Bezugsteuer: Welche Mehrwertsteuerfallen Sie vermeiden sollten
Bezugsteuer und Mehrwertsteuerfallen
Im Ausland ansässige Dienstleistungserbringer sind nicht immer verpflichtet, sich für die Schweizer Mehrwertsteuer zu registrieren. Solche Dienstleister schulden im Gegensatz zu Schweizer Anbietern, die ihre Dienstleistungen der Schweizer Mehrwertsteuer unterwerfen müssen, keine Schweizer Mehrwertsteuer auf in der Schweiz erbrachte Dienstleistungen. Diese Ungleichbehandlung verschafft den ausländischen Anbietern einen Wettbewerbsvorteil.
Um diese Ungleichbehandlung einzuschränken, enthält das Mehrwertsteuergesetz spezielle Regeln, die darauf abzielen, ausländische Dienstleister gegenüber Schweizer Dienstleistern gleichzustellen.
Die allgemeinen Grundsätze der Bezugsteuer
Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz
Wenn ein Unternehmen Dienstleistungen für Kunden in der Schweiz erbringen möchte, ist die Mehrwertsteuerthematik unweigerlich zu beachten.
Abgesehen von bestimmten Leistungen, die aus sozialpolitischen oder bildungspolitischen Gründen von der Besteuerung ausgenommen sind, unterliegt grundsätzlich jede in der Schweiz erbrachte Dienstleistung der Mehrwertsteuer. Damit eine Dienstleistung steuerbar ist, muss sie als «im Inland erbracht» gelten.
Ein schweizerisches oder ausländisches (nicht in der Schweiz ansässiges) Unternehmen ist in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig, wenn es in der Schweiz einen steuerbaren weltweiten Umsatz von mehr als CHF 100'000 pro Jahr erzielt.
Ort der Leistung (Grundregel)
Eine Grundregel der Schweizer Mehrwertsteuergesetzgebung (Art. 8 Abs. 1 MWSTG) sieht vor, dass Dienstleistungen am Ort des Leistungsempfängers besteuert werden, was beispielsweise bei Beratungs-, Telekommunikations-, Informatik-, Marketing- und Buchhaltungsdienstleistungen der Fall ist. Diese Grundregel gilt für alle Dienstleistungen, die nicht unter eine Ausnahmeregelung fallen.
Dieses Prinzip ist klar, wenn sich beide Parteien (Lieferant/Kunde) in der Schweiz befinden. In diesem Fall muss sich der Dienstleister für die Mehrwertsteuer registrieren lassen, sobald die Umsatzschwelle erreicht ist und für seine Leistungen die Mehrwertsteuer begleichen.
Was passiert jedoch, wenn ein ausländisches, nicht als mehrwertsteuerpflichtig registriertes Unternehmen ohne physische Präsenz in der Schweiz, Dienstleistungen in der Schweiz erbringt?
In diesem Fall muss geprüft werden, ob die aus dem Ausland bezogene Dienstleistung die Anforderungen für die Leistung einer Bezugsteuer nach Art. 45 MWSTG erfüllt. Im Grundsatz handelt es sich bei der Bezugsteuer um einen ähnlichen Mechanismus, wie er in Europa unter der Terminologie der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft oder des "reverse charge mechanism" bekannt ist.
Demnach unterliegen alle Dienstleistungen, welche durch einen ausländischen Dienstleistungserbringer ohne Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz erbracht werden und nach dem Empfängerortsprinzip beurteilt werden, der Bezugsteuer. Dieses Prinzip ist auf die meisten Dienstleistungen anwendbar und hat zur Folge, dass die Mehrwertsteuer dann nicht vom ausländischen Dienstleister, sondern vom Leistungsempfänger in der Schweiz geschuldet wird.
Dienstleistungen, die vom Grundsatz des Empfängerortsprinzips abweichen (Ausnahmen)
Es gibt jedoch Ausnahmen von der oben genannten Grundregel. Bestimmte Dienstleistungen unterliegen einer Ausnahmeregelung nach Art. 8 Abs. 2 MWSTG. Dies gilt beispielsweise für Dienstleistungen von Reisebüros und Organisatoren von Veranstaltungen, gastgewerblichen Leistungen, Personenbeförderungsleistungen oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken. Diese Ausnahmen werden durch die Prinzipien des Ortes der Ausübung der Tätigkeit, des Ortes, an dem die Beförderung stattfindet, oder des Ortes, an dem das Grundstück gelegen ist, geregelt.
Daher unterliegen diese Ausnahmen, die vom Empfängerortsprinzip abweichen, nicht der Bezugsteuer.
Wer muss die Abgabe der Mehrwertsteuer leisten?
Wenn das ausländische Unternehmen ausschliesslich steuerbare Dienstleistungen an den Schweizer Empfänger erbringt, besteht für den Lieferanten keine Verpflichtung, sich als Mehrwertsteuerpflichtige in der Schweiz zu registrieren. Es muss vielmehr der Empfänger der Leistung sein, der die Bezugssteuer zu entrichten hat. Dieser Mechanismus zwingt also den Abnehmer der Leistung (Empfänger), sich selbst zu besteuern, indem er die Leistung als Bezugsteuer deklariert. In der Praxis bedeutet dies, dass er die Mehrwertsteuer zum geltenden Satz an die Steuerbehörde abführen muss.
Die Pflicht zur Entrichtung der Bezugsteuer besteht sowohl für mehrwertsteuerpflichtige Personen und Unternehmen (B2B) als auch für nicht steuerpflichtige Empfänger, einschliesslich Privatpersonen (B2C).
