine unmittelbare Anwendung finden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Unternehmen uneingeschränkt handeln dürfen. Eine sorgfältige und faire Durchführung ist entscheidend, um die Ergebnisse rechtlich abzusichern.

Unterschiede im Verfahrensablauf

In Strafprozessen führt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen und entscheidet über Anklageerhebung. Die Rechte der beschuldigten Person, wie Akteneinsicht oder Verteidigung, sind zentraler Bestandteil des Verfahrens. Bei internen Untersuchungen haben betroffene Personen oft weniger weitrechende Rechte. Das Bundesgericht urteilte beispielsweise, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, Betroffene vorab detailliert über den Zweck der Befragung zu informieren – es genügt, dies zu Beginn des Gesprächs zu tun. Das Bundesgericht stellte zudem klar, dass das Fehlen einer Vertrauensperson während der Befragung keine Rechtsverletzung ist – selbst wenn interne Richtlinien der beschuldigten Person ein solches Recht einräumen.

Unterschiede bei den Konsequenzen und Sanktionen

Die Folgen von Strafprozessen und internen Untersuchungen sind grundverschieden. Im Strafverfahren kann der Staat autoritativ Geld- oder Freiheitsstrafen aussprechen, während interne Untersuchungen oft disziplinarische Massnahmen wie Kündigungen nach sich ziehen. Das Bundesgericht bestätigte in dem erwähnten Urteil die Zulässigkeit von Verdachtskündigungen, sofern «umfangreiche Abklärungen» durch Spezialisten erfolgten. Gemäss Bundesgericht sind somit «Verdachtskündigungen zulässig und nicht einmal dann missbräuchlich, wenn sich der Verdacht später als unbegründet erweist. Daraus erhellt, dass der Arbeitgeber nicht beweisen muss, dass die Vorwürfe zutreffen».

Fazit

Interne Untersuchungen und Strafprozesse bewegen sich auf unterschiedlichen rechtlichen und operativen Ebenen. Das Urteil des Bundesgerichts vom 19. Januar 2024 macht deutlich: Unternehmen müssen bei internen Untersuchungen klare Regeln beachten. Die Herausforderung liegt in der professionellen Umsetzung – und genau hier zeigt sich, wie entscheidend spezialisierte Expertise ist. Professionelle Unterstützung bei internen Untersuchungen gewährleistet nicht nur die rechtliche Absicherung des Verfahrens, sondern schützt auch den Ruf des Unternehmens und stellt sicher, dass aus einer Krise keine Katastrophe wird. 

Sind nun interne, privatrechtliche Untersuchungen nur ein Schatten der Justiz oder ein essenzielles Werkzeug für Unternehmen?

Interne Untersuchungen stellen ein unverzichtbares Instrument für Unternehmen dar. Sie helfen Fehlverhalten aufzudecken, Schäden zu minimieren, den Ruf des Unternehmens zu bewahren, interne Kontrollsysteme zu stärken und eine langfristige Compliance-Kultur zu fördern.
 

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