Chancen und Risiken des Kleinbankenregimes
Eigenmittel: Was die neuen Erleichterungen der Schweizer Finanzmarktaufsicht bedeuten.
Auf Basis des von der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) im Jahr 2018 aufgesetzten Pilotbetriebs soll das Kleinbankenregime definitiv eingeführt und in der Eigenmittelverordnung (ERV) verankert werden. Die angepasste ERV soll per 1. Januar 2020 in Kraft gesetzt werden. Die entsprechende Anhörung ist abgeschlossen. Inwieweit die umfangreichen Eingaben verschiedener Interessensvertreter in der definitiven Regulierung berücksichtigt werden, wird sich zeigen.
Nur kleine Banken und Wertpapierhäuser der Kategorien 4 und 5, die besonders liquid und gut kapitalisiert sind, sollen teilnehmen können. Die Institute haben Grenzwerte in den Bereichen vereinfachte Leverage Ratio, Liquiditätsquote (LCR) und Refinanzierungsgrad dauerhaft einzuhalten. Ebenso darf kein aufsichtsrechtliches Verfahren in definierten Bereichen (etwa Geldwäscherei, Markverhaltensregeln) anhängig sein beziehungsweise müssen von der Finma angeordnete Massnahmen in diesen Bereichen umgesetzt werden. Auch bei unzureichendem Zinsrisikomanagement oder unangemessen hohem Zinsrisiko ist eine Teilnahme nicht möglich.
Zahlreiche Vereinfachungen
Die Teilnahme am Kleinbankenregime führt in der ERV zu folgenden Vereinfachungen:
- Anforderungen an die Qualität und Quantität der erforderlichen Eigenmittel entfallen.
- Proportional ausgestaltete Eigenmittelpuffer entfallen.
- Anforderungen an den sektoriellen antizyklischen Kapitalpuffer (AZP) entfallen.
- Die komplexen Berechnungen der Leverage Ratio müssen nicht vorgenommen werden. Stattdessen kann eine vereinfachte Leverage Ratio berechnet werden.
- Alle Sanktionsmassnahmen, die an die risikogewichteten Eigenmittelanforderungen geknüpft sind, entfallen.
Parallel zu den Anpassungen der ERV sieht die Finma für Banken des Kleinbankenregimes in verschiedenen Rundschreiben weitergehende Erleichterungen vor. Die Änderungen sollen ebenfalls am 1. Januar 2020 in Kraft treten. Bei Entfallen der Voraussetzungen räumt die Finma dem Institut eine Frist zur Wiedererfüllung ein. Diese beträgt in der Regel ein Jahr, kann jedoch in begründeten Fällen verkürzt oder verlängert werden. Sind die Voraussetzungen nach Ablauf der Frist nicht erfüllt, fällt ein Institut aus dem Kleinbankenregime und die erwähnten in der ERV vorgesehenen Vereinfachungen können nicht mehr beansprucht werden. Als Konsequenz entfallen auch die in den Finma-Rundschreiben vorgesehenen Erleichterungen. Gemäss Finma könnten aktuell 111 Institute die Vereinfachungen des Kleinbankenregimes in Anspruch nehmen. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) erachtet mittelfristig eine Anzahl von neunzig qualifizierten Instituten als realistisch.
Wer macht mit?
Das Kleinbankenregime ist klar zu begrüssen, da es für teilnehmende Banken Vereinfachungen bringt und so einen Betrag zur Aufrechterhaltung der Anbietervielfalt leistet. Aufgrund der zurzeit geringen materiellen Einsparungen gegenüber verschiedenen generellen Erleichterungen für Institute der Kategorien 4 und 5 ist es jedoch möglich, dass zahlreiche berechtigte Institute vorderhand noch mit einer Teilnahme zuwarten und als Folge das Kleinbankenregime mindestens kurzfristig von weniger Instituten als vorgesehen genutzt wird. Ein wichtiger Grund für einen Verzicht an der Teilnahme dürfte sein, dass die Institute in der Vergangenheit sämtliche Vorgaben und Berechnungen bereits umgesetzt haben und entsprechende Prozesse und IT-Systeme schon vorhanden sind. Ferner wird eine Anpassung an die vereinfachten Kennzahlen einen einmaligen Anpassungsbedarf auslösen. Diverse Banken werden auch aus internen Gründen auf die Teilnahme am Kleinbankenregime verzichten (etwa bei schweizerischen Tochterinstituten aufgrund der internen Berichterstattung ans Mutterhaus).
Institute, die sich nur knapp über den Schwellenwerten bewegen, müssen damit rechnen, dass ein solcher kurzfristig unterschritten werden könnte. Das allfällige Vorliegen von aufsichtsrechtlichen Verletzungen ist jederzeit und auch bei Einhaltung der quantitativen Kriterien möglich. Auch im Bereich der Zinsänderungsrisiken besteht das Risiko – unabhängig von den Schwellenwerten –, als Ausreisserinstitut zu gelten. Die Frist zur Wiedererfüllung der Voraussetzungen von grundsätzlich einem Jahr beurteilen wir unter Berücksichtigung der Folgen eines Ausscheidens aus dem Kleinbankenregime als eher kurz. Beim Ausscheiden entfallen die definierten Erleichterungen. Die Standardvorgaben sind in diesem Falle somit kurzfristig wieder zu erfüllen. Dafür sind im Speziellen die entsprechenden IT-Ressourcen notwendig. Diese Aspekte könnten ebenfalls dazu führen, dass mindestens kurzfristig nicht alle berechtigten Institute am Kleinbankenregime teilnehmen. Wir gehen jedoch davon aus, dass bei der Einführung von künftigen Regulierungen (etwa «Basel III final») die Zahl der am Kleinbankenregime teilnehmenden Banken ansteigen wird, da eine Teilnahme wesentliche Einsparungen an Umsetzungskosten bringen kann.