Die Pflicht zur Entrichtung der Bezugsteuer für nicht mehrwertsteuerpflichtige Unternehmen und/oder Privatpersonen beginnt ab dem Bezug solcher Leistungen für mehr als CHF 10'000 im selben Kalenderjahr. Nach Überschreiten der Erwerbsgrenze muss sich die betreffende Person oder das betreffende Unternehmen innerhalb von 60 Tagen nach Ende des Kalenderjahres unaufgefordert bei der ESTV melden.
Welche aus dem Ausland bezogenen Dienstleistungen unterliegen der Bezugsteuer des Empfängers?
Grundsätzlich unterliegen alle Dienstleistungen der Bezugsteuer.
Dazu gehören insbesondere:
- Abtretung und Vergabe von immateriellen Rechten (z. B. Lizenzen);
- Dienstleistungen im Bereich der Werbung;
- Dienstleistungen von Beratern, Vermögensverwaltern, Treuhändern, Rechtsanwälten usw.;
- Dienstleistungen im Bereich Management;
- Dienstleistungen im Bereich der Datenverarbeitung;
- Personalverleih.
Wann ist der ausländische Lieferant in der Schweiz zur Abgabe der Mehrwertsteuer verpflichtet?
Ab dem ersten Franken Umsatz, wenn er in der Schweiz Leistungen erbringt, die vom Grundprinzip des Orts der Leistungserbringung abweichen. Dabei handelt es sich insbesondere um die in Art. 8 Abs. 2 MWSTG vorgesehenen Ausnahmen (z.B. Coiffeur, Kosmetika, Dienstleistungen von Reisebüros oder Organisationen, Gastgewerbe, Kultur, Sport, Unterricht, Unterhaltung, Personenbeförderung, Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, Beherbergung, Entwicklungshilfe).
In diesem Zusammenhang weisen wir explizit darauf hin, dass Dienstleistungen, welche von dem Grundregel abweichen, nicht durch den Empfänger der Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen werden muss (Selbstveranlagung) und zwar auch dann nicht, wenn der Dienstleister selbst die Mehrwertsteuerpflicht nicht erfüllt.
Besonderheit: Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation oder Informatik
Eine weitere wichtige Ausnahme besteht für Telekommunikations- oder Computerdienstleistungen, die an nicht mehrwertsteuerpflichtige Empfänger erbracht werden (B2C). In diesem Fall ist trotzdem der ausländische Dienstleister mehrwertsteuerpflichtig. Er muss folglich für alle im Inland erbrachten Leistungen die Mehrwertsteuer entrichten. Letztlich lösen Telekommunikations- oder Computerdienstleistungen eine Registrierungspflicht für die Mehrwertsteuer in der Schweiz aus, sobald sie ausschliesslich oder teilweise an Nichtsteuerpflichtige (Endverbraucher) in der Schweiz erbracht werden und die weltweite Umsatzschwelle von CHF 100’000 erreicht wird. Folglich müssen die Empfänger solcher Leistungen keine Bezugsteuer abrechnen.
Das Wichtigste in Kürze
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man die geltenden Mehrwertsteuerbestimmungen sorgfältig analysieren sollte, wenn man seine Dienstleistungen auf dem Schweizer Markt anbieten möchte, ohne dort eine physische Präsenz zu haben, oder Dienstleistungen aus dem Ausland erwerben möchte. Dies ist notwendig, um die sich daraus ergebenden mehrwertsteuerlichen Auswirkungen zu identifizieren und die richtige Vorgehensweise zu wählen.
Je nach Art der angebotenen Dienstleistungen kann wie aufgezeigt eine Mehrwertsteuerpflicht bestehen. Da solche Fragestellungen schnell komplex werden können, sollten Sie nicht zögern, die Dienste von Experten in Anspruch zu nehmen.
Für Unternehmen, die bereits mehrwertsteuerpflichtig sind und nach der effektiven Methode abrechnen, ist die Bezugsteuer in der Regel kein grosses Problem, wenn sie ein volles Recht auf Vorsteuerrückerstattung haben. Andernfalls müssen sie eine Korrektur des Vorsteuerabzugs ermitteln und die Bezugsteuer darin einbeziehen.
Letztendlich stellt man fest, dass die Bezugsteuer für folgende natürliche und juristische Personen eine endgültige Belastung darstellt:
- Mehrwertsteuerpflichtige Unternehmen, die nach der effektiven Methode abrechnen und kein volles Recht auf Vorsteuerabzug haben. Dies gilt für Unternehmen, die Tätigkeiten ausüben, die von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind, oder für Unternehmen, die Subventionen erhalten;
- Unternehmen, die die Steuer nach einer Pauschalmethode wie der Saldosteuersatzmethode (SSSM) abrechnen. Diese sogenannte vereinfachte Methode berücksichtigt bereits bei der Festsetzung des Pauschalsatzes einen tätigkeitsabhängigen Anteil der erstattungsfähigen Vorsteuer. Folglich kann die Vorsteuer nicht auf effektiver Basis zurückgefordert werden. Diese Vereinfachung wirkt sich in gleicher Weise auf die Bezugsteuer aus. Diese muss nämlich in den Abrechnungen zusätzlich angegeben werden und kann nicht auf effektiver Basis zurückgefordert werden. Je nach Geschäftstätigkeit und den Auswirkungen auf die Umsatzsteuer müssen diese Punkte im Vorfeld ermittelt werden, um die für diese Bedürfnisse am besten geeignete Methode zu wählen. In manchen Fällen kann es finanziell günstiger sein, die Methode zu wechseln.
- Nicht mehrwertsteuerpflichtige Unternehmen und Privatpersonen, die für mehr als CHF 10'000 pro Kalenderjahr selbst zu besteuernde Leistungen erwerben.