Änderung der Praxis zu Zinssätzen bei Darlehen zwischen nahestehenden Personen: Neue Anforderungen für Unternehmen

Am 17. Juli 2024 hat das Bundesgericht im Urteil 9C_690/2022 eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Die Rechtsfrage drehte sich um die korrekte Anwendung der sogenannten Safe-Harbour-Zinssätze für Darlehen zwischen nahestehenden Personen. Nachdem ein Steuerpflichtiger von den publizierten Safe-Harbour-Zinssätzen der Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) abgewichen war, wurde der Fall bis zur letzten Instanz gezogen.

Sachverhalt

Eine ausländische Konzerngesellschaft gewährte einer schweizerischen Betriebsstätte einer anderen ausländischen Konzerngesellschaft ein unbesichertes Darlehen in Höhe von CHF 0,5 Mrd. zu einem Zinssatz von 2,5% und eine Kontokorrentkreditlinie in Höhe von CHF 0,5 Mrd. zu einem Zinssatz von 3,0%. Im Rahmen der Veranlagung der direkten Bundessteuer sowie der Staats- und Gemeindesteuern Zürich erachtete das Kantonale Steueramt Zürich diese Zinssätze nicht als fremdvergleichskonform und akzeptierte lediglich 1,08%. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erachtete die Zinssätze zwar ebenfalls als nicht fremdvergleichskonform, nahm aber nur eine Anpassung in Höhe der Differenz zu den Höchstzinssätzen gemäss dem jährlichen Zinsrundschreiben der ESTV vor (1,5 % und 2,0 % in den betreffenden Steuerperioden).

Im Kern stellt das Bundesgericht klar, dass Steuerpflichtige, die von den Safe-Harbour-Zinssätzen abweichen, keinen Schutz mehr durch das ESTV-Rundschreiben geniessen, wenn sie keinen Nachweis der Marktkonformität des Zinssatzes erbringen können. In solchen Fällen darf die Steuerbehörde einen marktkonformen Zinssatz ermitteln, der sogar niedriger sein kann als die maximal zulässigen Safe-Harbour-Zinssätze. Dieser Entscheid erhöht das Steuerrisiko bei Darlehen zwischen nahestehenden Personen, wenn die vereinbarten Zinssätze von den Safe-Harbour-Zinssätzen der ESTV abweichen.

Was ist der Hintergrund des neuen Entscheides zu Zinssätzen bei Darlehen zwischen nahestehenden Personen?

Bei Darlehen zwischen nahestehenden Personen gilt in der Schweiz der Grundsatz des Drittvergleichs. Die ESTV veröffentlicht jährlich Rundschreiben mit Safe-Harbour-Zinssätzen, welche durch die Steuerbehörden grundsätzlich ohne weiteren Nachweis durch die steuerpflichtige Person als drittkonform und somit geschäftsmässig begründet betrachtet werden. Die publizierten Zinssätze dienen somit einer vereinfachten Anwendung des Drittvergleichs für Darlehen zwischen Gesellschaften und deren nahestehenden Personen.

Durch die Harmonisierung der Steuergesetzgebung gelten diese Safe-Harbour-Regeln nicht nur für die direkte Bundessteuer und die Verrechnungssteuer, sondern auch für die kantonalen und kommunalen Steuern. Dadurch wird eine einheitliche steuerliche Anwendung des Drittvergleichs in Bezug auf Zinssätze zwischen nahestehenden Personen in der gesamten Schweiz gewährleistet.

Wenn sich ein Steuerpflichtiger an die Safe-Harbour-Zinssätze hält, geht die Steuerbehörde davon aus, dass keine geldwerte Leistung vorliegt. Weicht ein Steuerpflichtiger jedoch von diesen Zinssätzen ab, muss dieser nachweisen, dass der verwendete Zinssatz marktüblich ist und einem Drittvergleich standhält. Falls dieser Nachweis nicht gelingt, wurde nach der bisherigen Praxis der Steuerbehörden eine geldwerte Leistung in der Differenz zwischen dem angewendeten Zinssatz und dem Safe-Harbour-Zinssatz angenommen.

Das Bundesgericht hat im vorliegenden Entscheid nun bestätigt, dass die Steuerbehörden in einem solchen Fall bei der Festsetzung der geldwerten Leistung nicht mehr an die Safe-Harbour-Zinssätze gebunden sind. In diesem Fall kann ein marktkonformer Zinssatz ermittelt werden, welcher sogar unter dem maximalen Safe-Harbour-Zinssatz liegt. Die geldwerte Leistung ergibt sich sodann neu aus der Differenz zwischen dem tatsächlich angewendeten Zinssatz und dem von den Steuerbehörden festgelegten marktkonformen Zinssatz.

Betrifft dieser Entscheid auch mein Unternehmen?

Ob Ihr Unternehmen von diesem Entscheid betroffen ist, hängt davon ab, ob Darlehen an Gesellschafter oder an andere Gruppengesellschaften gewährt werden und wie die Verzinsung dieser Darlehen ausgestaltet ist. Sämtliche Darlehen an nahestehende Personen, bei welchen die vereinbarten Zinssätze von den Safe-Harbour-Zinssätzen abweichen, sollten im Lichte des vorliegenden Gerichtsentscheids überprüft werden.

Darlehen zwischen unabhängigen Dritten und Darlehen zwischen nahestehenden Personen, bei welchen sich die Verzinsung an den Safe-Harbour-Zinssätzen orientiert, sind nicht betroffen.

Welche Massnahmen muss mein Unternehmen jetzt ergreifen?

Um das Steuerrisiko zu minimieren, sollte für sämtliche betroffenen Darlehen in jedem Jahr eine Dokumentation erstellt werden, mit welcher nachgewiesen werden kann, dass der abweichende Zinssatz marktkonform ist. Falls der administrative Aufwand einer solchen Dokumentation vermieden oder das Steuerrisiko ganz eliminiert werden soll, ist die Verzinsung der Darlehen gemäss den Safe-Harbour-Zinssätzen abzuändern. Dies sollte insbesondere bei Darlehen geprüft werden, bei welchen der vereinbarte Zinssatz nur minimal vom Safe-Harbour-Zinssatz abweicht und die deshalb ein überproportionales Risiko aufweisen.

Im Fall einer nicht marktkonformen Verzinsung kann die Aufrechnung einer geldwerten Leistung sowohl Gewinn- wie auch Verrechnungssteuerfolgen mit sich führen, welche insbesondere im internationalen Kontext erheblich sein können.

Schlussfolgerung

Das Urteil des Bundesgerichts vom 17. Juli 2024 erhöht das Steuerrisiko bei Darlehen zwischen nahestehenden Personen. Diese sollten nun proaktiv handeln, um sicherzustellen, dass sie die Anforderungen der neuen Rechtsprechung erfüllen. Durch eine sorgfältige Überprüfung Ihrer Finanzierungsstruktur respektive durch die Einhaltung der Safe-Harbour-Zinssatz können Sie sicherstellen, dass Ihr Unternehmen weiterhin steuerlich optimal aufgestellt ist.

Sollten Sie Fragen haben, unterstützen wir Sie gerne dabei.

Beitrag von André Kuhn, Sara Krisch und Aleksa Koljancic

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