Eigenmietwert: Abschaffung der fiktiven Besteuerung?

Nach mehreren erfolglosen Anläufen wird die Abschaffung des Eigenmietwerts erneut im Parlament diskutiert. Das Prinzip der Besteuerung eines "fiktiven" Einkommens wurde bereits mehrfach in Frage gestellt. Dieser neue Versuch könnte der richtige sein. Werfen wir einen Blick auf den aktuellen Gesetzesentwurf und die zu erwarteten Folgen. Was sind die Vor- und Nachteile dieses Entwurfs für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer?

Wie weit ist der Vorschlag über die Abschaffung der Wohneigentumsbesteuerung?

Am 27. Mai 2021 hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerats einen Gesetzesentwurf zur Reform der Wohneigentumsbesteuerung erlassen. Der Bundesrat gab am 25. August 2021 eine positive Stellungnahme zu diesem Entwurf ab. Daraufhin stimmte der Ständerat am 21. September 2021 dem Gesetzesentwurf zu. Nun ist also der Nationalrat an der Reihe. Bis zu einer endgültigen Verabschiedung dürften allerdings noch mehrere Quartale vergehen. Dennoch ist dies eine gute Gelegenheit, sich näher mit den Grundsätzen dieser Vorlage zu befassen, die in diesem Zusammenhang in Frage gestellt werden, sowie mit dem, was der Entwurf in Zukunft ändern könnte. Ausserdem wird es, wie bei jeder Reform, Gewinner und Verlierer geben. 

Das derzeitige System der Wohneigentumsbesteuerung

Die Eigentümerin oder der Eigentümer einer Immobilie, der sich die Nutzung vorbehält (Haupt- und Zweitliegenschaft), wird derzeit auf dem Eigenmietwert besteuert. Der Eigenmietwert soll der Höhe der Miete entsprechen, die die Eigentümerin oder der Eigentümer erzielen könnte, wenn er seine Immobilie vermieten würde. Dieser wird von der öffentlichen Verwaltung festgelegt und hängt, wie es der Föderalismus verlangt, von der Praxis jedes einzelnen Kantons ab. Die verschiedenen angewandten Methoden führen je nach Region zu unterschiedlichen Ergebnissen zwischen Über- und Unterbewertung im Vergleich zum effektiven Markt.

Aber dennoch kann die Eigentümerin oder der Eigentümer als Gegenleistung für die Besteuerung des Eigenmietwerts die tatsächlichen oder pauschalen Unterhaltskosten sowie die Hypothekarzinsen (deren Abzug bestimmten Beschränkungen unterliegen kann) von seinem steuerbaren Einkommen abziehen. 

Dieses System der Besteuerung eines sogenannten "fiktiven" Einkommens ist seit langem und in vielerlei Hinsicht umstritten, insbesondere in Bezug auf die Komplexität der Berechnung, die Förderung der privaten Verschuldung und die offensichtlichen Auswirkungen auf die Steuerauswirkungen, insbesondere allem für Rentnerinnen und Rentner. 

Auswirkungen des aktuellen Entwurfs zum Eigenmietwert

Vorab ist es wichtig zu sagen, dass der aktuelle Entwurf keine Auswirkungen auf Eigentümerinnen und Eigentümer haben soll, die über vermietete oder verpachtete Immobilien verfügen.

In der jetzigen Form sieht der Entwurf eine differenzierte Betrachtung vor, je nach Nutzung der Wohnung durch die Eigentümerin oder den Eigentümer.

So ist für den Hauptwohnsitz die ersatzlose Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwerts vorgesehen. Im Gegenzug sollen die Unterhaltskosten nicht mehr abzugsfähig sein. In Bezug auf die Schuldzinsen ist die geplante Regelung etwas komplizierter. Denn nur Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die zum ersten Mal einen Hauptwohnsitz erwerben würden, könnten die von ihnen zu tragenden Hypothekenzinsen in den ersten zehn Jahren weiterhin und nur in sehr begrenztem Umfang abziehen. Eine der Hauptmotivationen des Gesetzentwurfs ist die Beseitigung von Anreizen zur privaten Verschuldung von Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern. Tatsächlich gehören die Schweizer Haushalte zu den am höchsten verschuldeten der Welt.

Was den Steuerabzug für Investitionen zum Energiesparen und zur Schonung der Umwelt sowie für Abbruchkosten betrifft, so sollte dieser auf Bundesebene abgeschafft werden und könnte aber auf kantonaler Ebene beibehalten werden.

Für Zweitliegenschaften sollte jedoch die Besteuerung des Eigenmietwerts beibehalten werden. Daher sollten Steuerabzüge weiterhin möglich sein. Aus diesem Grund wird der aktuelle Entwurf daher keine steuerlichen Auswirkungen auf Eigentümerinnen und Eigentümer von Zweitliegenschaften haben.

Der Steuerabzug für Kosten, die durch nicht subventionierte Restaurierungsarbeiten an historischen Gebäuden entstehen, sollte beibehalten werden, unabhängig davon, ob es sich um Haupt- oder Zweitliegenschaft handelt.

Schlussfolgerung

Die Besteuerung des Eigenmietwerts war schon immer umstritten. Die Abschaffung seiner Besteuerung würde eine Neugestaltung des Systems der Besteuerung von Immobilieneinkommen bedeuten und könnte auch zu einer Verhaltensänderung bei den Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern führen.

Sollte der aktuelle Entwurf angenommen werden, dürfte der Verlust des Rechts auf Steuerabzug der Hypothekarzinsen für Hauptliegenschaften die Schweizer Haushalte dazu veranlassen, ihre private Verschuldung zu reduzieren. Andererseits dürfte der Anreiz für Renovierungsarbeiten sinken, was sich negativ auf den Bausektor und die langfristige Erhaltung eines modernen und umweltfreundlichen Immobilienbestands in der Schweiz auswirken könnte. Es dürfte auch weniger attraktiv sein, in ältere Immobilien zu investieren, die umfangreiche Renovierungsarbeiten erfordern. In diesem Zusammenhang wird Eigentümerinnen und Eigentümern, die grössere Renovierungsarbeiten planen, empfohlen so schnell wie möglich zu handeln, um von Steuerabzügen profitieren zu können.

Andererseits werden gering verschuldete Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, für die der Eigenmietwert heute in der Steuerrechnung schwer ins Gewicht fallen kann, den Wegfall dieses Einkommens, das sie nie erhalten haben, mit Wohlwollen betrachten.

Das geplante Vorgehen, wie vorstehend dargelegt, birgt sowohl Vor- als auch Nachteile sollte es sich bestätigen und es wird nicht nur Gewinner mit sich ziehen. Denn letztlich stellt sich für die Eigentümerin und den Eigentümer einer selbst genutzten Immobilie die Frage, wie sich die Abschaffung des Eigenmietwerts und die Einschränkung der Abzugsmöglichkeiten auf ihre und seine Steuerlast auswirken werden.

Beitrag von Deborah Joye und Quentin Eiselé

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