Chancen und Risiken des Kleinbankenregimes

Handelszeitung - 3. Oktober 2019
Eigenmittel: Was die neuen Erleichterungen der Schweizer Finanzmarktaufsicht bedeuten.

Auf Basis des von der Schweizer Finanz­marktaufsicht (Finma) im Jahr 2018 aufge­setzten Pilotbetriebs soll das Kleinban­kenregime definitiv eingeführt und in der Eigenmittelverordnung (ERV) verankert werden. Die angepasste ERV soll per 1. Ja­nuar 2020 in Kraft gesetzt werden. Die ent­sprechende Anhörung ist abgeschlossen. Inwieweit die umfangreichen Eingaben verschiedener Interessensvertreter in der definitiven Regulierung berücksichtigt werden, wird sich zeigen.

Nur kleine Banken und Wertpapierhäu­ser der Kategorien 4 und 5, die besonders liquid und gut kapitalisiert sind, sollen teil­nehmen können. Die Institute haben Grenzwerte in den Bereichen vereinfachte Leverage Ratio, Liquiditätsquote (LCR) und Refinanzierungsgrad dauerhaft einzuhalten. Ebenso darf kein aufsichtsrecht­liches Verfahren in definierten Bereichen (etwa Geldwäscherei, Markverhaltensre­geln) anhängig sein beziehungsweise müssen von der Finma angeordnete Mass­nahmen in diesen Bereichen umgesetzt werden. Auch bei unzureichendem Zins­risikomanagement oder unangemessen hohem Zinsrisiko ist eine Teilnahme nicht möglich.

Zahlreiche Vereinfachungen

Die Teilnahme am Kleinbankenregime führt in der ERV zu folgenden Vereinfa­chungen:

  • Anforderungen an die Qualität und Quantität der erforderlichen Eigenmittel entfallen.
  • Proportional ausgestaltete Eigenmittel­puffer entfallen.
  • Anforderungen an den sektoriellen anti­zyklischen Kapitalpuffer (AZP) entfallen.
  • Die komplexen Berechnungen der Le­verage Ratio müssen nicht vorgenommen werden. Stattdessen kann eine vereinfach­te Leverage Ratio berechnet werden.
  • Alle Sanktionsmassnahmen, die an die risikogewichteten Eigenmittelanforde­rungen geknüpft sind, entfallen.

Parallel zu den Anpassungen der ERV sieht die Finma für Banken des Kleinban­kenregimes in verschiedenen Rundschrei­ben weitergehende Erleichterungen vor. Die Änderungen sollen ebenfalls am 1. Ja­nuar 2020 in Kraft treten. Bei Entfallen der Voraussetzungen räumt die Finma dem In­stitut eine Frist zur Wiedererfüllung ein. Diese beträgt in der Regel ein Jahr, kann jedoch in begründeten Fällen verkürzt oder verlängert werden. Sind die Voraussetzun­gen nach Ablauf der Frist nicht erfüllt, fällt ein Institut aus dem Kleinbankenregime und die erwähnten in der ERV vorgesehenen Vereinfachun­gen können nicht mehr bean­sprucht werden. Als Konse­quenz entfallen auch die in den Finma-Rundschreiben vorgesehenen Erleichterungen. Gemäss Finma könnten aktuell 111 Institute die Vereinfachungen des Kleinbankenregimes in Anspruch nehmen. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) erachtet mittel­fristig eine Anzahl von neunzig qualifizier­ten Instituten als realistisch.

Wer macht mit?

Das Kleinbankenregime ist klar zu be­grüssen, da es für teilnehmende Banken Vereinfachungen bringt und so einen Be­trag zur Aufrechterhaltung der Anbieter­vielfalt leistet. Aufgrund der zurzeit gerin­gen materiellen Einsparungen gegenüber verschiedenen generellen Erleichterun­gen für Institute der Kategorien 4 und 5 ist es jedoch möglich, dass zahlreiche be­rechtigte Institute vorderhand noch mit einer Teilnahme zuwarten und als Folge das Kleinbankenregime mindestens kurz­fristig von weniger Instituten als vorgesehen genutzt wird. Ein wichtiger Grund für einen Verzicht an der Teil­nahme dürfte sein, dass die Institute in der Vergangen­heit sämtliche Vorgaben und Berechnungen bereits umge­setzt haben und entspre­chende Prozesse und IT-Systeme schon vorhanden sind. Ferner wird eine Anpas­sung an die vereinfachten Kennzahlen einen einmaligen Anpassungsbedarf aus­lösen. Diverse Banken werden auch aus internen Gründen auf die Teilnahme am Kleinbankenregime verzichten (etwa bei schweizerischen Tochterinstituten auf­grund der internen Berichterstattung ans Mutterhaus).

Institute, die sich nur knapp über den Schwellenwerten bewegen, müssen da­mit rechnen, dass ein solcher kurzfristig unterschritten werden könnte. Das allfäl­lige Vorliegen von aufsichtsrechtlichen Verletzungen ist jederzeit und auch bei Einhaltung der quantitativen Kriterien möglich. Auch im Bereich der Zinsände­rungsrisiken besteht das Risiko – unab­hängig von den Schwellenwerten –, als Ausreisserinstitut zu gelten. Die Frist zur Wiedererfüllung der Voraussetzungen von grundsätzlich einem Jahr beurteilen wir unter Berücksichtigung der Folgen ei­nes Ausscheidens aus dem Kleinbanken­regime als eher kurz. Beim Ausscheiden entfallen die definierten Erleichterungen. Die Standardvorgaben sind in diesem Fal­le somit kurzfristig wieder zu erfüllen. Da­für sind im Speziellen die entsprechenden IT-Ressourcen notwendig. Diese Aspekte könnten ebenfalls dazu führen, dass min­destens kurzfristig nicht alle berechtigten Institute am Kleinbankenregime teilneh­men. Wir gehen jedoch davon aus, dass bei der Einführung von künftigen Regulie­rungen (etwa «Basel III final») die Zahl der am Kleinbankenregime teilnehmenden Banken ansteigen wird, da eine Teilnah­me wesentliche Einsparungen an Umset­zungskosten bringen kann.

Dokument

HANDELSZEITUNG 3.10.2019.pdf

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