BFH: Anwendbarkeit des begünstigten Umsatzsteuersatzes für Zweckbetriebe

In seinem Urteil vom 5. April 2023 (V R 14/22) hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Frage der Anwendbarkeit der Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG auf Blut- und Gewebetransporte beschäftigt. Zwar hat der BFH in der Sache mangels Feststellungen der Vorinstanz keine Entscheidung getroffen. Er geht jedoch auf die gesetzlichen Anforderungen an einen begünstigten Umsatzsteuersatz für Zweckbetriebe ein, sodass das Urteil Bedeutung für gemeinnützige Körperschaften im Healthcare-Bereich trägt.

Sachverhalt

Bei dem Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein. Laut Satzung bestand der Zweck des Klägers u. a. darin, „verletzten, kranken und behinderten Menschen Hilfe zu leisten und eine Transportmöglichkeit mit vereinseigenen Fahrzeugen zu schaffen“.

Der Kläger transportierte in den Jahren 2014 bis 2016 Blut- und Gewebeproben zwischen Krankenhäusern/ Arztpraxen und Laboren in mit Blaulicht und Martinshorn ausgestatteten Fahrzeugen. Die Vertragsbeziehungen bestanden nur zwischen den benannten Parteien, nicht aber zu den Patient*innen, deren Proben transportiert wurden. In der Umsatzsteuererklärung gab der Kläger u. a. Umsätze zum ermäßigen Steuersatz aus Blut- und Gewebetransporten gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG an. Die Finanzverwaltung erkannte die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes nicht an. Die Leistungen des Klägers kämen nicht unmittelbar dem begünstigten Personenkreis (Verletzte, Kranke und Behinderte) zugute, sondern seien gegenüber Dritten (Krankenhäuser, Ärzte, Labore) erbracht worden. Der Kläger habe somit nicht „unmittelbar“ satzungsmäßige Zwecke erfüllt.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG Schleswig- Holstein mit Urteil vom 28. Juni 2022 der Klage statt und stellte fest, dass die Transporte fast ausschließlich erfolgt seien, um kranken und hilfsbedürftigen Menschen zu helfen. Der Annahme eines Zweckbetriebs stehe nicht entgegen, dass die Transportleistungen den kranken Menschen nicht im Rahmen eines direkten Vertragsverhältnisses unmittelbar zugutegekommen seien, sondern sich lediglich als Subunternehmerleistungen auf mittelbarem Wege bei den Patienten niedergeschlagen hätten. Gegen diese Entscheidung legte das Finanzamt Revision ein, die der BFH als begründet ansah. Das FG habe die Steuersatzermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG zu Unrecht bejaht.

Entscheidung des BFH

Der BFH trifft keine Entscheidung in der Sache selbst, stellt jedoch folgende Grundprinzipien dar:

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG ermäßigt sich unter den dort genannten Voraussetzungen die Steuer für Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, auf 7 %. Eine Begünstigung greift dagegen nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 a) S. 2 UStG). Erforderlich ist daher, dass es sich um Leistungen handele, die die Körperschaft im Rahmen eines Zweckbetriebes gemäß § 64 Abs. 1 AO erbringt.

Die Steuersatzermäßigung für den Zweckbetrieb greift aber nur dann, wenn die weiteren Voraussetzungen des Satz 3 des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG auch erfüllt sind.

Im Streitfall habe das FG – so der BFH – die die Steuersatzermäßigung einschränkenden Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) S. 3 UStG zwar genannt. Es habe aber – ohne weitere Prüfung – lediglich festgestellt, dass diese erfüllt seien.

Damit habe das FG die Voraussetzungen dieser Vorschrift bejaht, ohne dass erkennbar wird, aufgrund welcher Tatsachen und rechtlichen Erwägungen sich diese Schlussfolgerung ergibt. Der BFH hat daher die Sache an das FG zurückverwiesen, da der Senat die erforderliche Prüfung im Revisionsverfahren nicht nachholen könne.

