
BFH – Stromlieferung über eine Photovoltaikanlage nicht zwingend umsatzsteuerbefreite Nebenleistung zur Wohnraumvermietung
Stromlieferung über Photovoltaikanlage
Überblick und Kontext des BFH-Urteils vom 17. Juli 2024
Vermieter erbringen bekanntlich neben der alleinigen Wohnraumvermietung auch zusätzliche Leistungen (z. B. Reinigung, Stromlieferung, Lieferung von Wärme/Warmwasser). Die steuerliche Behandlung derartiger Zusatzleistungen führt häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung, die mitunter auch bis vor den Bundesfinanzhof (BFH) gehen. So auch im Besprechungsfall.
Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Stromlieferung über eine Photovoltaikanlage an den Mieter umsatzsteuerlich eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung darstellt oder ob es sich dabei um eine selbstständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung neben der Vermietungsleistung handelt.
Die Finanzverwaltung ist der Ansicht, dass die Stromlieferung durch den Vermieter in der Regel als unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung anzusehen sei (Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE). Dies hat zur Folge, dass die Stromlieferung das Schicksal der umsatzsteuerfreien Hauptleistung (Vermietung) teilt und gleichsam von der Umsatzsteuer befreit ist. Der Stromlieferer/Vermieter kann infolgedessen keine Vorsteuern aus Eingangsrechnungen, z. B. im Zusammenhang mit der Anschaffung der Photovoltaikanlage, geltend machen. Dies wirkt sich insbesondere für Zeiträume vor Einführung des Nullsteuersatzes auf die Lieferung von Photovoltaikanlagen in § 12 Abs. 3 UStG aus.
Der BFH weicht im Besprechungsfall von der Auffassung der Finanzverwaltung ab und stellt klar, unter welchen Voraussetzungen es sich bei der Stromlieferung um eine selbstständige umsatzsteuerpflichtige Leistung handelt und damit einhergehend Vorsteuern aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Stromlieferung geltend gemacht werden können.
Entscheidung des BFH
Der BFH stellt in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung einleitend klar, dass stets eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung der vorhandenen Indizien erforderlich sei, um zu bestimmen, ob die Stromlieferung als unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung oder als selbstständige umsatzsteuerpflichtige Leistung einzuordnen sei.
Als gewichtige Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen umsatzsteuerpflichtigen Stromlieferung hat der BFH im Besprechungsfall insbesondere die folgenden Umstände gewertet:
- Die Abrechnung des Mieterstroms erfolgte verbrauchsabhängig über einen individuellen Zähler.
- Es wurde eine individuelle Zusatzvereinbarung mit den Mietern über die Stromlieferungen abgeschlossen, in denen auch eine vom Mietvertrag abweichende Kündigungsmöglichkeit des Stromlieferungsvertrags vorgesehen war.
- In der Zusatzvereinbarung war ferner vorgesehen, dass der Mieter bei einem Wechsel des Stromanbieters die erforderlichen Umbaukosten zu tragen hatte. Hierdurch sei das gesetzlich vorgesehene Recht des Mieters zur freien Wahl des Stromanbieters eingeschränkt worden.
Zudem hat der BFH im Besprechungsfall erläutert, aus welchen Gründen die Stromlieferung nicht zwingend mit der Lieferung von Wärme und Warmwasser vergleichbar ist. Insoweit hat der BFH in einem anderen erst kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass Lieferung von Wärme und Warmwasser durch den Vermieter an den Mieter als Nebenleistung zur steuerfreien Wohnungsvermietung anzusehen sei, wenn es sich dabei nicht um Betriebskosten handele, die der Mieter gesondert zu tragen habe. Infolgedessen könne der Vermieter in derartigen Fällen – anders als im Besprechungsfall (Erwerb einer Photovoltaikanlage) – keine Vorsteuer im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Heizungsanlage geltend machen.
Einschätzung
Die Finanzverwaltung hat sich zu diesem Urteil bislang weder durch Änderung des UStAE oder in Form eines Nichtanwendungserlasses positioniert noch liegt eine Veröffentlichung im Bundessteuerblatt vor. Dementsprechend dürften Steuerpflichtige sich nach wie vor auf die Auffassung der Finanzverwaltung berufen, wenn dies zweckmäßig ist. Die Entscheidung des BFH eröffnet indes neuen Argumentationsspielraum, insbesondere bei (hohem) Vorsteuerpotenzial. Inwieweit sich Steuerpflichtige auf die Entscheidung berufen können und wie sich die Entscheidung auf Zeiträume nach Einführung des Nullsteuersatzes auf die Lieferung von Photovoltaikanlagen auswirkt, ist eine Frage, die nicht pauschal, sondern rechtssicher nur durch eine einzelfallbezogene Prüfung beantwortet werden kann.
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