EuGH-Urteil zur umsatzsteuerlichen Organschaft mit Personengesellschaften
Hintergrund
Der V. Senat des BFH vertritt bislang die Auffassung, eine Personengesellschaft könne nur dann Organgesellschaft sein, wenn außer dem Organträger nur finanziell in den Organträger eingegliederte Personen Gesellschafter der Organgesellschaft sind. Dem entspricht Abschn. 2.8 Abs. 5 a des UStAE. Der Grund: Eine Personengesellschaft trifft ihre Beschlüsse typischerweise einstimmig. Wenn außer dem Organträger noch eine andere Person beteiligt ist, kann sich der Organträger in der Personengesellschaft nicht durchsetzen – es sei denn, der Organträger beherrscht diese andere Person durch finanzielle Eingliederung. Zwar kann die Personengesellschaft durch Gesellschaftsvertrag vom Einstimmigkeitsprinzip abweichen. Da dies auch mündlich geschehen kann, sieht der V. Senat hier aber Beweisschwierigkeiten.
Der XI. Senat des BFH erkannte diese Beschränkung bis jetzt nicht an.
EuGH: Gesellschafter der Personengesellschaft müssen nicht finanziell eingegliedert sein
In dem Fall, der dem EuGH-Urteil vom 15. April 2021 (Az. C-868/19) zugrunde lag, sollte eine GmbH & Co. KG als Organgesellschaft finanziell in eine der Kommanditisten, die M-GmbH, eingegliedert werden, obwohl weitere Kommanditisten an der GmbH & Co. KG beteiligt waren. Nach dem Gesellschaftsvertrag wurden die wesentlichen Beschlüsse in der GmbH & Co. KG mit einfacher Mehrheit gefasst. Dabei hatte die M-GmbH sechs Stimmen, alle anderen Gesellschafter nur eine, sodass sich die M-GmbH in der GmbH & Co. KG durchsetzen konnte. Nach Auffassung des EuGH kann die GmbH & Co. KG Organgesellschaft der M-GmbH als Organträgerin sein, obwohl die anderen Kommanditisten nicht finanziell in die M-GmbH eingegliedert waren.
Bedeutung für die Praxis
Unternehmen, die das Entstehen einer Organschaft mit einer Personengesellschaft als Organgesellschaft nicht wünschten, haben häufig für die Beteiligung einer weiteren Person an der Personengesellschaft gesorgt, die finanziell nicht in den potenziellen Organträger eingegliedert ist. Solange der Anwendungserlass nicht geändert wird, besteht diese Möglichkeit fort, es ist jedoch damit zu rechnen, dass das BMF den Anwendungserlass an die EuGH-Rechtsprechung anpassen wird. Dann sollte die Organschaft, wenn dies gewünscht ist, aber durch eine Stimmenverteilung verhindert werden können, die dem Organträger die Durchsetzung seines Willens in der Personengesellschaft nicht erlaubt. Ist eine Organschaft mit einer Personengesellschaft gewünscht, obwohl an ihr nicht finanziell in den Organträger eingegliederte Personen beteiligt sind, kann man sich nun direkt auf das hier besprochene EuGH-Urteil berufen. Voraussetzung ist aber, dass nach der individuellen Ausgestaltung der Stimmrechte der Organträger in der Personengesellschaft trotz der Beteiligung weiterer Personen seinen Willen durchsetzen kann.
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