Grunderwerbsteuerrecht Teil 1: Neuer Erlass zu Anteilsvereinigungen

Im Grunderwerbsteuerrecht wurden mit Datum vom 5. März 2024 neue Gleichlautende Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG (BStBl. I 2024, 383; nachfolgend: GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG) sowie zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG i. V. m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle (BStBl. I 2024, 393) veröffentlicht.

Zusammengefasst wurden damit durch die Finanzverwaltung die mit der Reform des Grunderwerbsteuersteuergesetzes im Jahr 2021 geänderten Haltefristen auf zehn Jahre und die geänderten Beteiligungsgrenzen auf 90 Prozent der bestehenden Ergänzungstatbestände (§ 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG) sowie die Norm des § 1 Abs. 2b GrEStG unter Berücksichtigung der neuen Haltefristen und Beteiligungsgrenzen in die Erlasse aufgenommen.  

Einige wesentliche Aussagen in den GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG sind u. a.: 

Die Rechtsprechung des BFH übernehmend kommt es bei einer Kapitalgesellschaft und beim mittelbaren Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital bzw. am Gesellschaftsvermögen an. Die mit den Anteilen verbundene Rechtsmacht (wie beispielsweise Stimmrechte) soll dabei nicht berücksichtigt werden. Eigene Anteile bleiben bei der Ermittlung der 90-Prozent-Grenze wie bisher unberücksichtigt. Hingegen ist bei einem unmittelbaren Anteilserwerb an einer Personengesellschaft weiterhin die Pro-Kopf-Betrachtung anzuwenden. 

In mehrstufigen Beteiligungsstrukturen kann die Verwirklichung der Anteilsvereinigung zunächst nur durch den unmittelbar am Anteilsübergang beteiligten Rechtsträger erfolgen. Sollte dieser Rechtsträger die Anforderungen der Anteilsvereinigung nicht erfüllen, wird für die Prüfung ebendieser auf den Rechtsträger der nächsthöheren Ebene verwiesen. 

Die Verstärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung (wie die Verkürzung der Beteiligungskette, Umwandlung einer mittelbaren in eine unmittelbare Beteiligung oder die Erhöhung der Beteiligung oberhalb von 90 Prozent) bleibt gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG unberücksichtigt und gilt somit nicht als steuerbarer Vorgang. Im Rahmen der Übergangsvorschrift § 23 Abs. 21 GrEStG gilt für Erwerbsvorgänge, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden, weiterhin die 95-Prozent-Grenze. Das heißt, eine Anteilsvereinigung wird bei Überschreiten der 95-Prozent-Grenze also zeitlich unbegrenzt angenommen, wenn am 30. Juni 2021 unmittelbar oder mittelbar weniger als 95 Prozent, aber bereits mindestens 90 Prozent an der Gesellschaft in einer Hand (des Gesellschafters) allein vereinigt waren. 

Der Vorrang der §§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vor §§ 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG gilt weiterhin aus Sicht der Finanzverwaltung nur dann, wenn Signing und Closing zusammenfallen. Bei einem Auseinanderfallen von Signing und Closing soll der Vorrang über § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG geregelt werden; die Anteilsvereinigung wird also nur auf Antrag nicht besteuert, wenn sowohl Signing als auch Closing jeweils innerhalb von zwei Wochen angezeigt werden. 

Hinsichtlich des Verfahrensrechts ist eine Steuerfestsetzung für das schuldrechtliche Geschäft (Signing) grundsätzlich nur erforderlich, wenn nicht zu erwarten ist, dass das dingliche Geschäft (Closing) innerhalb eines Jahres erfolgt (so auch GLE zu § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG vom 10. Mai 2022). Dabei wird ein identischer Grundstücksbestand bei Signing und Closing vorausgesetzt sowie, wie beschrieben, eine fristgerechte und vollständige Anzeige des Erwerbsvorgangs. Falls dies nicht der Fall ist, soll die Steuerfestsetzung für das Signing nach den GLE jedenfalls nachgeholt werden. Die verfassungsrechtlich relevante Frage, wie mit dieser möglichen Doppelfestsetzung von Grunderwerbsteuer (für Signing und Closing) umzugehen ist und ob dies nicht dem Übermaßverbot widerspräche, bleibt weiterhin offen. 

Es ist – jedenfalls, bis die vorstehende Frage geklärt ist – weiterhin alternativlos, sowohl das Signing als auch das Closing fristgerecht innerhalb von zwei Wochen vollständig anzuzeigen, um die doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer zu vermeiden.  

Im Übrigen geben die GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG die allgemein bekannten Grundsätze wieder, insbesondere zur Anrechnung nach § 1 Abs. 6 GrEStG, zum Steuerschuldner und zu den Anzeigepflichten. Zudem wird auf die GLE zu Treuhandgeschäften (Erlass vom 19. September 2018, BStBl. I, 1074) und auf die lediglich redaktionell überarbeiteten GLE zur Anwendung der Anteilsvereinigung auf Organschaftsfälle vom 5. März 2024 verwiesen. Die Anteilsvereinigung im Organkreis nach § 1 Abs. 4 GrEStG ersetzt die Vereinigung in einer „Hand“ nach § 1 Abs. 3 GrEStG. 

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Autorin

Julia Wunderlich 

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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