Best Practices im Vertragsrecht: Die in einem Vertrag vereinbarte Form - eine entscheidende Frage

Der zweite Artikel aus unserer Reihe über Best Practices für Unternehmen befasst sich mit den Herausforderungen, die sich aus der Form eines Vertrags ergeben können.

Muss ich für den Abschluss bzw. die Änderung eines Vertrags die Schriftform vorsehen?

In der Praxis sehen viele Unternehmen - oft aus Gewohnheit - in ihren Verträgen vor, dass der Abschluss und jede anschliessende Änderung sowie die Kündigung von Verträgen der Schriftform bedürfen, obwohl dies nicht unbedingt gesetzlich vorgeschrieben ist. Dabei ist man sich häufig weder der Gültigkeitsvorschriften der Schriftform noch der damit verbundenen praktischen Auswirkungen bewusst (z.B. die Notwendigkeit, rasch die eigenhändige Originalunterschrift einer Person im Ausland zu erhalten). Schlussendlich kann die Nichteinhaltung der Schriftform (z.B. nicht qualifizierte elektronische Signatur) beim Abschluss eines Vertrags, sowie bei seiner Änderung oder Kündigung weitreichende Folgen haben. Wird die im Vertrag vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist die betreffende Handlung allenfalls sogar nichtig.

Die richtige Konsequenz: Die gesetzlichen Anforderungen kennen und dann die für die eigenen Bedürfnisse geeignete Form bestimmen!

  1. Prüfen, was das Gesetz für den jeweiligen Vertrag vorsieht. Abhängig von der Art des Vertrags, den die Parteien abschliessen möchten (z.B. Arbeitsvertrag, Darlehensvertrag, Auftrag, Lizenzvertrag, Vertriebsvertrag usw.) und/oder dessen Bestimmungen, sollte abgeklärt werden, ob das Gesetz eine spezifische Form vorschreibt. Zum Beispiel erfordern bei einem Arbeitsvertrag gewisse Abweichungen von den Bestimmungen des Obligationenrechts ("OR") der Einhaltung der Schriftform (z.B.: Änderung der Kündigungsfristen nach Art. 335c Abs. 2 OR). Wenn das Gesetz keine besonderen Anforderungen an die Form des Vertrags vorsieht, dann ist diese frei wählbar.
  2. Die passende Form für die jeweiligen Bedürfnisse wählen. Wenn die Form des Vertrags frei wählbar ist, sollte diejenige Form gewählt werden, die den Bedürfnissen des Unternehmens (z.B. handelt es sich um ein Unternehmen mit einem umfangreichen Digitalisierungssystem oder um ein Unternehmen, das alle Dokumente in Papierform aufbewahrt) und der jeweiligen Situation (z.B. werden Arbeitsverträge unterzeichnet, allgemeine Geschäftsbedingungen angenommen oder ein Vertrag mit einem Lieferanten über sehr hohe Beträge unterschrieben) am besten entspricht. Wenn die Parteien eine besondere Form für einen Vertrag vereinbaren, sind sie erst mit der Erfüllung dieser Form vertraglich gebunden. Bei Vertragsänderungen kommt es letztlich auf die Formulierung an. Zu beachten ist zudem, dass auch eine bestimmte Versandart vorgesehen werden kann (z.B. A+-Post, Einschreiben, E-Mail, Fax, DHL usw.). Gesamthaft ist es wichtig, eine klare Formulierung zu wählen, die keinen Raum für Interpretationen lässt und man sich den spezifischen Anforderungen der gewählten Form bewusst ist.
  • Schriftform, einige Hinweise: Wenn die Parteien die Schriftform vereinbaren, ohne nähere Angaben zu machen, gelten die gesetzlichen Bestimmungen über diese Form. Demnach muss der Vertrag von allen Personen, denen er Verpflichtungen auferlegt, unterzeichnet werden. Die Unterschrift kann handschriftlich oder elektronisch erfolgen. Im letzteren Fall gelten die Anforderungen des Bundesgesetzes über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (SR 943.03). Zu beachten ist, dass in der Schweiz nur vier Anbieter von qualifizierten elektronischen Signaturen anerkannt sind. Es handelt sich dabei um Swisscom (Schweiz) AG, QuoVadis Trustlink Schweiz AG, SwissSign AG und das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation. Dies bedeutet, dass eine elektronische Signatur eines anderen Anbieters, wie DocuSign oder Adobe, nicht den Anforderungen der Schriftform genügt. Zudem muss das unterzeichnete Dokument in der Regel im Original an die andere Partei übermittelt werden. Zu beachten ist dabei, dass das Bundesgericht die Frage, ob der Versand von Kopien unterzeichneter Originaldokumente per Fax oder E-Mail die Anforderungen an die Schriftform im Sinne von Art. 14 Abs. 2bis OR erfüllt, noch nicht abschliessend geklärt hat.
  • Andere mögliche Formen: Es ist durchaus möglich, die Form eines Vertrags so zu wählen, dass sie den Bedürfnissen des Unternehmens und der Art und Weise, wie es seine Dokumente aufbewahrt, am besten entspricht. So ist es beispielsweise denkbar, im Vertrag ausdrücklich vorzusehen, dass: (i) ein Dokument mit der im Unternehmen verwendeten elektronischen Signatur unterzeichnet werden kann, auch wenn diese nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 2bis OR anerkannt ist; (ii) der Versand einer gescannten Kopie eines handschriftlich oder elektronisch unterzeichneten Dokuments per E-Mail (auch mit einer Signatur, die nicht den Kriterien von Art. 14 Abs. 2bis OR entspricht) gültig ist, (iii) eine gescannte Unterschrift ausreichend ist und/oder (iv) der Versand eines elektronisch unterzeichneten und dann ausgedruckten Dokuments per Post gültig ist.

