Das KMU-Entlastungspaket
Da der Schutz mittelständischer Interessen für viele Auftraggeber mittlerweile selbstverständlich ist, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Interessen der KMU im Vergaberecht ausreichend beachtet werden. Die EU-Kommission sieht dies anders und hat am 12. September 2023 ihr KMU-Entlastungspaket vorgestellt. Dieses sieht insgesamt 19 Maßnahmen vor, wie die Interessen der KMU auch in Zukunft weiter geschützt und gestärkt werden können. Anlass des Entlastungspakets ist das Leistungsniveau von KMU, welches sich seit der Covid-19-Pandemie noch nicht wieder vollständig erholt hat. Zudem erschweren Schwankungen und Unsicherheiten des Wirtschaftsmarktes wie höhere Energiekosten und steigende Rohstoffpreise infolge des Ukrainekrieges und der Inflation den Wettbewerb für KMU. Nach Aussage der KMU stellen die größten Probleme regulatorische Hindernisse und Verwaltungsaufwand, Zahlungsverzögerungen, Zugang zu Finanzmitteln und Fachkräftemangel dar.
Die Maßnahmen decken ein weites Spektrum von Anwendungsfeldern ab. Darunter fallen z. B. Steuervereinfachungen, Finanzierungsmodelle, Errichtung eines Talentpools für Fachkräfte und die Revision der Rahmenbedingungen für Unternehmensübertragung. Einige der Maßnahmen richten sich an öffentliche Auftraggeber.
Eine der Maßnahmen, die sich langfristig und durchgreifend auf den Ausschreibungsprozess auswirken kann, ist, dass die Beteilung von KMU an Ausschreibungen dadurch erleichtert wird, dass Bestimmungen und Klauseln in den Vergabeunterlagen standardisiert werden sollen. Dies soll auch KMUs aus anderen Mitgliedstaaten die Teilnahme ermöglichen. Käme dies zupass, würde sich die Erstellung von Vergabeunterlagen erheblich vereinfachen. Gleichzeit bleibt offen, wie diese Standardklauseln den Anforderungen des Einzelfalls Rechnung tragen sollen.
Ebenfalls auswirken dürfte sich das bereits ab Dezember 2023 einsatzbereite „OOTS“ (Once- Only-Technical-System), das zwar schon im vergangenen Jahr angekündigt worden war. Das System soll den „grenzüberschreitenden Austausch wichtiger Dokumente zwischen öffentlichen Verwaltungen ermöglichen und verhindern, dass KMU in verschiedenen Mitgliedstaaten Dokumente erneut einreichen müssen“. Als Pilotprojekt wurde hier bereits der europäische Sozialversicherungsausweis vorgestellt. Insgesamt soll damit der Verwaltungsaufwand für KMUs reduziert werden, wodurch der Aufwand für die Beteilungen an Ausschreibungen reduziert werden kann. Inwieweit hierdurch Unterlagen erfasst sein werden, die im Rahmen einer Ausschreibung typsicherweise abgefragt werden, ist bisher nicht ersichtlich.
Zusammengefasst sind die Bestrebungen der EU zur Unterstützung von KMU ein guter Schritt zur Förderung des Wettbewerbs innerhalb der EU. Hierbei wird vor allem der Abbau bürokratischer Hürden in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern angestrebt. Für öffentliche Auftraggeber ändert sich hierdurch zunächst nichts. Doch auch die angekündigten Maßnahmen, wie z. B. die Einführung des OOTS oder die Standardisierung von Vorschriften und Klauseln z. B. über EU-weit zu verwendenden Formblätter können insgesamt zu einer deutlichen Verschlankung des Aufwands bei der Erstellung von Vergabeunterlagen und gesteigerter Rechtssicherheit bezüglich der verwendeten Klauseln führen. Offen bleiben vor diesem Hintergrund jedoch noch einige Fragen, z. B. inwiefern Auftraggeber berechtigt sein werden, die Klauseln an ihre eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Autorin
Theresa Katharina Klemm
Tel: +49 30 208 88 1447
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