Im zweiten Rechtsgang habe das Finanzgericht Folgendes zu beachten:

a) Im ersten Schritt sei zu prüfen, ob der Kläger mit den Blut- und Gewebetransporten seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichte (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG). Da der Blut- und Gewebetransport nicht ausdrücklich als Zweck oder als Maßnahme zur Zweckverwirklichung in der Satzung bezeichnet ist, habe das FG im Wege der Auslegung der Satzung festzustellen, ob die streitgegenständlichen Blut- und Gewebetransporte von der Satzung gedeckt sind und Personentransporten gleichzustellen sind. Dabei seien nicht lediglich der Wortlaut und der Kontext der betroffenen Satzungsklauseln zu würdigen, sondern sogar der Vereinsname.

b) Sofern man die Selbstverwirklichung des steuerbegünstigten Satzungszwecks verneinen sollte, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ein Zweckbetrieb nach §§ 65 ff. AO vorliegt und die streitgegenständlichen Leistungen in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dienen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG). Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um Umsätze mit Wettbewerbscharakter handelt, kommt es – so der BFH – nicht darauf an, ob aus den zusätzlichen Einnahmen geringe oder keine Gewinne erzielt wurden. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Kläger in Wettbewerb zu anderen Unternehmen tritt, die eine vergleichbare Leistung unter Anwendung des regulären Steuersatzes anbieten. Eine unionsrechtlich gebotene weite Auslegung von § 12 Abs. 2 UStG ergebe, dass eine Begünstigung nur erfolgen könne, wenn keine oder nur geringe Gefahr der Wettbewerbsverzerrung vorliegt. Daher könne im Streitfall zwischen den Einsätzen im Rahmen einer eiligen Notfallbehandlung unter Einsatz von Blaulicht mit einer geringen Gefahr der Wettbewerbsverzerrung und den sonstigen Einsätzen zu unterscheiden sein.

Auswirkungen

Obwohl die Entscheidung des BFH auf einem sehr speziellen Fall (Transport von Blut- und Gewebeproben) beruht, haben die Kernaussagen gleichwohl über diesen Sachverhalt hinaus Bedeutung. Es geht um die gerade im Healthcare-Bereich sehr relevante Frage, wann der ermäßigte Umsatzsteuersatz Anwendung findet. Ausgangspunkt für die Prüfung dieser Frage ist der nur schwer verständliche und verunglückte § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) Satz 3 UStG. Dabei zu berücksichtigen sind die eher einschränkende Rechtsprechung des BFH und die hierzu wiederum abmildernden Verwaltungsrichtlinien. Das nun ergangene Urteil hilft bei der komplexen Prüfung nur wenig, sondern zeigt mit seinen Hinweisen eher, mit welch schwierigen Abwägungen gemeinnützige Organisationen konfrontiert sind – z. B., dass der Vereinsname bei der Auslegung, inwieweit satzungsgemäße Zwecke selber verwirklicht werden, ggf. mit zu berücksichtigen sein soll.

Auch die Frage, was unter einer „zusätzlichen Einnahme“ im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, bleibt weiter unklar, erst recht, da der BFH andeutet, es könne zwischen Einsätzen im Rahmen einer eiligen Notfallbehandlung unter Einsatz von Blaulicht und sonstigen Einsätzen zu unterscheiden sein.

Es bleibt abzuwarten, wie die erste Instanz infolge der Hinweise des BFH entscheiden wird.

Zu hoffen ist, dass durch eine Gesetzesänderung mehr Klarheit und Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen in dieser so relevanten Frage geschaffen wird. So enthält Artikel 27 des derzeit in der parlamentarischen Beratung befindlichen „Wachstumschancengesetzes“ – unter anderem mit Hinweis auf Neubewertungen auf europäischer Ebene – entsprechende Änderungsvorschläge (vgl. Bundesratsdrucksache 433/23, Seite 27 f. und Begründung Seite 230 f.). In jedem Fall ist eine intensive Prüfung jeder Tätigkeit im Einzelfall unerlässlich. Auch kann die Abstimmung mit der Finanzverwaltung, ggf. im Rahmen einer verbindlichen Auskunft, empfehlenswert sein sowie die Aufnahme von entsprechenden Umsatzsteuerklauseln in die vertraglichen Vereinbarungen.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 4-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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