Neue Erkenntnisse über die Meldepflichten bei grenzüberschreitenden Gestaltungen - DAC6
Neue Erkenntnisse über die DAC6-Meldepflichten
In unserem letzten Newsletter vom Oktober 2019 haben wir über die Änderung der Richtlinie über den obligatorischen automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen («DAC6») berichtet, da die Europäische Union (EU) zusätzliche Massnahmen ergriffen hat für Steuermodelle mit potenziell aggressivem Charakter sowie zur Verbesserung der Transparenz. In diesem Artikel kommen wir nochmals auf die von der EU am 24. Juni 2020 beschlossenen Grundprinzipien und Terminänderungen zu sprechen.
Erläuterung einiger Grundprinzipien
Zur Erinnerung, diese Richtlinie betrifft grenzüberschreitende Gestaltungen, in die mehr als ein Mitgliedsstaat der EU oder ein Mitgliedsstaat der EU und ein Drittland involviert sind. Der Begriff «Gestaltung» selbst wird in der Richtlinie nicht definiert. Es scheint jedoch, dass dieser Begriff weit gefasst ist und nicht unbedingt für ein unangemessenes Verhalten oder eine vorsätzliche Handlung des Steuerpflichtigen zur Erlangung eines Steuervorteils stehen muss. Es reicht aus, dass bestimmte Kennzeichen («Hallmarks») die in der Richtlinie aufgeführten Bedingungen erfüllen und/oder dass es sich bei dem ‚Main benefit’ oder dem erwarteten Vorteil der Gestaltung um einen Steuervorteil handelt, damit die Gestaltung als meldepflichtig gilt.
Intermediäre, die Beratungsleistungen erbringen in Bezug auf Gestaltungen mit einem grenzüberschreitenden Kennzeichen mit der EU, sind von der Meldepflicht betroffen, falls sie selbst in der EU ansässig sind. Dies betrifft beispielsweise Personen, die Dienstleistungen im Bereich Steuerberatung erbringen, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Banken. Gibt es keinen der Meldepflicht gemäss DAC6 unterstehenden Intermediär – etwa weil dieser über eine Freistellung verfügt oder nicht in der EU ansässig ist - obliegt es dem Steuerpflichtigen selbst, die Informationen über die meldepflichtige, grenzüberschreitende Gestaltung zu übermitteln.
Neue Termine!
Die Richtlinie sieht vor, dass die Meldung ab dem 1. Juli 2020 innerhalb von 30 Tagen erfolgen muss. Die Frist beginnt a) an dem Tag, nachdem die meldepflichtige grenzüberschreitenden Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird, b) an dem Tag, nachdem die meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung umsetzungsbereit ist oder c), wenn der erste Schritt der Umsetzung der meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung gemacht wurde, je nachdem, was früher eintritt. Somit kann die Frist bereits zu laufen beginnen, wenn eine Einrichtung ein Memorandum verfasst oder einen Rulingantrag einreicht.
Als Reaktion auf die Corona-Pandemie hat der EU-Rat am 24. Juni 2020 eine Richtlinie veröffentlicht im Hinblick auf die dringend erforderliche Verschiebung bestimmter Fristen für die Meldung und den Austausch von Informationen im Steuerbereich. Die Mitgliedsstaaten hatten die Möglichkeit, die Fristen gemäss dem nachfolgenden Terminkalender um bis zu sechs Monate zu verschieben:
- Der Beginn der Meldepflicht für grenzüberschreitende Gestaltungen wird auf den 21. Januar 2021 verschoben (ursprünglich 1. Juli 2020), mit einer ersten Meldung per 30. Januar 2021 (ursprünglich 31. Juli 2020).
- Für Gestaltungen, die zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 30. Juni 2020 umgesetzt werden, wird die Meldefrist bis zum 28. Februar 2021 (ursprünglich 31. August 2020) verlängert.
- Erster Informationsaustausch zwischen Mitgliedsstaaten bis spätestens 30. April 2021.
Es muss daher für jeden betroffenen Mitgliedsstaat geprüft werden, ob er von der Möglichkeit der Fristverlängerung Gebrauch gemacht hat. Ist dies nicht der Fall, gelten weiterhin die ursprünglichen Fristen.
Zum Schluss noch ein paar Beispiele typischer Merkmale
- Anwendung von «Safe haven»-Zinssätzen gemäss Rundschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV): Gemäss der DAC6-Richtlinie betrifft eines der Kennzeichen die Transferpreise, namentlich bei Gestaltungen, welche die Verwendung unilateraler Safe-Haven-Regeln vorsieht. Dieser Fall könnte beispielsweise bei konzerninternen Darlehen zwischen einem Schweizer Unternehmen und seiner in der EU ansässigen Tochtergesellschaft eintreten. Aktuell steht noch nicht fest, ob dieses Kennzeichen unmittelbar für das Rundschreiben über die von der ESTV gewährten Zinssätze gilt. Man muss daher aufmerksam verfolgen, welche Praxis die einzelnen Mitgliedsstaaten diesbezüglich entwickeln.
- Verlagerung der Geschäftsaktivitäten einer in der EU ansässigen Gesellschaft in die Schweiz: Dieser Fall kann unter das besondere Kennzeichen in Verbindung mit dem ‚Main benefit’ fallen, wenn der Ertrag aus dieser Verlagerung der Geschäftsaktivitäten in der Schweiz niedriger besteuert wird als im Ursprungsland.
- Patentbox (STAF) -Zahlung von Lizenzgebühren einer in der EU ansässigen Gesellschaft an eine Schweizer Konzerngesellschaft: Lizenzgebühren werden in dem Hoheitsgebiet, in dem der Empfänger steuerlich ansässig ist, d.h. in der Schweiz, steuerlich begünstigt. Dieser Fall fällt in der Regel unter das besondere Kennzeichen in Verbindung mit meldepflichtigen grenzüberschreitenden Transaktionen, falls das Kriterium des ‚Main benefit’ erfüllt ist.
Wichtig ist hier der Hinweis, dass die Meldepflicht in allen Fällen bei der in der EU ansässigen Gesellschaft liegt, falls es keinen der Richtlinie DAC6 unterstehenden Intermediär gibt.
Wie bereits oben erwähnt, sind die Bestimmungen der Richtlinie bereits in Kraft getreten, in Abhängigkeit des von der Gestaltung betroffenen Mitgliedsstaates. Für alle Staaten, die beschlossen haben, die Fristen zu verlängern, ist der nächste Stichtag der 30. Januar 2021 (oder gegebenenfalls der 28. Februar 2021). Wir empfehlen Ihnen daher eingehend zu prüfen, ob ein Intermediär seit dem 25. Juni 2018 einer Meldepflicht unterliegt in Bezug auf die einzelnen von der Richtlinie DAC6 betroffenen Gestaltungen. In diesem Fall wäre er für die Einreichung der Meldung verantwortlich. Andernfalls liegt diese Pflicht beim Steuerpflichtigen selbst. Werden die Fristen nicht eingehalten, können die Mitgliedsstaaten gemäss ihrer jeweiligen einschlägigen Rechtsprechung strafrechtliche Sanktionen verhängen.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Plattform sowie in unserer E-Broschüre zu diesem Thema.