Neue Entwicklungen im Bereich der Umsatzabgabe

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem aktuellen Urteil (BVGer Urteil A-865/2021*) vom 1. Dezember 2023 erstmals mit dem Begriff des «Händlers» auseinandergesetzt, welcher als Effektenhändler gemäss Art. 13 Abs. 3 lit. b Ziff. 1 Bundesgesetz über die Stempelabgaben (StG) qualifiziert. Zudem wurde der Begriff des «Vermittlers» gemäss Art. 13 Abs. 3 lit. b Ziff. 2 StG weiter präzisiert. Zu diesem Begriff hatte zuvor das Bundesgericht erstmals in seinem Urteil vom 25. Februar 2021 Stellung bezogen (BGer Urteil 2C_638/2020**).

Der Effektenhändler im Stempelabgaberecht

Der Bund erhebt Stempelabgaben auf dem Umsatz gewisser in- und ausländischer Urkunden. Gegenstand dieser Umsatzabgabe ist die entgeltliche Übertragung von Eigentum an steuerbaren Urkunden, sofern ein Effektenhändler Vertragspartei oder Vermittler ist.

Der Begriff des Effektenhändlers ist dabei im Sinne des StG auszulegen und ist nicht deckungsgleich mit dem gleichlautenden Begriff im Aufsichtsrecht.

Als Effektenhändler im Sinne des StG gelten unter anderem inländische Banken im Sinne der Bankengesetzgebung sowie inländische natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, inländische Anstalten und Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen deren Tätigkeit ausschliesslich oder zu einem wesentlichen Teil darin besteht für Dritte den Handel mit steuerbaren Urkunden zu betreiben (Händler) oder als Anlageberater oder Vermögensverwalter Kauf und Verkauf von steuerbaren Urkunden zu vermitteln (Vermittler).

Der Effektenhändler schuldet je eine halbe Abgabe auf dem Entgelt;

  • wenn er vermittelt: für jede Vertragspartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist.
  • wenn er Vertragspartei ist: für sich selbst und die Gegenpartei, die sich weder als registrierter Effektenhändler noch als von der Abgabe befreiter Anleger ausweist. 

Die Frage, ob die Tätigkeit einer inländischen Person diese unter dem Begriff des «Händlers» oder «Vermittlers» als Effektenhändlerin qualifiziert, ist daher für die Feststellung der Abgabepflicht relevant. 

Aktueller Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

Dem eingangs erwähnten Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts liegt folgender Sachverhalt zugrunde – streitig war, ob zwei Stiftungen (Stiftung-X und Stiftung-Y), beide zur gleichen Unternehmensgruppe gehörend, die Qualifikation als Effektenhändlerinnen erfüllen:

  • Zweck der Stiftung-X ist Mitarbeitenden der Unternehmensgruppe den Erwerb von Aktien einer Gruppengesellschaft zu erleichtern und Zuwendungen an die Pensionskassen der Gruppe zu machen. Die benötigten Aktien werden von der Stiftung-X über die Börse erworben und anschliessend an die Bezugsberechtigten verkauft. 
  • Zweck der Stiftung-Y ist Mitarbeitenden der Unternehmensgruppe den Erwerb von Aktien einer Gruppengesellschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern und Beiträge an die Pensionskassen der Gruppe zu leisten. Die Stiftung-Y schliesst mit den Mitarbeitenden Optionsgeschäfte auf Aktien der Gruppengesellschaft ab und erwirbt bei Optionsausübung Aktien von den Mitarbeitenden und verkauft diese anschliessend am Markt oder an andere Gruppengesellschaften. 

Das Bundesverwaltungsgericht hält fest, dass die Form des Geschäfts und nicht der wirtschaftliche Zweck dahinter massgebend ist für die Beurteilung der Qualifikation des Effektenhändlers. Weiter hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass sich die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) nicht auf die blosse wirtschaftliche Realität berufen kann, um einen Sachverhalt der Umsatzabgabe zu unterwerfen. Umgekehrt kann sich der Steuerpflichtige der Umsatzabgabe regelmässig nicht entziehen, bloss weil sich das wirtschaftlich identische Resultat auch auf einem anderen Weg hätte erzielen lassen.

Die Qualifikation der beiden Stiftungen (Stiftung-X sowie Stiftung-Y) als «Vermittlerinnen» wurde verneint, da diese weder eine Anlageberatungstätigkeit ausüben noch Vermögen für Dritte verwalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei ausgeführt, dass die Qualifikation als «Vermittlerin» voraussetzt, dass die Person, welche Vermittlungshandlungen vornimmt, auch Anlageberaterin oder Vermögensverwalterin sein muss. Die Auffassung der ESTV, wonach das Betätigungsfeld des gewerbsmässigen Vermittlers per se die Tätigkeiten eines Anlageberaters und/oder Vermögensverwalters beinhalte, wurde zurückgewiesen.

Allerdings ist das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss gekommen, dass beide Stiftungen die Qualifikation als «Händlerinnen» erfüllen. Das Gericht hat dazu festgehalten, dass als «Händler» gilt, wer Wertschriften von Dritten kauft, um sie dann wiederum an Dritte weiterzuverkaufen. Dies hat mit einer gewissen Regelmässigkeit erfolgen und gewerbsmässig zu geschehen. Die in der Literatur vertretene Auffassung, dass die Handelstätigkeit zudem mit einem grösseren Personenkreis betrieben werden muss, wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Verweis auf den Gesetzeswortlaut jedoch verneint.

Im vorliegenden Fall war es für die Qualifikation als Effektenhändlerin ausreichend, dass beide Stiftungen regelmässig Aktien erwerben, um diese wieder zu verkaufen, sie diese Tätigkeit gewerbsmässig betreiben und diese Handelstätigkeit zumindest einen wesentlichen Teil der gesamten Tätigkeiten der Stiftungen darstellt. Die Tatsache, dass die Transaktionen der Stiftung-Y mit einem begrenzten Kreis von Personen abgeschlossen werden, stand der Händlereigenschaft nicht entgegen. 

Wie ist dieser Entscheid in der Praxis einzuordnen?

Die vom Bundesverwaltungsgericht angewendete Definition des «Händlers» ist nicht grundlegend neu und wurde weitgehend aus der Literatur übernommen. Einzig die Auslegung, dass auch ein Wertschriftenhandel mit einem beschränkten Personenkreis für die Händlereigenschaft ausreichend ist, weicht von der bisherigen Lehrmeinung ab, welche grundsätzlich einen Handel mit einem grösseren Personenkreis gefordert hat.

Die Präzisierung zum Begriff des «Vermittlers», dass dieser für die Qualifikation des Effektenhändlers auch Anlageberater oder Vermögensverwalter sein muss, ist zu begrüssen und schafft insbesondere für «vermittelnde» Personen, welche keine Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungstätigkeit ausüben, Klarheit.

Aufgrund der neuesten Gerichtsentscheide zum Effektenhändlerbegriff empfehlen wir inländischen juristischen Personen, welche in ihrer Geschäftstätigkeit regelmässig mit Wertschriftentransaktionen zu tun haben, ihre Tätigkeiten aus Sicht der Umsatzabgabe vertieft zu analysieren.

Sofern die ausgeübten Tätigkeiten die juristische Person als Effektenhändlerin im Sinne des StG qualifizieren, hat diese sich unverzüglich bei der ESTV anzumelden und die damit verbundenen Verpflichtungen wie die Deklaration und Abrechnung der Umsatzabgabe zu erfüllen. 

Beitrag von Dominique Roggo und André Kuhn 

*BVGE ruling A-865/2021

**BGE ruling 2C_638/2020

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