Empfehlungen

Wenn Sie einen Vertrag ändern möchten (z.B. Kündigung, Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen usw.) oder Ihr Geschäftspartner Sie über eine Änderung/Kündigung des Vertrags benachrichtigt, ist es wichtig:

  • Die im Basisvertrag und gegebenenfalls in den Zusatzverträgen genannten Anforderungen genau zu analysieren;
  • Die im Vertrag genannte Form einzuhalten, wenn Sie der Urheber der Änderung sind. Wenn dies nicht möglich ist, analysieren Sie vorab die Folgen der Nichteinhaltung dieser Form;
  • Zu prüfen, ob die geplante Versandart (z.B. E-Mail, Einschreiben, Fax usw.) mit dem Inhalt des Vertrags übereinstimmt;
  • Wenn Ihr Vertragspartner die erforderliche Form nicht eingehalten hat und Sie mit den Änderungen nicht einverstanden sind, die rechtlichen Folgen zu ermitteln und entsprechend zu handeln (z. B. ein Schreiben zu versenden, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Kündigung des Vertrags mangels gültiger Form ungültig ist).

Wenn Sie einen Vertrag aufsetzen oder aushandeln, empfehlen wir Ihnen unter anderem:

  • Zu analysieren, ob das auf den Vertrag anwendbare Recht, eine bestimmte Form (z. B. öffentliche Beurkundung, Schriftform, qualifizierte Schriftform usw.) für den betreffenden Vertrag oder gewisse Bestimmungen des Vertrags vorsieht;
  • Die Form, die Ihnen zusagt, klar zu definieren und im Vertrag vorzusehen;
  • Bei Verhandlungen, wenn Ihre Vertragspartnerin oder Ihr Vertragspartner die von Ihnen gewünschte Form nicht akzeptiert, die Auswirkungen der vorgeschlagenen Form genau zu analysieren.

Wie können wir Ihnen helfen?

  • Bei Vertragsverhandlungen begleiten wir Sie, damit Sie die Folgen der gewählten Form vollständig verstehen und helfen Ihnen auch bei der Aushandlung von Änderungen.
  • Bei der Erstellung eines Vertrags analysieren wir gemeinsam mit Ihnen Ihre Bedürfnisse und bestimmen - unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen - die geeignete Form. Wir schlagen Ihnen eine Formulierung vor, die Sie in Ihren Vertrag aufnehmen können.
  • Wenn ein Problem im Zusammenhang mit der Form eines Vertrags auftritt (z.B. Anfechtung einer Kündigung, weil die im Vertrag genannte Form nicht eingehalten wurde), helfen wir Ihnen, (i) den Vertrag zu analysieren, (ii) zu prüfen, ob Sie korrekt vorgegangen sind, (iii) die Risiken und Folgen, insbesondere finanzieller Art, zu bestimmen und (iv) eine Lösung zu finden (z.B. durch Verhandlungen mit Ihrem Vertragspartner oder durch Vorschläge, welche Massnahmen Sie ergreifen sollten, um das Problem zu beheben).

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